Waldbrand, Spanien, Trockenheit
Verbrannte Erde in Bejis an der Ostküste Spaniens nach schweren Waldbränden im August des Vorjahres. Die zunehmende Trockenheit der Luft in Europa dürfte die Gefahr künftiger Waldbrände weiter erhöhen.
Foto: EPA/Biel Aliño

Die Luft in Europa ist in den letzten Jahrzehnten im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erheblich trockener geworden. Verantwortlich dafür ist einmal mehr der menschengemachte Klimawandel, wie ein internationales Forschungsteam im Fachjournal "Nature Geoscience" berichtet. Die trockenere Atmosphäre hat deutliche Folgen für die europäische Natur und Landwirtschaft; sie führt zu häufigeren Dürreperioden und verschärft die Gefahr von Waldbränden.

Der Trend hält an

Mit einem neuartigen Ansatz haben die Forschenden unter der Leitung von Kerstin Treydte von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) das sogenannte Dampfdruckdefizit seit dem Jahr 1600 rekonstruiert und dazu das Isotopenverhältnis von schwerem und leichtem Sauerstoff (18O/16O) in Baumringen aus einem europäischen Netzwerk von Waldstandorten untersucht.

Die Analysen zeigen nicht nur, dass die Luft über weiten Teilen Europas seit Beginn des 21. Jahrhunderts trockener geworden ist, sondern auch, dass dieser Trend weiter anhält. "Angesichts der Dürreereignisse in vielen Regionen Europas in den letzten Jahren ist dieser Befund wirklich besorgniserregend", sagte Treydte.

Ein Maß für die Lufttrockenheit ist das Dampfdruckdefizit (Englisch: vapor pressure deficit, kurz VPD). Diese physikalische Größe beschreibt den Unterschied zwischen dem tatsächlichen und dem maximal möglichen Wassergehalt der Luft, also sozusagen den "Wasserdurst" der Luft.

Wasserdurstige Luft, also hohes VPD, zieht vermehrt Wasser aus dem Boden und aus Pflanzen, reduziert das Wachstum und kann sogar zum Absterben von Bäumen führen. Die ausgetrocknete Vegetation und die trockenen Böden erhöhen die Waldbrandgefahr. Zwar ist bekannt, dass das VPD in einem sich erwärmenden Klima ansteigt. Über die räumliche Ausprägung und langfristige Schwankungen bis in vorindustrielle Zeit ohne menschlichen Einfluss wusste man bisher jedoch noch wenig.

Verräterische Jahresringe

Treydte und ihr Team konnten erstmals Veränderungen im VPD großräumig in Europa über 400 Jahre nachvollziehen. Dafür stellten sie Daten von Sauerstoffisotopen in Jahresringen aus ganz Europa zu einem großen Netzwerk zusammen. Isotope sind unterschiedlich schwere Varianten eines Atoms, die über das Wasser aufgenommen werden und deren Anteil von Jahresring zu Jahresring schwankt. Wasser beispielsweise enthält leichte und schwere Varianten von Sauerstoffatomen.

Bäume nehmen es über die Wurzeln auf, geben einen Teil davon über die Blätter wieder an die Luft ab und nutzen den übrigen Teil zum Aufbau neuer Zellen. Das Verhältnis zwischen leichten und schweren Isotopen verändert sich vom Wasser im Boden bis zur Bildung von Holz. Diese Änderungen werden zum Großteil durch das VPD gesteuert. So enthalten die Sauerstoffisotope in den Baumringen Informationen über die vergangene und gegenwärtige Lufttrockenheit.

Bäume, Jahresringe, Trockenheit
Anhand der Sauerstoffisotope von Jahresringen lassen sich das Klima und die Trockenheit vergangener Zeiten rekonstruieren.
Foto: AP/Brian Melley

Menschlicher Einfluss

Anhand von zusätzlichen Modellsimulationen konnte die Wissenschafterinnen und Wissenschafter die Erkenntnisse aus den Jahresringdaten testen. Auch die Modelle kommen zu dem Ergebnis, dass die Lufttrockenheit im 21. Jahrhundert im Vergleich zur vorindustriellen Zeit außergewöhnlich hoch ist. Darüber hinaus zeigen sie, dass die heutigen VPD-Werte ohne Treibhausgasemissionen nicht hätten erreicht werden können. Der Einfluss des Menschen ist also unbestreitbar.

Die Kombination aus Jahresringdaten, Modellsimulationen und direkten Messungen legt zudem regionale Unterschiede offen: In Nordeuropa hat der Wasserdurst der Luft im Vergleich zur vorindustriellen Zeit am wenigsten zugenommen, weil die Luft dort kühler ist und damit weniger Wasser aufnehmen kann im Vergleich zu südlicheren Regionen. In den zentraleuropäischen Tiefländern und in den Alpen und Pyrenäen hingegen ist der VPD-Anstieg besonders stark, mit höchsten Werten in den Dürrejahren 2003, 2015 und 2018.

Steigender Wasserbedarf

Eine weitere Zunahme des VPD stellt längerfristig eine Bedrohung vieler lebenswichtiger Ökosystemfunktionen dar. "Für die Landwirtschaft hat VPD eine besonders große Bedeutung: Je höher das Dampfdruckdefizit ist, desto größer ist der Wasserbedarf der Nutzpflanzen. Mehr Bewässerung wird nötig, und die Erträge sinken", erklärte Treydte. "Bei Wäldern sind Holzversorgung und Kohlenstoffbindung gefährdet, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Klimaregulierung und der zukünftigen Kohlenstoffspeicherung dieser Ökosysteme führt."

Gerade in den dichtbesiedelten Regionen Europas sei das schon besorgniserregend und zeige die Dringlichkeit der Emissionsreduzierung und die Wichtigkeit der Anpassung an den Klimawandel. "Unsere Erkenntnisse werden dabei helfen, Simulationen künftiger Klimaszenarien zu präzisieren und die potenzielle Bedrohung durch hohes VPD für Ökosysteme, Wirtschaft und Gesellschaft abzuschätzen", meinte die Klimawissenschafterin. (tberg, red, 28.12.2023)