Gefüllte Einkaufssackerln gehören zum Weihnachtsgeschäft dazu wie Adventmärkte und Punsch.
Das Weihnachtsgeschäft erfüllte die Erwartungen der Händler nicht. Jetzt kommen kräftige Gehaltserhöhungen.
IMAGO/Amin Chaar

Gleichsam auf den letzten Drücker haben sich die Sozialpartner zusammengerauft und haben einen Gehaltsabschluss für die rund 430.000 Beschäftigten im Handel ausverhandelt. Die Gehälter und Löhne steigen rückwirkend mit 1. Dezember im Schnitt um 8,43 Prozent. Je nach Verwendungsgruppe liegt die Erhöhung zwischen 8,3 und 9,2 Prozent, wobei nur die unteren Einkommensgruppen die volle Abgeltung der maßgeblichen Inflationsrate von 9,2 Prozent erhalten. Alle anderen Kollektivvertragserhöhungen bleiben unter der Inflationsrate. Das ist bitter für die Gewerkschaft GPA, allerdings ein Teilerfolg. Denn niedrigere Einkommen werden somit stärker erhöht, wodurch ein sozialer Ausgleich innerhalb der Arbeitnehmerschaft herausverhandelt wurde.

Es gilt allerdings wie bei den Metallern: Dieser Abschluss, der deutlich über dem für 2024 prognostizierten Verbraucherpreisindex liegt, muss von den Handelsunternehmern erst verdient werden. Und das dürfte insbesondere im Einzelhandel bei Klein- und Mittelbetrieben eine Herausforderung werden. Das in diesen Tagen zu Ende gehende Weihnachtsgeschäft gibt diesbezüglich wenig Anlass zur Zuversicht. Abseits der Einkaufszentren und großen Handelskonzerne wird das Geschäft eher als enttäuschend und mau beschrieben. Angesichts gestiegener Mieten und Lebenshaltungskosten sei eine bisweilen deutliche Konsumzurückhaltung spürbar, beklagen Betriebsinhaber. Prognostiziert waren für das heurige Weihnachtsgeschäft Mehrumsätze im Dezember von 1,25 Milliarden Euro, die laut Schätzung des Handelsverbands wohl erreicht worden sein dürften. Allerdings lag man damit fast 200 Millionen Euro hinter den Vorjahreswerten.

Höhere Einstiegsgehälter

Der mühsam errungene Abschluss soll wohl auch die Attraktivität der Handelsbranche erhöhen, die aufgrund der Arbeitszeiten als wenig beliebt gilt, und den Arbeitskräftemangel lindern: Neben den Lehrlingseinkommen werden auch die Mindestgehälter für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger erhöht – von derzeit 1.945 auf 2.124 Euro brutto. Die kollektivvertraglichen Mindestsätze für Auszubildende steigen im ersten Lehrjahr auf 880 Euro, im zweiten Lehrjahr auf 1.130 Euro und im dritten Lehrjahr auf 1.430 Euro. Ob durch diese Maßnahmen die von Arbeitgeberchefverhandler Rainer Trefelik erhoffte "Aufwertung" der Lehre im heimischen Handel gelingt, muss sich erst weisen. Die Anhebung stelle eine "wichtige Investition in die Zukunft des Handels dar", gab sich der Obmann der Bundessparte Handel nach Verkündigung des Gehaltsabschlusses optimistisch.

Faktum ist, dass für diesen Abschluss beide Seiten Federn lassen mussten. Jubel war auf keiner Verhandlungsseite zu vernehmen. Von einem schwierigen Kompromiss sprachen denn auch die Unternehmer, die sich nach Protestmärschen und Warnstreiks erleichtert über die Einigung in der siebenten Verhandlungsrunde zeigten. Ein Abschluss unter der Inflationsrate ist eine Novität in der Handelsbranche, das gab es in den vergangenen Jahrzehnten nie. Allerdings bewegte sich die Inflationsrate in der jüngeren Vergangenheit nie in solch lichten Höhen wie seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und der damit einhergehenden Energiekrise. Mit zwei bis 2,5 Prozent spielte die Inflation seit der Einführung des Euro eine beinahe zu vernachlässigende Rolle in diversen Lohnverhandlungen.

Reallohnzuwächse

Aufgrund der wirtschaftlichen Umstände sei eine vollständige Abgeltung der sogenannten rollierenden Inflation von Oktober 2022 bis September 2023 schlicht nicht möglich gewesen, stellte Handelsobmann Trefelik am Donnerstag einmal mehr klar. Damit spricht er einen wichtigen Punkt an. Denn die konjunkturelle Entwicklung spielte den Unternehmern letztlich in die Hände. Österreichs Wirtschaft, allen voran Industrie, Handel und Bau, rutschte tiefer in die Rezession, betonen Wirtschaftsforscher. Der Konsum ist schwach, und die Investitionen sind noch schwächer.

Vor diesem Hintergrund bewertet der Lohn- und Einkommensexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Benjamin Bittschi, den Abschluss im Handel als "einen guten Abschluss", der mit jenem der Metaller durchaus vergleichbar sei. Der Ausgleich so hoher zurückliegender Inflationsraten sei in der Rezession eine Herausforderung, sagte Bittschi im ORF-Radio. Die Abgeltung der ein Jahr zurückliegenden Inflationsrate sei angesichts der Rezession eine Herausforderung. Insgesamt sorgten die hohen nominellen Lohnsteigerungen im kommenden Jahr für relativ hohe reale Lohnzuwächse, mit denen die zurückliegende Inflation abgegolten werden soll. Nun brauche es strukturelle Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt, andernfalls wirkten die hohen Lohnabschlüsse langfristig als schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit, mahnte der Wifo-Experte.

Nicht an Inflation gewöhnen

Der Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, warnte vor einem Gewöhnungseffekt in Sachen Inflation: Man dürfe "nicht in den Krisenmodus verfallen". Die "hartnäckige" Teuerung sei nicht nur ein soziales Problem, sondern werde für Österreich zunehmend zum Standortproblem. Der Inflationsunterschied zu den anderen europäischen Ländern verringere sich nur langsam, deshalb sei die Regierung bei der Inflationsbekämpfung gefordert, etwa durch eine Senkung der staatlichen Ausgaben. Die Arbeitgeber forderten einmal mehr eine Senkung der Lohnnebenkosten ein, Arbeit werde in Österreich zu hoch belastet mit Steuern und Abgaben.

Erspart geblieben ist den Arbeitgebern ein Zweijahresabschluss wie bei den Metallern, die Anfang Dezember auch gleich den Abschluss 2024/25 fixierten. Dieser sieht eine Erhöhung um die maßgebliche Inflationsrate vor zuzüglich eines Aufschlags von einem Prozent. Chefverhandlerin Helga Fichtinger von der Gewerkschaft GPA: "Für uns war wichtig, dass wir einen dauerhaft wirksamen Gehaltsabschluss für alle erreichen. Wesentlich ist weiters, dass wir die von den Arbeitgebern vorgeschlagene Einmalzahlung vom Tisch bekommen haben. Diese wäre auf Perspektive ein riesiges Verlustgeschäft für die Beschäftigten gewesen."

Arbeitszeitverkürzung abgelehnt

Mit ihrer Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung sind die Gewerkschafter freilich auf ganzer Linie abgeblitzt. "Das wäre für die Branche ein echter Meilenstein gewesen und hätte die Attraktivität deutlich erhöht", räumte die GPA-Fachfrau resigniert ein. Mehr sei angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Betrieben nicht zumutbar, betonte Trefelik, der die Verhinderung eines Zweijahresabschlusses nach Vorbild der Metaller auf seinem Konto verbuchen kann. Das hätte den Handlungsspielraum der Branche in der Zukunft zu sehr eingeschränkt. "Die Situation im Handel ist dermaßen volatil, dass wir hier jedes Jahr einzeln bewerten sollten."

Das Ringen um einen neuen KV hat sich heuer über viele Wochen gezogen und war von Betriebsversammlungen, öffentlichen Kundgebungen und Warnstreiks im Weihnachtsgeschäft begleitet. Schlussendlich trafen sich die Verhandlungspartner – gemessen an ihren Eingangsforderungen – etwa in der Mitte. Die Gewerkschaft hatte elf Prozent gefordert, also einen deutlichen Aufschlag auf die rollierende Inflation von 9,2 Prozent. Die Arbeitgeber hatten sich von ihrem aufreizend tief gelegten Eröffnungsangebot von fünf Prozent plus 800 Euro Einmalzahlung nur in Trippelschritten hochverhandeln lassen.

Der Handels-KV regelt die Mindestgehälter von 430.000 Angestellten und Lehrlingen. Es ist der größte Branchenkollektivvertrag in Österreich. Knapp zwei Drittel der 430.000 Angestellten sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Etwa 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote lediglich bei rund 13 Prozent. (Luise Ungerboeck, 28.12.2023)