Frau blickt mit traurigem Gesichtsausdruck durch Fenster in Winterlandschaft
Wer hierzulande an das Jahr 2024 denkt, ist wenig positiv gestimmt.
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Linz – Nur etwa jeder zwölfte Wahlberechtigte macht sich derzeit keine Sorgen, ob die Bundesregierung die richtigen Maßnahmen für die Zukunft Österreichs trifft. 57 Prozent aber bekunden für das Jahr 2024 große Sorgen. Dies ist eine starke Zunahme: Im Vorjahr hatten bei einer Vergleichsumfrage erst 48 Prozent derart große Sorgen geäußert; im Dezember 2019, kurz vor Antritt der mit vielen Vorschusslorbeeren versehenen türkis-grünen Regierung, waren es erst 33 Prozent. Nicht viel geringer sind die Sorgen, ob die EU die richtigen Maßnahmen für die Zukunft Europas trifft: Da haben 51 Prozent große Sorgen.

Das geht aus der aktuellen Umfrage des Linzer Market-Instituts zum Jahreswechsel hervor. Im Auftrag des STANDARD wurden Sorgen und Erwartungen von 800 repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung ausgewählten Wahlberechtigten erhoben.

Einleitend wurde gefragt: "Sehen Sie der nahen Zukunft mit Optimismus und Zuversicht oder eher mit Skepsis bzw. Pessimismus entgegen?" Darauf bekannten sich 45 Prozent als Pessimisten – ein sehr hoher Wert, wenn man die Vergleichsumfrage von Ende 2019 (20 Prozent Pessimisten) oder auch jene von Ende 2020 heranzieht: Sogar mitten in der Corona-Pandemie standen nur 36 Prozent Pessimisten 37 Prozent Optimisten gegenüber. Jetzt ist der Anteil jener, die sich als Optimisten bezeichnen, auf 26 Prozent gesunken.

Auffallend ist, dass Männer, Menschen mit einfacher formaler Bildung und die Wählerschaft von FPÖ und SPÖ besonders pessimistisch gestimmt sind, während der Anteil von Optimisten unter Neos- und ÖVP-Anhängern überdurchschnittlich hoch ist.

Market-Institut-Leiter David Pfarrhofer: "Unter denen, die derzeit nicht wissen, wen sie wählen sollten, sind besonders wenige Optimisten, die stimmen also mit der Opposition in hohem Maß überein. Und man sieht auch deutlich, dass diese Gruppen besondere politische Zukunftssorgen bekunden. Wobei wiederum die Freiheitlichen hervorstechen: FPÖ-Wähler fürchten alles außer den Klimawandel. Beinahe jedem zweiten FPÖ-Wähler macht der Klimawandel gar keine Sorgen – Sorgen macht diesen Menschen eher die Begründung politischer Maßnahmen mit dem Klimawandel."

Angst vor Klimapolitik

Das geht so weit, dass ein Drittel der freiheitlichen Wählerschaft im neuen Jahr erwartet, dass Österreich eine entschlossene Klimapolitik machen wird, erklärt Pfarrhofer: "In anderen Gruppen ist diese Erwartung teils deutlich geringer, aber man kann davon ausgehen, dass FPÖ-Wähler persönlich negative Folgen einer engagierten Klimapolitik befürchten."

In der österreichischen Wählerschaft ist das Klimathema ins Mittelfeld zurückgefallen, neue Flüchtlingsbewegungen, illegale Migration und die Integration ausländischer Mitbürger bereiten beinahe jedem Zweiten große Sorgen.

Das Ausländerthema hat auch die Verteilungsfrage überrundet. Die Frage, "ob die Kluft zwischen Reich und Arm in Österreich größer wird", stimmt 45 Prozent besorgt, deutlich weniger als noch vor einem Jahr, als 52 Prozent in diesem Punkt große Sorge bekundet haben. In diesem Punkt stimmen übrigens die Wählerschaften von FPÖ, SPÖ und die wenigen erklärten Bierpartei-Anhänger weitgehend überein. Neos- und ÖVP-Wähler haben da die geringsten Sorgen. Allerdings: Dass sich die Kluft zwischen Armen und Reichen tatsächlich schließen wird, erwarten ohnehin nur 14 Prozent – auch diese Erwartung ist über viele Jahre weitgehend unverändert gedämpft.

Vier von zehn Befragten machen sich große Sorgen, dass Fake News im Internet die Demokratie gefährden und dass ausländische Mächte die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben könnten – diese Sorgen liegen auf ähnlichem Niveau wie die vor Kaufkraftverlust und Verschlechterungen im Pensionsbereich.

Etwa jeder Dritte sorgt sich sehr, dass künstliche Intelligenz zum Schaden der Menschheit eingesetzt werden könnte.

Besorgnis um demokratische Rechte

Ebenso groß ist die Furcht vor einen Einschränkung demokratischer Rechte. Diese Sorge hat über die Jahre merklich zugenommen – während der Anteil jener, die das gar nicht befürchten, auf ein Viertel der Wahlberechtigten gesunken ist. Pfarrhofer: "Die Sorge vor einer Einschränkung demokratischer Rechte ist bei den Freiheitlichen besonders ausgeprägt, die fürchten auch in hohem Ausmaß finstere ausländische Mächte oder staatliche Überwachung."

Es gibt allerdings auch Bereiche, in denen sich eine große Mehrheit gar keine Sorgen macht: Das betrifft sowohl die persönlichen Beziehungen als auch berufliche Fragen wie Erfolg und die Sicherheit des Arbeitsplatzes.

Hälfte glaubt an weltweite Wirtschaftskrise

Andererseits rechnet – in einer anderen Fragestellung – jeder Zweite damit, dass es 2024 zu einer weltweiten Wirtschaftskrise kommen wird. Dass es in Österreich einen Wirtschaftsaufschwung geben wird, erwarten dagegen nur 31 Prozent. Von drei Viertel der Befragten wird erwartet, dass rechtsextreme Parteien bei der EU-Wahl zulegen werden.

Wenig Hoffnung gibt es auf Frieden: 45 Prozent rechnen mit einer weiteren kriegerischen Auseinandersetzung in Europa, 35 Prozent mit einem neuerlichen Terroranschlag in Österreich, und nur 16 Prozent glauben, dass die Kriege in der Welt weniger werden.

Auch auf eine Lösung der Flüchtlingsprobleme wagt nur eine Minderheit – rund ein Viertel der Befragten – zu setzen. An eine europäische Lösung der Flüchtlingsverteilung glauben gar nur 15 Prozent. Wie überhaupt nur 30 Prozent eine engere Zusammenarbeit in Europa erwarten.

Und in Amerika? Dort bleibt nach derzeitiger Erwartung der Österreicherinnen und Österreicher Joe Biden Präsident – dass die USA und Russland wieder irgendwie zusammenfinden werden, können 85 Prozent nicht glauben. (Conrad Seidl, 1.1.2024)