Sie sind klein und schmal, aber es gibt ganz schön viele von ihnen: Allein in Österreich waren zuletzt 16,2 Millionen Zahlungskarten im Umlauf, zeigen Zahlen der österreichischen Nationalbank. Weltweit werden jedes Jahr circa sechs Milliarden neue Bankkarten ausgegeben. Der Kunststoff, der dafür verwendet wird, hat etwa das gleiche Gewicht wie 150 Flugzeuge des Modells Boeing 747, hieß es kürzlich in einer Studie. Da die Welt bekanntermaßen ohnehin ein Plastikmüllproblem hat, sind einige Banken in Deutschland nun dazu übergegangen, an Kundinnen und Kunden Kreditkarten aus Holz auszugeben.

So zum Beispiel das Hamburger Fintech Tomorrow, das damit ein "Symbol für nachhaltiges Banking" setzten will. "Die Karte ist ein Statussymbol einer neuen Generation – sie steht für eine klimaneutrale Lebensweise und bewussten, nachhaltigen Konsum", wird Inas Nureldin, Mitgründer von Tomorrow, in einem Artikel im "Business Insider" zitiert. Die Karte bestehe aus nachhaltig angebautem Kirschholz aus Österreich. Sie ist allerdings nicht komplett aus Holz, ihr Kern besteht aus recyceltem PVC, also Kunststoff.

Aus Ahornholz

Doch es gibt inzwischen auch schon eine Bezahlkarte, die komplett ohne Plastik auskommt. Dahinter steht das Unternehmen Copecto aus Wiesbaden, ein Tochterunternehmen der DG Nexolution. Das Produkt nennt sich Timbercard und wurde in der Schweiz von der Firma Swiss Wood Solutions entwickelt. Die Timbercard besteht aus mehreren Schichten Ahornholz aus heimischen Wäldern, die mit einem Bioklebstoff verbunden sind. "Aus einem Kubikmeter Holz produzieren wir ungefähr 100.000 Karten", erklärt Christian Lehringer von Copecto im Gespräch mit dem STANDARD. Künftig könnten auch andere Holzarten zum Einsatz kommen, beispielsweise Fichtenholz oder Buchenholz. "Viele Holzarten, die in europäischen Ländern wachsen, können verwendet werden."

Banken können die Timbercard wie eine herkömmliche Giro- oder Mastercard herausgeben. In Deutschland haben sie schon einige eingeführt. Die sozial-ökologische GLS-Bank war im Jahr 2022 die Erste. Außerdem gibt es 33 Pilotprojekte bei verschiedenen Volks- und Raiffeisenbanken. Mit 150 weiteren Banken sei man im Gespräch, sagt Christoph Korn, der bei DG Nexolution für Marketing und Kommunikation verantwortlich ist. Das Ziel sei, die Karte weltweit zu etablieren.

TIMBERCARD® - the world’s first plastic-free wood payment card
Our subsidiary COPECTO presents the TIMBERCARD®, the world's first plastic-free wooden card for more sustainable payment transactions. More information: https://timbercard.com und https://s.dg-nexolution.de/nachhaltigekarte Unser Tochterunternehmen COPECTO pr
DG Nexolution

Bisher seien rund 50.000 Holzkarten hergestellt worden. Während die Karten bis dato in einer Pilotanlage in kleinen Mengen erzeugt wurden, gehe es demnächst in die industrielle Produktion. Name und Banklogo werden per Laser in die Karte hineingefräst – "damit keine Farbe nötig ist, die derzeit noch nicht biologisch abbaubar erhältlich ist", sagt Lehringer. Die Timbercard sei mindestens vier Jahre haltbar, das sei eine Vorgabe für alle Bankkarten.

"Schritt in die richtige Richtung"

Jia Min Chin ist Expertin für anorganische Chemie und Materialchemie an der Universität Wien. Für sie, die sich mit der Entwicklung einer besseren Materialeffizienz und -nutzung beschäftigt, ist die Timbercard "ein Schritt in die richtige Richtung". Sie passe in den Trend, nach nachhaltigeren Alternativen zu Plastik zu suchen. Besonders wichtig sei, dass das Unternehmen darauf achtet, wie das Holz gewonnen wird und ob es aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt. Laut Christian Lehringer sei das bei der Timbercard der Fall: "Unsere klare Anforderung ist, dass das Holz ausschließlich aus nachhaltig zertifizierten Wäldern kommt."

Die Timbercard wird aus Ahornholz hergestellt. Sie kann wie eine herkömmliche Giro- oder Mastercard verwendet werden.
Copecto/DG Nexolution

Ein Haken bei der Timbercard: In der Theorie könnte sie einfach auf den Kompost oder in den Biomüll geworfen werden, denn der Körper ist biologisch abbaubar – in der Praxis ist das allerdings nicht möglich. Denn damit eine Bankkarte funktioniert, braucht es schließlich auch noch einen Chip, eine Antenne und einen Magnetstreifen. Das merkt auch Expertin Jia Min Chin an. Die verschiedenen Materialkomponenten könnten zu Problemen bei der Zerlegung und dem Recycling führen.

"Klar brauchen wir noch einen Magnetstreifen auf der Rückseite der Karte, das ist einfach eine technische Notwendigkeit", sagt dazu Lehringer. An einer Möglichkeit zum Recycling der Karte werde derzeit gearbeitet.

Viel mehr Müll

Doch welche Rolle spielen Kreditkarten tatsächlich bei der weltweiten Plastikmüllproblematik? Im Vergleich mit den rauen Mengen an Plastik, die weltweit jeden Tag im Umlauf sind keine große, sagt Sabine Seidl von die Umweltberatung. "Wir bekommen nur alle paar Jahre eine neue Kreditkarte, aber produzieren im Alltag beim Einkauf laufend Plastikabfälle. Das Hauptproblem beim Plastik sind nicht die langlebigen Gegenstände, die jahrelang im Gebrauch sind, sondern die kurzlebigen Produkte, die nach einmaligem Gebrauch weggeworfen werden."

"Das ist ein Kritikpunkt, der uns immer wieder entgegengebracht wird", sagt Lehringer. "Und es stimmt, im Vergleich zur Verpackungsindustrie oder zur Bauindustrie sind die Volumen, die in den Kunststoffkarten verwendet werden, relativ gering." Doch die Masse mache eben den Unterschied. "Das Ziel sollte doch sein, dass jeder in seinem Wirkungsbereich das tut, was er tun kann." Mit seinen Innovationen gebe man "wertvolle Denkanstöße, dass vielleicht noch ganz andere Alltagsprodukte aus Holz hergestellt werden können".

Laut Expertinnen und Experten wäre es übrigens am nachhaltigsten, gar keine Karte mehr zu verwenden, sondern digital zu bezahlen. Angst, dass die Timbercard bald überflüssig werden könnte, haben die Hersteller dennoch nicht. "Wir bemerken natürlich die Innovationen, aber sind uns sicher, dass die Karte noch weit über die nächsten zehn Jahre hinaus am Markt bleibt", sagt Christoph Korn. Der Kartenmarkt sei groß, und außer Kreditkarten gebe es ja noch andere Karten im Geldbörsel, die man durch eine Holzversion ersetzen könne: Kundenkarten, Personalausweise, Krankenkassenkarten, Mitarbeiterausweise. Sie könnten mit derselben Technologie aus Holz hergestellt werden. "Aber ob wir auch in 50 Jahren noch Karten nutzen werden, weiß natürlich keiner." (Lisa Breit, 12.1.2024)