Burton Taylor
Elizabeth Taylor und Richard Burton 1963 in ihrem ersten gemeinsamen Film "The V.I.P.s": Ihre zwei mehr als zehn Jahre lang ertragenen Ehen waren vor allem auch durch Cinemascope-Tragödien gekennzeichnet.
imago images/Ronald Grant

Es gibt nicht viele Biografien von Hollywoodstars, die das Publikum derart fassungslos zurücklassen wie das nun auf Englisch vorliegende Monumentalwerk Erotic Vagrancy: Everything about Richard Burton and Elizabeth Taylor des britischen Autors Roger Lewis. Der 63-Jährige, der zuvor schon Arbeiten über Laurence Olivier oder Peter Sellers veröffentlichte, schildert in seinem mehr als 600 Seiten starken Buch die Chronik des größten Skandalpaars des 20. Jahrhunderts.

Das Leben Burtons und Taylors mit ihren zwei Albtraum-Ehen (1964 bis 1974 und 1975 bis 1976) und einem Jetset-Leben zwischen Sex, Drugs, Shakespeare und Sandalenfilm wurde schon lange vor Social Media in der internationalen Boulevardpresse genüsslich dokumentiert. Und auch der Buchmarkt ist diesbezüglich hervorragend versorgt.

Alkohol und Abstürze

Gut eineinhalb Jahrzehnte hat sich Lewis in das für küchenpsychologische Ferndiagnosen bestens geeignete Katastrophenleben zweier dank Starruhms komplett verzogener Königskinder eingelesen und die Schrauben noch einmal angezogen. Taylor und Burton drehten ab 1963 miteinander elf Filme. Etwa The V.I.P.s in London und Cleopatra, den damals im Hollywood-Sündenbabel Rom produzierten teuersten Film aller Zeiten. Abseits der Leinwand lebte das Paar in einem irren Märchenland aus Gier, Lust, Dekadenz, Gewalt, Wahn, Alkohol, Depressionen und Abstürzen.

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Roger Lewis hat sich diesbezüglich etwa auch die vor zehn Jahren auf Deutsch erschienenen empfehlenswerten Tagebücher Richard Burtons zur Brust genommen. Gegen diese wirken die Memoiren eines Keith Richards oder Elton John mitunter wie Kinderkram. Burton in einem Tagebucheintrag: "Akute Unzufriedenheit gemischt mit riesigen Mengen an Schuldgefühlen, Alkohol, Faulheit, Sorge um Elizabeths körperliche Gesundheit und ihren Verstand."

Opiate und Wodka

Bis zu drei Flaschen Wodka täglich sollten es bei Burton bis zu seinem Tod 1984 mit 58 Jahren werden. Die von Kind an kränkelnde Taylor mit ihren zahllosen Operationen, in denen es nicht nur um Schönheit, sondern unter anderem auch um Krebs, Kiefer und Wirbelsäule ging, schluckte in ihren Hochzeiten an die 800 Tabletten monatlich, darunter starke Opiate.

Entsprechend neben der Spur waren auch ihre öffentlichen Auftritte. Trotz teils miserabler Kritiken für ihre Filme floss das Geld in Strömen. Man kaufte einen Privatjet, der im britischen Regency-Stil des frühen 19. Jahrhunderts eingerichtet wurde. Taylor erschien zu Dreharbeiten mit Hofstaat und Privatzoo, für den schon einmal aufgrund fehlender Einreisebewilligungen vor der italienischen Küste eine Yacht angemietet wurde. Gemeinsam verwüstete man lange vor der Kollegenschaft aus der Rockmusik Hotelsuiten und angemietete Villen.

Sie küssten und sie schlugen sich

Man küsste und man schlug sich. Juwelen zählten für die ständig unzufriedene Prinzessin als kleine Aufmerksamkeiten ihrer insgesamt sieben Ehemänner. Oder, wie Eddie Fisher, Ehemann Nummer vier, im Buch zitiert wird: Ein Diamantring für 50.000 Dollar ab und zu habe zumindest vier Tage lang daheim für gute Stimmung gesorgt. Es war ein Spiel ohne Grenzen, ein grausames und selbstzerstörerisches Spiel.

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Richard Burton kam 1925 als Richard Jenkins in einer Bergarbeiterfamilie in Wales zur Welt. Er war das zwölfte von dreizehn Kindern. Der Vater soff, Burtons sehr wahrscheinlich pädophiler Lehrer und Mentor brachte ihn zum Schauspiel, wo er bald dank markanter Stimme und mit stechendem Blick als Shakespeare-Darsteller reüssierte. Der Erfolg in Hollywood abseits der seriösen Bühne ließ ihn zunehmend verbittern und sich selbst hassen, inklusive ständiger Sauftouren mit ähnlich disponierten Kollegen wie Peter O’Toole oder Richard Harris.

Unreife Kinder

Die 1932 in London geborene Elizabeth Taylor war dank Eislaufmutter und der Lassie-Filme schon früh ein Kinderstar in Hollywood, später sollten ihre ewig kindlichen Rollen mit der Reihe Vater der Braut eine Fortsetzung erfahren. Auch hier sorgten wohl frühe Missbrauchserfahrungen für lebenslange Traumata bis zu ihrem Tod mit immerhin 79 Jahren im Jahr 2011 als Parodie ihrer eigenen lebenslangen Divenrolle.

Legendär: Taylor und Burton als Martha und George in "Wer hat Angst vor Viginia Woolf" (1966)
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Die Hauptthese von Roger Lewis in Erotic Vagrancy ("Erotisches Vagabundieren") lautet: Aufgrund des frühen Erfolgs konnte sich das Paar nie zu erwachsenen Menschen entwickeln. Burton und Taylor blieben unreife, traurige und letztlich einsame Kinder, denen auch dank einer sensationslüsternen Öffentlichkeit keine Grenzen gesetzt wurden. Lewis belegt in akribischer Recherche, wie nicht das reale Leben in ihre Filme getragen wurde, sondern sie umgekehrt ihre überlebensgroßen Filmrollen ins Private holten. Eine Tragödie. Welch ein Sittenbild. (Christian Schachinger, 4.1.2024)

Roger Lewis, "Erotic Vagrancy. Everything about Richard Burton and Elizabeth Taylor". € 18,99 / 646 Seiten. Riverrun, London 2023