Frits Lugt
Beheimatet ist die Sammlung in einem pittoresken, im 18. Jahrhundert erbauten Palais im 7. Pariser Arrondissement.
Foto: Fondation Custodia / Collection Frits Lugt, Paris

Bereits im Alter von acht Jahren legte Frits Lugt sein erstes Sammlungsverzeichnis an. Darin dokumentierte er die ausgestellten Objekte aus seinem persönlichen Museum, das er in seinem Kinderzimmer gegründet hatte. Das sogenannte "Museum Lugtius" hatte nur dann geöffnet, wenn der "Direktor" zu Hause war, wie er in seiner Schrift festhielt. Bestand die damalige Hauptattraktion der kindlichen Sammlung aus Objekten wie seltenen Muscheln, wandte sich der 1884 in Amsterdam als Frederik Johannes Lugt Geborene bereits als Teenager der bildenden Kunst zu.

Vor allem die Werke des großen niederländischen Meisters Rembrandt van Rijn hatten es ihm angetan. Eine große Ausstellung begeisterte ihn 1898 derart, dass der damals 14-Jährige jede freie Minute im Rijksmuseum verbrachte, wo er die Gemälde und vor allem die Zeichnungen Rembrandts studierte. Weil zu seiner Bestürzung damals noch kein Katalog zu den zahlreichen Werken auf Papier des Barockkünstlers existierte, legte er diesen selbst an und präsentierte 1899 seiner Familie auch noch eine selbstgeschriebene Künstlerbiografie – samt eigenen Illustrationen.

Heute gilt Frits Lugt als bedeutender Kunsthistoriker, Sammler und Gründer der in Paris beheimateten Fondation Custodia, der sein Leben komplett seiner früh entdeckten Leidenschaft widmete. Durch sein Know-how, das er auch durch die jahrelange Tätigkeit in einem Auktionshaus erworben hatte, sowie die Heirat mit der wohlhabenden Jacoba Klever ergaben sich perfekte Voraussetzungen, um eine umfassende Kunstsammlung anzulegen. Gemeinsam reisten sie um die Welt und kauften vor allem Zeichnungen, Drucke und Bücher an, später kamen auch teurere Gemälde dazu.

Frits Lugt
Gemeinsam reisten Frits Lugt und seine wohlhabende Frau Jacoba Klever um die Welt und kauften vor allem Zeichnungen, Drucke und Bücher an, später kamen auch teurere Gemälde dazu.
Foto: Fondation Custodia / Collection Frits Lugt, Paris

Möbelstücke für die Gemälde

Fast 80 Jahre nach der Gründung der Fondation umfasst die Frits Lugt Collection heute an die 7000 Zeichnungen, 15.000 Drucke sowie 450 Gemälde, unter anderem von Künstlern wie da Vinci, Rubens, Breughel, Goya und natürlich Rembrandt (insgesamt 21 Zeichnungen). Sie wird laufend erweitert und gilt als eine der größten Privatsammlungen für Arbeiten auf Papier sowie Briefe Alter Meister. Beheimatet in einem pittoresken, im 18. Jahrhundert erbauten Palais im 7. Arrondissement hinterließ Lugt mit seiner Stiftung einen besonderen Schatz.

Neben den Depots, Werkstätten, Lesesälen, einer Bibliothek, einem Bookshop sowie den Ausstellungsräumen werden zahlreiche Gemälde, Skizzen sowie andere Sammlungsobjekte, darunter Porzellan sowie seltene Muscheln (!), in den historischen Räumlichkeiten der Stiftung präsentiert, die den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als Büros mit musealem Charakter dienen. Lugt wählte die exquisiten Möbelstücke passend zu seinen Kunstwerken aus, die Einrichtung und Hängung der Bilder ist bis heute großteils gleich geblieben. Vor allem niederländische und flämische Stillleben, Porträts und Landschaften aus dem 16. und 17. Jahrhundert befinden sich dort.

Das Herzstück der Fondation – die zahlreichen Zeichnungen und Drucke Alter Meister aus dem 15. bis 18. Jahrhundert – wird streng abgeriegelt in antiquarischen Alben gelagert, die extra angekauft und restauriert werden. In einem weiteren Depot der Fondation Custodia lagern 55.000 Briefe, die von Michelangelo, Tizian oder Gauguin stammen und vor allem für Forschende der Kunstgeschichte spannendes Material bieten. An der Digitalisierung der Werke wird gearbeitet, bislang finden sich die Zeichnungen in einer Onlinedatenbank, der Rest soll in den nächsten Jahren ebenfalls öffentlich zugänglich sein.

Frits Lugt
Fast 80 Jahre nach der Gründung der Fondation umfasst die Frits Lugt Collection heute an die 7000 Zeichnungen, 15.000 Drucke sowie 450 Gemälde. Die Stiftungsräume zieren hunderte Kunstwerke.
Foto: Fondation Custodia / Collection Frits Lugt, Paris

Traditionsreiche Mission

Seit dem Tod Lugts im Jahr 1970 standen der Fondation insgesamt drei Direktoren vor, ab Frühling 2024 wird Stijn Alsteens auf den verstorbenen Ger Luijten folgen, der das Haus entscheidend prägte. Denn dem jeweiligen Leiter obliegt die individuelle Weiterentwicklung der Sammlung. So konnten unter Luijten zahlreiche italienische Ölskizzen aus dem 19. Jahrhundert angekauft werden, vor allem die Gemäldesammlung wurde seit 2010 erweitert.

Alsteens ist als Experte für Alte Meister beim Auktionshaus Christie’s tätig und leitete bereits die Abteilung für Zeichnungen und Druckgrafiken im Metropolitan Museum in New York. Als ehemaliger Kurator an der Fondation Custodia steht er mit der Kunstsammlung von Frits Lugt in enger Verbindung – und wird ihre Mission, die bereits Frits Lugt prägte, weiterverfolgen.

Man möchte der Kunstgeschichte dienen und die Sammlung Interessierten zugänglich machen. Vor allem Studierende und Forschende werden unterstützt, zwei- bis dreimal pro Jahr werden Ausstellungen mit günstigem Eintritt organisiert. Außerdem versucht die Stiftung, so viele Leihgaben wie nur möglich für andere Institutionen zu ermöglichen. Renommierte internationale Museen fragen in Paris an, darunter auch österreichische Häuser wie die Albertina oder das Kunsthistorische Museum. In der aktuellen Tapisserie-Ausstellung Raffael – Gold & Seide befindet sich gerade eine Zeichnung des niederländischen Malers Pieter Coecke van Aelst aus der Frits Lugt Collection. Auf einer Mission ganz im Sinne ihres leidenschaftlichen Begründers. (kr)

Obligater "Lücht"

Frits Lugts 1921 publiziertes Verzeichnis von Sammlermarken ist unverzichtbar und wächst laufend

Geht es um Arbeiten auf Papier, dann steht der Name Lugt, gesprochen "Lücht", für Kunsthistorikerinnen, Museumskuratoren, die Provenienzforschung, den Kunsthandel und auch Sammler synonym für ein unverzichtbares Nachschlagewerk: "Les marques de collections de dessins & d’estamps", ein 1921 publiziertes Verzeichnis über Sammlermarken und Stempel von Verlegern oder anderen Institutionen, die auf Zeichnungen und Druckgrafiken dokumentiert sind.

Erste Register waren schon im 19. Jahrhundert veröffentlicht worden, jedoch unvollständig, wie Frits Lugt als Mitarbeiter (1901–1915) des Kunstauktionshauses Frederik Muller (Amsterdam) wusste. In mehrjähriger Recherche und in engem Austausch mit Fachleuten und Institutionen, die Zugang zu Grafiken und Zeichnungen als Quellen hatten, trug er Tausende solcher Marken zusammen: 5216 an der Zahl, inklusive jener, die 1956 in einem Ergänzungsband erschienen waren.

Beiträge aus Österreich

Den Vorworten der beiden Bände ist auch das bis nach Österreich reichende Netzwerk zu entnehmen. Zu diesem gehörten namhafte Kunsthistoriker wie der Grazer Hermann Egger (Joanneum), Kurt Rathe oder auch Otto Benesch und Eckhard Knab (Albertina). Als Quellen nannte Lugt weiters eine Reihe von Sammlern, darunter Ottokar Mascha, ein Rechtsanwalt und bekannter Plakatsammler, Moritz Ritter von Grünebaum, ein auch auf Exlibris spezialisierter Sammler, sowie Josef Wünsch, ein Brauerei-Industrieller mit großer Leidenschaft für Holzschnitte.

Frits Lugt
Frits Lugt wollte mit seiner Sammlung der Kunstgeschichte dienen – und die Werke Interessierten zugänglich machen.
Foto: Fondation Custodia / Collection Frits Lugt, Paris

Ebenso Erwähnung fand Dominik Artaria, Sohn des bedeutenden Musik- und Kunstverlegers August Artaria, dessen Sammlung mit Blättern von Rembrandt und Albrecht Dürer legendär war. Seitens des Fachhandels fand Leopoldine Zelenka mit ihrem Kunstantiquariat Erwähnung. Das Ergebnis bezeichnete Lugt als "Gemeinschaftswerk derjenigen, die sich aus Geschmack oder Beruf mit Zeichnungen und Drucken beschäftigen".

Amerlings Sammlermarke

Und ein solches ist es weit über seinen Tod 1970 hinaus und mehr als 100 Jahre nach der Erstpublikation auch geblieben: 2010 wurde das um weitere 4000 neue Marken ergänzte Verzeichnis über eine Onlinedatenbank frei zugänglich. "Ein bemerkenswerter Beitrag zur Forschung", den er beinahe täglich nutze und der über den laufenden Austausch der Community weiterlebt, betont Gregory Rubinstein, Leiter der Abteilung für Altmeisterzeichnungen bei Sotheby’s.

Über eine aktuelle Entdeckung weiß Albertina-Kurator Christof Metzger zu berichten: Der 1956 erfasste Stempel "FA" in Frakturschrift galt bislang als anonym. Im Zuge einer Inventarisierung entdeckte man jüngst auf einem Kupferstich aus dem 17. Jahrhundert noch einen zusätzlichen schriftlichen Vermerk des einstigen Sammlers und bekannten Malers. Sein Name: Friedrich Amerling. (kron) (Katharina Rustler aus Paris, Olga Kronsteiner, 7.1.2024)