Rechtliche Änderungen im Asylwesen konzentrieren sich in Österreich seit vielen Jahren auf Verschärfungen. Hohe Asylantragszahlen werden von vielen Menschen als Bedrohung gesehen – und auch politisch als solche verkauft. Bemühungen, Flüchtlingen das Leben im Land zu erleichtern, gibt es daher kaum.

Angesichts dessen ist eine von ÖVP und Grünen Ende November beschlossene Novelle des Personenstandsgesetzes, die im September des heurigen Jahres in Kraft treten wird, beachtlich. Sie vergrößert den Kreis geflohener Personen, die das Recht haben, sich beim Standesamt eine Ersatzgeburtsurkunde ausstellen zu lassen.

In der Magistratsabteilung 35 – Einwanderung und Staatsbürgerschaft (MA35) in Wien
Mit einer Ersatzgeburtsurkunde haben es Flüchtlinge bei den Behörden vielfach leichter.
Regine Hendrick

Diese gering erscheinende bürokratische Erweiterung kann die Integrationschancen dieser Menschen um einiges verbessern – so sie sich in der Praxis entsprechend auswirkt. Die grüne Integrationssprecherin Faika El-Nagashi spricht von einem "großen Schritt", der "in die richtige Richtung weist".

Eheschließung, Aufenthaltstitel, Einbürgerung

Die Geburtsurkunde einer Person ist ein besonders wichtiges Dokument. In Österreich braucht man sie etwa für eine Eheschließung, für die meisten Aufenthaltstitel sowie eine Einbürgerung. Nun nehmen viele Menschen ihre Geburtsurkunde nicht mit, wenn sie fliehen; sei es, weil ihre Abreise überstürzt erfolgt oder weil sie auf dem Fluchtweg ihre Identität verschleiern müssen.

Schaffen sie es bis nach Europa und erhalten in Österreich Schutz, sind sie auf die Bereitschaft der hiesigen Standesämter angewiesen, ihnen – nach entsprechenden, auch internationalen Erkundigungen – eine Ersatzgeburtsurkunde auszustellen.

Das jedoch mussten die Standesämter laut Paragraf 35 des Personenstandsgesetzes bis dato nur für anerkannte Flüchtlinge tun: für Menschen, die Asyl bekommen haben. Für andere nicht: etwa abschiebegeschützte subsidiär Schutzberechtigte, die bei einer Rückkehr zwar keine politische oder soziale Verfolgung zu befürchten haben, jedoch aus anderen Gründen an Leib und Leben bedroht wären.

Viele syrische und irakische sowie die meisten afghanischen Flüchtlinge erhalten diese Art Schutz, der verlängert werden und zu einem langfristigen Aufenthalt in Österreich führen kann.

Anlassfall war intersexuelle Person

Auch A. B. aus dem Irak hat in Österreich subsidiären Schutz. Die intergeschlechtlich geborene Person beantragte nach geschlechtsanpassenden Maßnahmen als Frau 2020 beim Standesamt Wien die Ausstellung einer Ersatzgeburtsurkunde. Zum Irak, wo sich das Original befinde, habe sie sämtliche Kontakte abbrechen müssen. Die Behörde lehnte ab.

Mithilfe von Queer Base, einer Wiener NGO, die sich für die Rechte geflohener LGBTIQ einsetzt, berief A. B. – und bekam vor dem Wiener Verwaltungsgericht (VGWG) Recht: Die Bestimmung, dass Asylberechtigte Ersatzgeburtsurkunden ausgestellt bekommen können, sei analog auch auf subsidiär Schutzberechtigte anzuwenden.

Die Causa ging weiter zum Verwaltungsgerichtshof. Dieser drehte die Entscheidung 2022 wieder um. Zu diesem Zeitpunkt, so der Queer-Base-Rechtsanwalt Ralph Guth, sei den Beteiligten klar gewesen, dass die Angelegenheit auf eine Prüfung des nämlichen Paragrafen durch den Verfassungsgerichtshof hinauslaufen werde.

Frage der Umsetzung

Das jedoch wollte die Politik diesmal nicht abwarten. Sie kam dem Höchstgericht zuvor: ÖVP und Grüne verständigten sich auf die Personenstandsgesetznovelle – ein Umstand, den auch Lukas Gahleitner von der NGO Asylkoordination als "durchaus überraschend" bezeichnet. Tatsächlich ist der Asylbereich ja von der koalitionären Zusammenarbeit explizit ausgenommen.

Auch Gahleitner spricht von einem "Fortschritt für Geflohene". Dieser jedoch müsse sich erst in der Umsetzung ab Herbst beweisen: Vor allem in Wien seien die Standesämter jetzt schon überlastet. Ob es dort Ressourcen für internationale Geburtsurkunden-Nachforschungen gibt, sei ungewiss. (Irene Brickner, 11.1.2024)