"Der Verein wurde ursprünglich von veganen Läuferinnen und Läufern gegründet, um an Wettkämpfen teilnehmen zu können“, erklärt Alex, der wie alle anderen hier nur mit Vornamen genannt werden möchte. 2016 kam schließlich die Sektion Kraftdreikampf (Powerlifting) dazu, die er ein Jahr später übernommen hat und seither leitet. "Sich vegan zu ernähren ist also Grundvoraussetzung, um in den Verein aufgenommen zu werden."

Er selbst tut das seit zwölf Jahren, davor lebte er bereits fünf Jahre vegetarisch. "In einer Großstadt wie Wien ist das absolut easy", sagt er. Nicht gesundheitliche Gründe seien bei ihm ausschlaggebend gewesen, sondern ethische. "Schon im Teenageralter habe ich mir überlegt, was richtig und was falsch ist, und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich das Leid leidensfähiger Lebewesen nicht unterstützen möchte."

Vier Wettkämpfe pro Jahr gibt es in Österreich für die Powerlifter – und das Team Vegan will es dort allen zeigen.
Vier Wettkämpfe pro Jahr gibt es in Österreich für die Powerlifter – und das Team Vegan will es dort allen zeigen.
Lea Sonderegger

Rohkost und Leistung

Organisiert ist das Team Vegan im Österreichischen Verband für Kraftdreikampf, welcher der International Powerlifting Federation (IPF) unterstellt ist, die auch die Regeln vorgibt. Hierzulande gibt es potenziell vier Wettkämpfe pro Jahr, zwei in Wien und zwei bundesweit, und genau darum geht es den veganen Powerliftern: an diesen Wettkämpfen teilnehmen und anderen zeigen zu können, dass der Körper auch mit veganer Ernährung enorme Leistungen bringen kann.

So wie Alen (34), der seinem Körper am Tag 4000 bis 5000 Kalorien zuführen muss, seit er sich vom schmächtigen Hänfling zum Riesen auftrainiert hat. "Ein Kilo Reis geht dabei relativ locker weg, dazu Sojaprodukte und zwei Proteinshakes für viermal die Woche drei bis vier Stunden Training." Steaks oder Hühnchen braucht er nicht, um auf diese Ergebnisse in den drei Diszip­linen zu kommen: Kniebeuge 255 Kilo, Bankdrücken 145, Kreuzheben 260. "Damit qualifiziere ich mich in Österreich aber gerade einmal für die Staatsmeisterschaften", lacht er.

Kraftsport, vegan
Alens Kraftsportbilanz: Kniebeuge 255 Kilo, Bankdrücken 145, Kreuzheben 260
Lea Sonderegger

Ein bisschen weniger noch schafft Claudia (23), die seit 2021 vegan lebt und dem Verein angehört. Umweltschutz kam bei ihr noch als zusätz­liche Motivation dazu. Sie schafft beim Kreuzheben 120 Kilo, bei der Kniebeuge 107 und beim Bankdrücken 60. "Wobei die Leistungen natürlich relativ zum Körpergewicht zu bewerten sind und die Wettkämpfer in entsprechende Klassen eingeteilt werden", erklärt Claudia.

Geht auch ohne Steak

Anders als viele junge Frauen und Männer, die sich gerne beim Training fotografieren, ist Claudia auf Social Media zurückhaltend und trägt im Alltag meist weite Kleidung. In Gyms hingegen erfährt sie für ihre Leistungen oft Anerkennung gerade von Männern. "Du trainierst ja richtig!", hört sie dann, wohingegen sie bei Wettkämpfen wegen ihrer Ernährung immer wieder mit Polemiken konfrontiert ist: "Das geht sicher nicht ohne Steaks! Veganer essen doch nur Salat! Wo kommen denn die Proteine her, die man für den Muskelaufbau braucht?"

"Es geht uns daher auch um Sichtbarkeit und darum, Vorurteilen in Bezug auf Veganismus und Muskelaufbau zu begegnen", erklärt Claudia ihre ernste Motivation hinter dem Spaß am Trainieren. Im Alltag käme es nämlich schneller mal zu Konfrontationen, während Wettkämpfe eine konfliktfreie Möglichkeit seien, um ihren Standpunkt zu vertreten. "Es gibt Personen, die sich alleine dadurch provoziert fühlen, dass wir als Team Vegan auftreten."

"Letztens", bestätigt Claudia, "war die Staatsmeisterschaft, und obwohl der Verein schon seit vielen Jahren an Wettkämpfen teilnimmt, meinte die Moderation beim Live­stream, dass wir wahrscheinlich eh nur zum Spaß dabei wären und uns bestimmt nicht vegan ernähren würden." Wirklich böse wird es dabei aber nie, und was die Sache mit den Proteinen angeht: "Eine durchschnittliche Person, die sich ausgewogen ernährt – was in der Regel nicht der Fall ist, würd’ ich sagen! – ist gut versorgt", meint Alex. "Aber wer einen Sport macht wie wir, für den sind Eiweißshakes der 'way to go', weil man dadurch recht schnell große Mengen zu sich nehmen kann. Auch als Veganer."

Bankdrücken, vegan
Eiweißshakes seien für Kraftsportler "the way to go", sagt Alex.
Lea Sonderegger

Zu den Wettkämpfen hin gibt es immer relativ lange Vorbereitungszeiten, Alex trainiert nun bereits seit Oktober für die Landesmeisterschaft im kommenden Frühjahr. "Man geht langsam von einer hohen Wiederholungszahl Richtung niedriger, weil man beim Wettkampf dann ja auch nur einen Versuch hat." Fortschritte bei den Hypotrophie-Blöcken (Muskelaufbau) während der Off-Season merkt Alen vor allem beim Gewand, wenn es ihm wieder mal zu eng wird.

"Wobei Muskelaufbau nicht das vorderste Ziel beim Powerlifting ist", erklärt Claudia. Während die Bodybuilder mit höheren Wiederholungen genau daran arbeiten, arbeiten sie nämlich mit weniger Wiederholungen und höheren Gewichten daran, die Kraft dieser Muskeln zu stärken, um sie dann beim Wettkampf unters Gewicht bringen zu können. "Der Körper stellt sich darauf ein", erklärt Alex. "Wenn ich heute 150 Kilo hebe, dann weiß er, dass ich nächste Woche 160 auflege. Das zentrale Nervensystem wird dabei zusätzlich zur Muskulatur sehr stark beansprucht."

In jeder Hinsicht stark: Claudia hebt 120 Kilo – und lacht Polemiken über ihre vegane Ernährung mindestens genauso locker weg.
In jeder Hinsicht stark: Claudia hebt 120 Kilo – und lacht Polemiken über ihre vegane Ernährung mindestens genauso locker weg.
Lea Sonderegger

Safety-Reck first

Unerlässlich ist das richtige Aufwärmen. Mit Kniebeugen tastet man sich langsam an das Arbeitsgewicht heran, und dann fängt man erst an zu trainieren. "Das kann eine halbe Stunde dauern, bis man in diesem Zustand ist", sagt Alen. Man "periodisiert" dabei das Training, macht Pausen und geht nicht immer an die 100 Prozent. "Wenn dann aber die großen Gewichte aufgelegt werden, dann denken viele: Mah, das ist gefährlich! Dabei ist es ein Mythos, dass die Verletzungsgefahr bei uns größer ist", sagt Claudia. In Wahrheit wäre die Verletzungsgefahr im Vergleich zu anderen Sportarten sehr gering. "Man schafft es entweder, oder man schafft es nicht. Wenn nicht, dann fällt das Gewicht auf die Safetys beim Reck", und die Powerlifter kriechen unverletzt darunter hervor.

Gemeinsames Training gibt es beim Powerliften nicht. "Es ist eine Einzelsportart, in der wir als Team auftreten", sagt Elmar. Und das vielleicht noch sehr lange. "Eine Altersobergrenze gibt es nicht. Sogar über 90-jährige Personen heben noch ihr zweifaches Eigenkörpergewicht." Starke Muskeln werden heute als unerlässlich für ein gesundes Leben im Alter angesehen. Darum baue man sie – um einen Spruch von Joki Kirschner abzuwandeln – rechtzeitig auf, damit man sie hat, wenn man sie braucht. "Wenn ich mit 80 noch eine schön ausgeführte Kniebeuge machen kann, was will ich mehr?" (Manfred Rebhandl, 8.1.2024)

Video: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD