Die 1983 geborene Salzburger Autorin Helena Adler beschäftiget sich in ihren Büchern kritisch mit dem Landleben.
Die 1983 geborene Salzburger Autorin Helena Adler beschäftigte sich in ihren Büchern kritisch mit dem Landleben.
APA/HERBERT NEUBAUER

Die Salzburger Autorin Helena Adler hatte eine ganz eigene Stimme, und doch eine, die in einer klaren Tradition stand. Wenn sie in ihren Romanen "Die Infantin trägt den Scheitel links" (2020) oder "Fretten" (2022) das Leben in der österreichischen Provinz mit Schlagworten wie "Schürzenträger und Schürzenjäger" (als Chiffren für Frauen und Männer) kurz zusammenfasste, feststellte, Kellnerinnen würden "nicht umsonst Bedienung" heißen, und also Wirtshausgästen zum Ausgreifen zur Verfügung zu stehen haben, oder Szenen zu Allerheiligen am Friedhof beschrieb, in denen soziale Kontrolle erdrückend wurde – dann war das natürlich auch satirisch überspitzt, aber ebenso auf Beobachtung basiert. Und in der guten Tradition einer österreichischen Antiheimatliteratur (etwa einer Elfriede Jelinek) verankert.

Wie der Verlag Jung und Jung, wo Adler ihre Bücher veröffentlichte, am Freitag bekanntgab, ist die Schriftstellerin in der Nacht auf den 5. Jänner nach langer Erkrankung verstorben. Voriges Jahr musste sie deretwegen ihre Teilnahme am Bachmannpreis im Juli bereits absagen. Dass ihr scharfer Blick auf die Heimat aber nicht aufs Literarische beschränkt war, bewies die 1983 geborene Salzburgerin im Zuge einer sich abzeichnenden schwarz-blauen Salzburger Landesregierung noch einige Wochen zuvor. Dem STANDARD schrieb sie, von der möglichen Koalition empört: "Blauschimmel überzieht die mit allen Weihwassern gewaschene Barockstadt, eine feuchte Versuchung all die modrigen Kirchenritzen, man verführt sich gegenseitig und verflucht sich anstandshalber.“

Verdichtung und Umdeutung

Solche Sprachverdichtungen, Umdeutungen von vermeintlich klaren Begriffen, die Verdrehung von abgegriffenen Phrasen gehörten zum ästhetischen Werkzeugkasten Adlers. Es sind wilde, mitreißende Bücher. Muttermilch? Wurde bei ihr zu "Säuglingssubstral". Besonders im Fokus standen in ihrer Literatur die Frauen, die in einer sexistischen, auch von wenig Solidarität unter Frauen gezeichneten, bäuerlich geprägten Gesellschaft leben.

Als Stephanie Helena Prähauser – Helena Adler ist ein Künstlername, um nicht mit der Autorenkollegin Teresa Präauer verwechselt zu werden – in Oberndorf bei Salzburg geboren, wuchs sie auf dem Bauernhof auf, studierte dann Germanistik, Psychologie, Malerei (am Mozarteum in Salzburg). Zuerst kam die bildende Kunst, dann 2018 der erste Roman „Hertz 52". Mit den beiden weiteren folgenden Büchern stand sie 2020 und 2022 jeweils auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis.

Eigene Erlebnisse

Den STANDARD empfing die im persönlichen Umgang unkomplizierte Adler 2020 für ein Porträt in dem alten Bauernhof im Nachbarort ihrer Kindheitsgemeinde oberhalb von Salzburg, wo sie mit ihrer Familie lebte. Sie erzählte etwa vom Aufwachsen im Mehrgenerationen-Haushalt bei den Urgroßeltern, inklusive "aller familiärer Grausamkeiten“, aber auch Förderung. Man findet solche Situationen in ihren neben von Anklage auch von Humor und Zuwendung getragenen Büchern wieder. "Herkunftskomplex" nannte sie damals, was ihr Schreiben nährt. "Jubel, Freude, Hysterie, Gelächter, Eifersucht, Fremdschämen, Schock, Kollaps, Phlegma, Desinteresse, Atemnot, Herzstillstand", fasste das Porträt damals die Reaktionen ihres Umfeldes auf Adlers Bücher zusammen. Helena Adler wurde 40 Jahre alt. (Michael Wurmitzer, 5.1.2024)