In Amman besuchte Blinken ein Lagerhaus des Welternährungsprogramms, das Nahrungsmittel für den Gazastreifen lagert.
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Nach fast 100 Tagen Krieg und jüngsten Raketengefechten zwischen Israel und der vom Iran unterstützten libanesischen Hisbollah-Miliz an der Nordgrenze steigt im Nahen Osten die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts.

US-Beamte sind laut einem Bericht der Washington Post nicht nur besorgt, dass die Hisbollah und der Iran ihn eskalieren könnten – sondern dass der israelische Premier Benjamin Netanjahu eine Ausweitung des Kampfes auf den Libanon als Schlüssel für sein politisches Überleben betrachten könnte. Seine Regierung ist schwer unter Druck, weil sie den Angriff der Hamas vom 7. Oktober nicht verhindern konnte.

Es wird befürchtet, dass ein Konflikt mit dem Libanon das Blutvergießen des Krieges von 2006 übertreffen könnte, da die Hisbollah über ein wesentlich größeres Arsenal an Langstrecken- und Präzisionswaffen verfüge; und dass eine weitere Front neben dem Gaza-Krieg Israels Erfolgsaussichten trüben könnte. Die Zeitung berief sich dabei auf mehrere Quellen. Israel selbst betonte zumindest seine grundsätzliche Bereitschaft zur diplomatischen Beilegung.

Druck auf Israel

Dementsprechend intensiv laufen die diplomatischen Bemühungen. US-Außenminister Antony Blinken ist derzeit ein weiteres Mal in der Region unterwegs, um eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern und Israels arabische Nachbarn davon zu überzeugen, eine künftige Rolle bei der Neuordnung der Verwaltung des Gazastreifens zu übernehmen. Die USA pochen auf eine palästinensisch geführte Verwaltung nach dem Ende der Hamas.

Am Sonntag waren Jordanien und Katar Blinkens Stationen. "Jordanien ist ein entscheidender Partner, um dabei zu helfen, eine Ausweitung zu verhindern", schrieb Blinkens Sprecher Matthew Miller auf X (vormals Twitter) nach Blinkens Ankunft in Amman. Jordanien hat traditionell gute Beziehungen zu den USA und einen Friedensvertrag mit Israel. Amman fordert von Blinken, mehr Druck auf Israel auszuüben, damit es einer sofortigen Feuerpause im Gazastreifen zustimmt. Es werde keine Stabilität in der Region geben ohne eine gerechte Lösung der Palästinenserfrage, betonte König Abdullah II..

Blinken mit Jordaniens König Abdullah II.
AFP/Jordanian Royal Palace/-

In den kommenden Tagen will Blinken auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien sowie Westjordanland und Ägypten besuchen. Am Montag wird er in Israel erwartet.

Im Gazastreifen gingen am Wochenende die Kämpfe ungebrochen weiter. Der israelische Militärsprecher Daniel Hagari erklärte am Samstag die militärische Struktur der Hamas im Norden für demontiert. Israels Soldaten hätten unterirdische Tunnel gefunden und zerstört. Nach israelischer Darstellung sind bisher rund 8000 Terroristen getötet worden.

Norden unter Kontrolle

Die Armee konzentriere sich nun darauf, die Hamas-Strukturen im Zentrum und Süden des Gazastreifens zu zerstören, wohin allerdings zahlreiche Zivilisten vor den Kämpfen geflohen sind.

Netanjahu pochte am Sonntag auf die Richtigkeit der Fortsetzung des Militäreinsatzes. "Der Krieg darf nicht beendet werden, bevor wir unsere Ziele erreicht haben", betonte er. Als Ziele nannte er abermals die Beseitigung der Hamas, die Rückkehr aller Geiseln und die Sicherstellung, dass der Gazastreifen keine Gefahr mehr für Israel darstelle. "Ich sage das sowohl unseren Feinden als auch unseren Freunden", fügte Netanjahu wohl auch im Hinblick auf die USA hinzu.

Die humanitäre Lage im Gazastreifen spitzt sich unterdessen zu. Laura Turner vom Welternährungsprogramm ersuchte abermals um die Öffnung der Grenzübergänge im Norden: "Dort befindet sich die Bevölkerung, zu der wir seit sechs Wochen keinen Zugang hatten und um die wir uns am meisten Sorgen machen". (Manuela Honsig-Erlenburg, 7.1.2024)