Brausepöter in jungen Jahren: Das Label Tapete Records hat nun ihr Debüt aus 1979 erstmals aufgelegt.
Brausepöter in jungen Jahren: Das Label Tapete Records hat nun ihr Debüt aus 1979 erstmals aufgelegt.
Brausepöter

Brausepöter ist ein Trottel, eher noch ein Arsch. Das ist kein Urteil, bloß die Erklärung des Worts. Zudem steht das Wort im Geruch der Verniedlichung, denn es gilt in Ostwestfalen als Beschreibung eines Kinderpopos, dem ein Wind entweicht: Die Brause aus dem Pöter. Ja, das ist Humor für Menschen mit Humor.

Den Namen ehrend war ein solcher blässlicher Brausepöter auf dem Cover der Debütsingle Liebe, Glück, Zufriedenheit der deutschen Punkband Brausepöter abgebildet. 1980 ist die erschienen. Das machte die zwei Jahre zuvor in der Stadt Rietberg gegründete Gruppe zu einer der ersten deutschen Punkbands. (Ihr ursprünglicher Name war Nordwestdeutsches Eiterlager, kurz NWE – auch nicht ganz schlecht.)

Post oder doch die Aliens?

Größere Bekanntheit erlangten die Kinderfurzer nicht, wiewohl sie seinerzeit bei einem Label-Festival mit Bands wie Einstürzende Neubauten oder Abwärts gespielt haben, aber die kannte damals auch noch kein Schwein. Hinzu kamen Standortnachteile: Brausepöter waren keine Hamburger oder Berliner, sondern eben Provinzeier. 1982 löste sich die Band auf. Hinterlassen hatten sie den "Hit" Bundeswehr sowie die Konsequenz, nichts mit der damals aufkeimenden Neuen Deutschen Welle zu tun zu haben.

Gen Italien
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Brausepöter - Topic

Um ein 1979 an das Label Zick Zack gesendetes Tape mit dem Debütalbum ranken sich heute Mythen, es ist nie erschienen. Möglicherweise wurde der Tonträger von einem Postboten verschlampt, vielleicht beim Label selbst entsorgt, Alien sind immer eine Bank, womöglich war es einfach zu arg für damalige Verhältnisse.

Wille statt Virtuosität

Doch Ende 2023 wurde es, um 44 Jahre zart verzögert, aufgelegt: Es heißt Keiner kann uns ab und ist ein Dokument von erfrischender Zeitlosigkeit. Schlechte Laune und heitere, promillisierte Wortspiele wie sie in Songtiteln wie Gen Italien zutage treten, haben immer Saison. Damals ließen sich damit die Spießer noch ärgern. Mit dem Nichterscheinen des Erstlings schien das Schicksal der Band besiegelt, der Mantel der Vergessenheit über sie gelegt, doch dann kam das Internet: In den späten Nullerjahren tauchten von Fans auf Youtube geladene Brausepöter-Songs auf, 2010 kam es zu einer Reunion des Trios.

Bands wie Die Nerven sind Fans, das auch Die Nerven verlegende Label Fin du Monde wiederveröffentlichte zwei Brausepöter-Singles. Seit 2015 sind gar zwei neue Studioalben erschienen; Martin Lück, Bernd Hanhardt und Klaus Feldmann alias Kemper bilden bis heute die Besetzung. Und noch nach über 40 Jahren gilt: Keiner kann uns ab.

Das Album steht in Verwandtschaft von Bands wie The Fall, Lück singt jedoch Deutsch, die Musik bezirzt durch herrlich angewiderten Dilettantismus. Es verströmt den Geist einer Umbruchzeit, in der Veränderungswille mehr zählte als Virtuosität. Alles war besser als Immer der gleiche Scheiß, wie ein Lied heißt. Ein anderes – Irgendwas muss ich tun – verdeutlicht den Antrieb der Band. In Summe ergibt das ein sympathisches Zeitdokument, das heute noch Charme versprüht: jenen des Sich-nicht-Anbiederns. (Karl Fluch, 8.1.2024)