Sich die Hausübungen von ChatGPT oder einer anderen künstlichen Intelligenz lösen zu lassen, das ist inzwischen fast schon ein alter Hut und wird von Schülerinnen und Schülern in aller Welt spätestens seit vergangenem Jahr regelmäßig praktiziert. Allerdings hilft die Software nur bei der Lösung der eigentlichen Aufgabe, händisch auf ein Papier oder in ein Heft schreiben muss man sie in vielen Fällen noch selbst. Dabei geht wertvolle Lebenszeit verloren, die auch sinnvoller – etwa für "Fortnite", "Valorant" oder Tiktok – eingesetzt werden könnte. Kann eine Maschine nicht auch diese Arbeit erledigen?

Schummeln via 3D-Drucker

Eine mögliche Antwort auf diese Frage hat bereits vor rund einem Jahr der Youtuber Tomary gefunden: Er montierte einen Kugelschreiber an einen 3D-Drucker, sodass dieser die von ChatGPT gelösten Aufgaben in schön leserlicher Schrift auf ein Blatt Papier schreibt. Das Grundprinzip von 3D-Druckern ist, dass diese verschiedene Kunststoffschichten nacheinander auftragen und so ein fertiges 3D-Modell entstehen lassen. In Tomarys Lösung wird jedoch nur eine Schicht "gedruckt" und somit der Text geschrieben.

3D Drucker schreibt meine Hausaufgaben (+ChatGPT)
Tomary lul

Dazu musste Tomary jedoch ein Script schreiben, welches die Textantworten von ChatGPT in Modelle umwandelte, die vom 3D-Drucker verstanden werden. Außerdem lieferten die ersten Versuche ein recht krakeliges Schriftbild, weshalb der Youtuber eine spezielle Stifthalterung gestaltete und im 3D-Drucker herstellte. In Summe also recht viel Arbeitsaufwand dafür, dass man sich eigentlich Arbeit ersparen möchte.

Was ist ein Plotter?

Andere Gerätetypen sind hingegen prädestiniert dafür, genau diese Aufgabe zu lösen: Plotter. Dabei handelt es sich um Maschinen, bei denen ein Stift an einer Schiene entlangfährt oder von einem Roboterarm bewegt wird, um automatisiert Bilder zeichnen oder Texte schreiben zu lassen. Dazu werden die Plotter über eine Software mit der Grafik gefüttert, die sie zeichnen sollen. Eingesetzt werden diese Maschinen in diversen Kreativberufen, doch auch in der Makerszene erfreuen sie sich – neben Cuttern und 3D-Druckern – großer Beliebtheit.

Cricut Maker 3 als Plotter
Ein Plotter bei der Arbeit: Der eingespannte Stift fährt auf einer Schiene hin und her, das Blatt wird ebenfalls bewegt, so entsteht der Text.
STANDARD/Stefan Mey

In unserem Fall kam ein Maker 3 zur Anwendung, der vom Unternehmen Cricut freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Der Maker 3 kann nicht nur plotten, sondern auch verschiedene Materialien haargenau schneiden, preislich kommt er auf knapp 480 Euro. Ein günstigeres Modell des Herstellers, der Cricut Joy, kann ebenfalls plotten und fällt mit knapp 200 Euro deutlich günstiger aus.

Unter dem ursprünglichen Testbericht zum Cricut Maker 3 haben Userinnen und User angemerkt, dass in Europa die Cutter und Plotter von Brother und Silhouette weiter verbreitet sind als jene von Cricut. Und wer mehr Zeit als Geld hat, der sei auf einen Artikel aus dem "Make"-Magazin verwiesen, in dem erklärt wird, wie man aus einem Raspberry Pi, drei Servos, zwei Eisstielen, einer Wäscheklammer und ein paar anderen Bauteilen selbst einen Plotter baut. Zeitaufwand: etwa eine Stunde. Kosten: ab zehn Euro, je nach Vorhandensein diverser Bauteile.

Kann ein Plotter Hausübungen schreiben?

Das Grundprinzip ist bei allen genannten Geräten in etwa das gleiche, die Handhabung in der Praxis dürfte sich jeweils unterscheiden. So muss bei dem selbstgebauten Eisstiel-Plotter der Microcomputer Raspberry Pi händisch konfiguriert werden, bei unserem Testgerät wird hingegen eine proprietäre Software namens "Design Space" installiert und der PC anschließend mit dem Gerät verbunden.

Gleich danach kann das Gerät mit Inhalt gefüttert werden. Im vorliegenden Fall wurde ChatGPT verwendet, um eine Interpretation von Johann Wolfgang von Goethes "Erlkönig" zu verfassen, inklusive einer Referenz auf die "The Witcher"-Romane von Andrzej Sapkowski. Der Inhalt ist nicht sonderlich geistreich und erforderte vor allem Finetuning: So war der Text zuerst zu kurz und dann von einer schockierend schlechten sprachlichen Qualität. Der Chatverlauf kann unter diesem Link nachgelesen werden.

Aber egal, für ein "Genügend" wird es wohl reichen. Also wird flugs der Text in die Software geladen, die Breite und Höhe des Textfeldes an jene des A4-Blattes angepasst und eine Schrift ausgewählt, die ansatzweise wie eine menschliche Handschrift aussieht. Im Gerät selbst wird ein Stift in die passende Halterung gespannt, ein Papier eingelegt und sodann der Plotting-Prozess gestartet.

Erlkönig trifft
Das Ergebnis dieser "Hausübung": zu schön geschrieben, um authentisch zu wirken.
STANDARD/Stefan Mey

Das Ergebnis enttäuscht leider gleich doppelt. Denn erstens braucht die Maschine relativ lang zum Schreiben: Für das Befüllen einer Seite kann rund eine Stunde eingeplant werden. Das kann egal sein, wenn an einem Nachmittag genug Zeit zur Verfügung steht, sich aber zum Problem entfalten, wenn morgens vor der ersten Schulstunde noch schnell eine Hausübung fertiggestellt werden soll.

Zweitens ist das Schriftbild nicht sonderlich authentisch. So wurde der besagte Zettel probeweise einer Lehrerin vorgelegt, die sich zum Inhalt nicht äußern wollte, auf jeden Fall aber betonte, dass es "Punkteabzug für die Schrift" geben würde. Wohl jeder erfahrenen Lehrkraft würde auffallen, dass sich die hier dargebotene Schrift deutlich von jener unterscheidet, die der Schüler oder die Schülerin sonst bei Tests und Hausübungen vorlegt.

Wir gestalten unsere eigene Schrift

Die Lösung auf dieses Problem? Wir gestalten unsere eigene Schrift, beziehungsweise digitalisieren wir unsere eigene Handschrift. In den App Stores von iPhone und Android finden sich diverse Anwendungen, welche ebendieses Feature anbieten, allerdings ist hier allein schon aus Gründen des Datenschutzes Vorsicht geboren – immerhin geht es um das digitale Abbild der eigenen Handschrift.

Eine andere Möglichkeit ist, wie ein professioneller Font-Designer mit Software aus Adobes Creative Cloud zu arbeiten. Wer jedoch weder das Geld für ein solches Abo in die Hand nehmen noch sich in einen kompletten Berufsstand einarbeiten möchte, für den empfehlen seriöse Quellen zwei unterschiedliche Systeme: Calligraphr und Font Forge.

Font Forge ist eine Open-Source-Software, die kostenlos heruntergeladen werden kann. Hier können bestehende Schriften bearbeitet oder neue Schriften erstellt werden, indem jeder Buchstabe einzeln in einem integrierten Vektorgrafikprogramm gestaltet wird. Nach kurzer Einarbeitungszeit finden sich auch Laien hier zurecht, fortgeschrittene User finden wiederum eine Vielzahl an Funktionen für gehobenere Ansprüche.

Calligraphr ist das Gegenteil davon: In diesem browserbasierten Tool wird die eigene Handschrift hochgeladen und anschließend digitalisiert. Eine gewisse Zeichenanzahl – das Alphabet und Satzzeichen – ist gratis, für mehr Zeichen (etwa für die Digitalisierung von Ziffern) muss gezahlt werden. Sinnvoll ist, die beiden Tools miteinander zu kombinieren, um das Beste aus beiden Welten herauszuholen, wie in dem nachfolgenden Video demonstriert wird.

Turn your handwriting into a font! (Calligraphr/Fontforge Tutorial)
dogrunes

So druckt man eine Vorlage von Calligraphr aus, bei der für jedes Satzzeichen ein Feld vorgegeben ist. Diese Felder werden anschließend per Hand beschriftet. Ein Tipp an dieser Stelle: Die Schrift wirkt umso natürlicher, je weniger man bewusst nachdenkt, sondern einfach so schreibt, wie man es immer tun würde. Anschließend werden die Papierblätter gescannt oder abfotografiert und auf Calligraphr hochgeladen, woraufhin die Schrift automatisch erstellt wird. In Font Forge kann daraufhin das Finetuning vorgenommen werden, indem man einzelne Buchstaben editiert oder vertikal verschiebt, damit sie besser ins Gesamtbild passen.

Haben sich die Mühen entsprechend ausgezahlt? Na ja. Beim Test des STANDARD mit der digitalisierten Version der eigenen Handschrift ist der markante eigene Schreibstil – auch bekannt als "Sauklaue" – zwar als solcher zu erkennen, allerdings wirkt der Schreibfluss zwischen den einzelnen Buchstaben dennoch unnatürlich. Eine halbwegs clevere Lehrkraft wird sich davon eher nicht hereinlegen lassen.

Entwarnung für Eltern und Lehrkräfte

Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Erziehungsberechtigte, Sie haben es im Lauf dieses Textes vermutlich schon geahnt und können nun endgültig aufatmen: Dieser Versuch kann getrost als gescheitert betrachtet werden. Denn zwar haben Plotter durchaus ihre Berechtigung für die Anwendung in der Kreativbranche und in Bastelwerkstätten, für das Fälschen von Hausübungen sind sie jedoch eher ungeeignet. Dafür sind sie einfach zu langsam, und den Endergebnissen fehlt die menschliche Note.

Stattdessen kann gehofft werden, dass sich Schülerinnen und Schüler bei der Lektüre dieses Artikels mit Themen wie Open-Source-Software und Typografie beschäftigt haben. Und somit etwas Neues fürs Leben gelernt haben. (Stefan Mey, 14.1.2024)