Wie sehr belastete der Satirebrief der "Tagespresse" über Panierquote, "Gabalier-Laberl" und Onlineregistrierung für nichtösterreichisches Essen eigentlich die FPÖ Niederösterreich? Darum ging es am Mittwoch am Handelsgericht Wien. Die FPÖ Niederösterreich hat die Satireplattform wegen des Briefs mit FPÖ-Niederösterreich-Logo an Gastwirte auf Unterlassung geklagt und das samt Urteilveröffentlichung mit 47.500 Euro bewertet. Der Landesgeschäftsführer spricht von "Silberstein-Methoden".

FPÖ-Niederösterreich-Chef Udo Landbauer.
Udo Landbauers FPÖ Niederösterreich hat das Satireportal "Tagespresse" wegen seiner Persiflage der "Wirtshausprämie" geklagt.
APA Helmut Fohringer

"Seids wo angrennt?"

Die Aussagen von drei Angestellten der FPÖ Niederösterreich im raschen Überblick: Die Freiheitlichen mussten am Dienstag nach Ostern 2023 erst herausfinden, ob der Brief von ihnen oder einem der Ihren stammt, ihren Anwalt für eine Sachverhaltsdarstellung an die Polizei bezahlen, hatten "einige Stunden, einige Tage" damit zu tun, "das ganze Büro war in Wahrheit tagelang beschäftigt". Dieser Arbeitsaufwand habe einen Wert von 2.500 bis 3.000 Euro, man habe ja auch anderes zu tun. Rund 20 Empfängerinnen und Empfänger des Satirebriefs beschwerten sich bei der FPÖ in St. Pölten, "um die vier" kamen persönlich. Sie hätten das Schreiben für echt gehalten. Der Tenor der Beschwerden laut FPÖ-Angestellten vor Gericht:

Ein an der Aktion beteiligter Redakteur der "Tagespresse" sagte dann noch vor Gericht: "Der Brief ist so absurd, dass ich nicht damit gerechnet hätte, dass da ein Dementi von FPÖ-Seite kommt."

"Die Sache ist spruchreif", schloss Richter Lothar Komers, ein Vergleich kam nicht zustande, das Urteil ergeht schriftlich in "ein paar Wochen".

"Der Mensch is a so"

Andreas Spanring, Landesgeschäftsführer, und zwei Assistentinnen der FPÖ Niederösterreich in der St. Pöltener Geschäftsstelle sagten vor Gericht über ihre Wahrnehmung der Proteste aus. Er habe bemerkt, dass an diesem Dienstag nach Ostern 2023 "das Telefon heißläuft", sagt Spanring relativ früh in seiner Aussage.*

Ein "sehr alternativ gekleidetes Pärchen" sei persönlich aufgetaucht, berichtet Spanring etwa, habe mit Klage gedroht, mit der Datenschutzgrundverordnung und mit der Datenschutzbehörde. Sie ließen sich "sicher in kein Register aufnehmen". Die "Tagespresse" hatte in dem Satirebrief anonyme Besuche von Mitarbeitern ihrer "Abteilung zur Förderung der patriotischen Esskultur" der Landesgeschäftsstelle angekündigt und gedroht: "Nicht heimatverbundene Wirtshäuser werden in einem öffentlich einsehbaren Onlineregister zur Warnung für Gäste als unpatriotisch ausgewiesen."

Spanring bezweifelt, dass der Satirebrief nicht nur "die paar, die bei uns angerufen haben oder die bei uns waren", aufgeregt hat und womöglich nachhaltig gegen die FPÖ aufgebracht hat, auch wenn die "Tagespresse" die Aktion am nächsten Tag offenlegte und Medien breit darüber berichteten. Der FPÖ-Landesgeschäftsführer weiß: "Der Mensch is a so." Wenn sich Menschen über etwas ärgerten, würden sie es in ihrem Umfeld weitergeben. "Einfangen ist ziemlich unmöglich." Richter Komers fasst das für das Protokoll so zusammen: "Die schweigende Mehrheit ist ja größer als die Zahl jener, die sich gemeldet haben."

"Silberstein-Methoden"

Der Landesgeschäftsführer reiht die Aktion des Satireportals unter "Silberstein-Methoden" ein. Tal Silberstein sorgte als Berater der SPÖ mit Facebook-Seiten im Wahlkampf 2016 für Aufsehen, die falsche oder verzerrte Anwürfe gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz (aber auch gegen SPÖ-Chef Christian Kern) verbreiteten.

Der Satirebrief hat Spanring an einen anderen "Silberstein"-Moment im Niederösterreich-Wahlkampf erinnert: Plakate mit Spitzenkandidat Udo Landbauer und arabischen Schriftzeichen in Farsi. Landbauers Mutter hat Wurzeln im Iran. "Ein Plakat, wo du geglaubt hast, es ist von uns", zudem wurden "Setcards" mit dem Motiv verschickt. In dem Fall ging die FPÖ "bewusst im Wahlkampf nicht damit hinaus" und hat das "medial nicht gespielt, und das war gut so".

Beim falschen Wirtshausbrief der "Tagespresse" indes habe man nicht abwarten können, sagt Spanring vor Gericht: Sonst hätten Medien den Brief womöglich der FPÖ zugeordnet. "Wir haben proaktiv an die Medien gehen müssen."

"Das sind alles Silberstein-Methoden, das hat keinen Platz in der Politik", resümiert der FPÖ-Funktionär am Mittwoch am Handelsgericht Wien.

"Absurdität entlarven"

In der ersten Verhandlung im November hatte "Tagespresse"-Gründer Fritz Jergitsch die Intention der Satireaktion so erklärt: Es sei ihm und dem Team darum gegangen, die "Absurdität der Wirthausprämie zu entlarven". Aufgabe von Satire sei, den politischen Diskurs kritisch zu begleiten. Sie sollte "patriotische Maßstäbe" der Politik für die Gestaltung von Speisekarten thematisieren, sagte Jergitsch.

"Kritische Medien, Satire, Kunst und Kultur" sollten mit der Klage der FPÖ mit "sämtlichen juristischen Geschützen" eingeschüchtert werden: Mit diesen warnenden Worten forderten 180 Künstlerinnen und Künstler wie Jan Böhmermann, Josef Hader, Klaas Heufer-Umlauf, Aida Loos und Ursula Strauss die FPÖ Niederösterreich bereits im Mai 2023 auf, ihre Klage gegen die "Tagespresse" zurückzunehmen.

Die FPÖ Niederösterreich argumentierte in der ersten Verhandlung tatsächlich damit, dass sie mit der Klage und der Veröffentlichung der Entscheidung Nachahmer abschrecken wollte. Den Schaden bezifferte sie im November auf mehrere Tausend Euro. "Zum Schaden kommt auch noch das Gelächter", erklärte FPÖ-Rechtsvertreter Michael Schilchegger im November, warum es bis dato wenig Bemühungen der Partei um eine außergerichtliche Einigung gegeben habe. (Harald Fidler, 10.1.2024)