Voodoo Jürgens spielt den Rickerl, einen erfolglosen Musiker, dem es nicht an Talent mangelt, aber an Biss.
Voodoo Jürgens spielt den "Rickerl", einen erfolglosen Musiker, dem es nicht an Talent mangelt, aber an Biss.
Giganten Film

Der Rickerl hat einen Lauf. Doch anders als bei dieser Diagnose üblich, geht es bei ihm nicht bergauf, sondern bergab. Der Film Rickerl – Musik is höchstens a Hobby steigt damit ein, dass der Hauptfigur ein menschlicher Schädel aus dem Sackerl rollt. Das makabre Utensil unterbricht so etwas wie eine musikalische Probe, man weiß es nicht genau. Es folgen betretene Blicke, der Wunsch nach einer Erklärung steht wie ein Elefant im Raum, dem Rickerl ist die Schuld ins Gesicht geschrieben.

Einen Schnitt später sitzt er vor seinem Chef, einem Bestattungsunternehmer. Der hat, wie er sagt, lauter zufriedene Kunden, einen wie Rickerl kann er da nicht brauchen, sagt er und kündigt ihn. Kurzes Dagegenhalten Rickerl-seitig, dann Resignation und der Schritt in einen neuen Lebensabschnitt, den er gut zu kennen scheint: die Ungewissheit.

Sich selbst im Weg

Rickerl – Musik is höchstens a Hobby heißt ein Film von Regisseur Adrian Goiginger (Die beste aller Welten). Die Hauptfigur Erich "Rickerl" Bohacek spielt David Öllerer; der ist als Voodoo Jürgens in der heimischen Musikszene ein Name. Auch der Rickerl ist Musiker, erfolglos, weil zu morbid, zu schattseitig, zu wenig tralala. Er stolpert durch ein Leben, das von der Obsession geprägt ist, Musik machen zu wollen, doch ständig stellt sich der Alltag quer – oder er ist sich selbst im Weg.

Von der von Agnes Hausmann gespielten Viki lebt er getrennt, verbinden tut sie der gemeinsame Sohn Dominik, dargestellt vom kleinen, groß aufspielenden Ben Winkler.

Rickerl - Musik is höchstens a Hobby I HD-Trailer I Ab 01.02.2024 im Kino
Pandora Film Verleih

Die Viki wohnt jetzt mit ihrem neuen Freund, einem Piefke, in einem schmucken Einfamilienhaus in Hietzing. Wenn Rickerl vor dem Haus am Zaun steht, um seinen Sohn übers Wochenende abzuholen, wirkt er wie ein Fremdkörper in der Nachbarschaft. Denn Öllerers Figur ist nahe an der des Voodoo Jürgens gebaut.

Die wirkt wie einer Altkleidersammlung der 1970er- und 1980er-Jahre entnommen, die Regisseur Goiginger in Umgebungen platziert, die Voodoo Jürgens’ Musik so gerne beschwört: in von Nikotin patinierten Espressos, in Nachtlokalen, in denen der Barmann sein bester Gast ist. Wo Verlierertypen sich an den Spielautomaten ihren Status bestätigen lassen, wo ihr Traum vom großen Glück nach jedem Knopfdruck platzt. Wenn das kein Grund für noch einen Schnaps ist?

Rickerl mit Sohn Dominik in der Schule des Lebens. Als Dominik überzeugt Ben Winkler.
Rickerl mit Sohn Dominik in der Schule des Lebens. Als Dominik überzeugt Ben Winkler.

Rickerl ist eine kleine, sympathische Geschichte, Voodoo ein überzeugender Überbringer. Das Talent wäre bei ihm vorhanden, der Biss, daraus etwas zu machen, der fehlt komplett. Außerdem hat er eine Aversion gegen Trotteln, das macht es nicht leichter.

Als er einen Termin beim Radio hat, dreht er im letzten Moment um. Eine Begegnung mit einem erfolgreichen Musiker, dem Nino aus Wien, verdirbt ihm die Laune. Lieber biegt er mit dem Dominik ab, geht mit ihm Schwimmen. Da wartet die nächste Prüfung. Als Vater ist er so verlässlich, wie es geht, manchmal ist das leider zu wenig: Einmal verliert er das Kind, ein anderes Mal die Gitarre. Vom Weg kommt er beständig ab, Richtung gibt ihm nur seine Ex, aber die ist halt nur noch bedingt in seinem Leben.

Goiginger setzt die Geschichte in ein einschlägiges Setting. Das grindige Wien gilt seit den Tagen von Kottan ermittelt, Ein echter Wiener geht nicht unter sowie einer Reihe in dieser Tradition verwurzelter Filme als nahrhafter Boden für Geschichten wie die des erfolglosen Musikers. Das Drehbuch nimmt es da mit den realen Gegebenheiten eher locker, in Goigingers Espressos wird heute noch heftig geraucht, beim AMS-Termin genauso.

Tolles Dreiergespann

Mit dem Einsatz der Musik übertreibt es der Film ein wenig, zwei, drei, vier Lieder weniger hätten der Dynamik gutgetan. Dennoch entwickelt sich Rickerl zu einem hübschen Kleinod, umrahmt von einer Riege prächtig abgelebter Figuren mit derbem Text: Musiker, Stammgäste, klischeehafte Musikmanager.

Das Zusammenspiel von Hausmann, Öllerer und Winkler ist geprägt von Zuneigung und gezeichnet von dem Wissen, dass sich ein gemeinsames Leben nicht ausgeht. Rickerl im Gemeindebau, zwischen Wolfgang-Ambros-Plakaten und Küchengrind, dort die verantwortungsvolle Mutter, die sich wünscht, Dominik möge es einmal besser haben. Dieses Ensemble harmoniert im Verlauf des Films immer besser, man kann sich fast schon eine Fortsetzung vorstellen, so sehr wachsen die Figuren. Am Ende ist es aus, aber nicht im Hollywood’schen Sinn, sondern auf Wiener Art. Keine Wellen. Das passt. (Karl Fluch, 19.1.2024)