Rauch über der Stadt Khan Younis
Auch am Mittwoch war nach Angriffen Rauch über der Stadt Khan Younis im Süden des Gazastreifens zu sehen.
AFP/-

Die NGO Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) hat den Angriff auf eine Unterkunft der Hilfsorganisation vom Montag auf das Schärfste verurteilt. Eine Granate hatte am Montag die Wand einer Unterkunft der NGO in Khan Younis im Süden des Gazastreifens durchschlagen. "Über 100 Mitarbeitende und ihre Familien sind dort untergebracht gewesen", hieß es in einer Stellungnahme der NGO auf X, vormals Twitter. Vier Menschen seien verletzt worden, darunter die fünfjährige Tochter eines Mitarbeiters. Sie erlag später nach einer Operation im Krankenhaus ihren Verletzungen.

"Wir sind empört und zutiefst betrübt über den Tod eines weiteren Familienmitglieds unserer Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen. Dieser Angriff auf Zivilisten ist inakzeptabel und zeigt einmal mehr, dass es egal ist, wo man sich in Gaza befindet: Nirgendwo ist man sicher", sagte Thomas Lauvin, MSF-Projektkoordinator in Gaza.

Israelische Stellungnahme erwartet

Die israelische Armee sei über den Aufenthaltsort von Ärzte ohne Grenzen in Khan Younis informiert gewesen, hieß es vonseiten der NGO. Evakuierungsanweisungen habe man nicht erhalten. Der Ursprung des Geschoßes konnte von der Hilfsorganisation nicht eindeutig geklärt werden. "Es scheint jedoch jenen zu ähneln, die von israelischen Panzern verwendet werden", hieß es in der Stellungnahme von Dienstag. Ärzte ohne Grenzen hat die israelischen Behörden kontaktiert und um Erklärung zu dem Vorfall gebeten.

Seit Kriegsbeginn sind nach Angaben der NGO vier MSF-Mitarbeiter und "zahlreiche Angehörige" getötet worden. Der israelische Militäreinsatz im Gazastreifen begann nach dem beispiellosen Terrorangriff der Hamas mit rund 1.200 Toten und mehr als 200 Verschleppten. Der Chef des UN-Nothilfebüros OCHA, Martin Griffiths, hatte Ende vergangener Woche erklärt: "Gaza ist zu einem Ort des Todes und der Verzweiflung geworden." Das schwer zerbombte Gebiet sei "unbewohnbar" geworden, eine Hungersnot drohe. Mehr als 85 Prozent der rund 2,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner wurden durch den Krieg bereits vertrieben. In und um die Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten leben mittlerweile rund eine Million Menschen – vor dem Krieg waren es etwa 280.000.

Flucht in den Süden

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von MSF seien noch vor wenigen Tagen im Al-Aksa-Spital im Zentrum des Gazastreifens tätig gewesen, sagt Carolina Lopez, MSF-Projektkoordinatorin in Gaza. Doch dann seien sie in den Süden geflohen, nachdem sie Evakuierungsanweisungen in Nuseirat, Al-Maghazi und Az-Zawayda erhalten hatten. "Wir wollen in Gaza bleiben, hier arbeiten und die Menschen unterstützen", sagt Lopez. "Aber es wird immer komplizierter für uns, zu arbeiten."

Nach dem Angriff am Montag befänden sich die Helferinnen und Helfer Lopez zufolge "im Schockzustand". Sie seien nun in eine neue Unterkunft gezogen, auch dieser Standort sei der israelischen Armee übermittelt worden. "Ich werde gefragt, ob es hier sicher ist. Aber ich kann das meinem Personal nicht garantieren", beklagt Lopez. "Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza." (Noura Maan, 10.1.2024)