Es sei der "dunkelste Tag in der Geschichte der Stadt", titelte der in Papua-Neuguineas Hauptstadt Port Moresby ansässige "Post Courier". "Moresby brennt", schrieb gar "The National" auf seiner Titelseite. Tatsächlich sind es dramatische Ereignisse, die den Inselstaat erschüttern und die Regierung ins Wanken bringen. Nach einer Panne bei der Gehaltsabrechnung für die Beamten kam es zu Protesten, und die Polizei trat in Streik. Die fehlende Staatsgewalt auf der Straße war eine Einladung: Hunderte Menschen zogen plündernd durch Geschäfte und zündeten Einkaufszentren an. Mindestens 16 Menschen starben bei den Ausschreitungen. Am Donnerstag rief Premierminister James Marape den Notstand aus, um die Sicherheit wiederherzustellen. Der Regierungschef sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

Zu niedrige Gehaltszahlungen

Am Mittwochmorgen hatten Teile der Polizei die Arbeit niedergelegt. Die Exekutive ging gemeinsam mit anderen Staatsbeamten auf die Straße, um gegen überraschende Gehaltshalbierungen zu protestieren. Die protestierenden Sicherheitskräfte zogen zum Parlament und drangen, vom dortigen Wachpersonal unbehelligt, in das Gebäude ein, wo sie Antworten der Regierung forderten. Vor dem Gebäude von Marapes Amtssitz wurde ein Polizeiauto in Brand gesetzt.

Ein Plünderer schleppt einen Kühlschrank aus einem Geschäft.
Ein Plünderer schleppt einen Kühlschrank aus einem Geschäft.
AFP/STR

Computerfehler

Von offizieller Seite wurde umgehend versichert, es handle sich bei den zu niedrigen Gehaltszahlungen um keine Steuerabzüge, sondern um einen Computerfehler, die Fehlbeträge würden bei der nächsten Auszahlung nachgereicht. Doch zu diesem Zeitpunkt war die Situation bereits außer Kontrolle, und die Proteste waren in völlige Gesetzlosigkeit gekippt. Viele Menschen nutzten die Situation zum persönlichen Vorteil: Der Mob verschaffte sich gewaltsam Zutritt zu Geschäften und bediente sich an Waren und Einrichtung. Mindestens zwei Geschäftskomplexe wurden niedergebrannt. Betroffen waren auch zahlreiche Shops von chinesischen Geschäftsleuten. Bei den Ausschreitungen starben in Port Moresby neun Menschen, sieben weitere kamen in der Stadt Lae im Norden des Landes ums Leben. Mehrere der Opfer wurden Berichten zufolge erschossen.

Einkaufswagen wurde für den Abtransport der Beute verwendet.
Einkaufswagen wurden für den Abtransport der Beute verwendet.
AFP/STR

Konsequenzen

Feuerwehrchef Bill Roo erklärte, dass einige Feuerwehrleute bei einem Einsatz von Plünderern bedroht wurden. Ein Krankenhaus musste eine Evakuierung durchführen, da ein Feuer in nahen Geschäften die Klinik bedrohte. Auch internationale Flüge wurden gestrichen.

Marape suspendierte als Konsequenz der Ausschreitungen den Polizeichef Papua-Neuguineas und außerdem leitende Beamte der Finanzverwaltung. Der Premier sprach von Beweisen dafür, dass die Ausschreitungen organisiert waren, und kündigte Untersuchungen über die Hintergründe an. "Wir sichern die Demokratie, wir sichern die Rechtsstaatlichkeit", sagte Marape. Die Regierung rief das Militär zu Hilfe und ließ 180 zusätzliche Polizisten nach Port Moresby einfliegen. Man werde Disziplinlosigkeit bei der Polizei und beim Militär nicht tolerieren, sagte Marape.

Die Plünderungen dauerten bis in die Abendstunden an.
Die Plünderungen dauerten bis in die Abendstunden an.
Leo Manuai via REUTERS

Rücktritt gefordert

Sechs Abgeordnete aus verschiedenen Parteien aus Marapes Regierungskoalition haben aus Verärgerung über die mangelnden Führungsqualitäten der Regierung diese verlassen. James Nomane und Kieth Iduhu, die beide der Pangu-Partei Marapes angehören, machten in Stellungnahmen den Regierungschef für die Unruhen verantwortlich und forderten ihn zum Rücktritt auf. "Heute habe ich mein Ausscheiden aus der Marape-Rosso-Regierung eingereicht, weil ich kein Vertrauen in die Führung des Premierministers habe", schrieb Iduhu auf Facebook. Er fordere den Rücktritt des Premierministers aufgrund des "völligen Zusammenbruchs unserer gesellschaftlichen Werte".

Der stellvertretende Planungsminister Nomane erklärte, er habe kein Vertrauen in den Premierminister, und warf ihm Versagen vor. "Treten Sie zurück, weil Sie unentschlossen und schwach sind. Treten Sie zurück, weil das Land in eine Bananenrepublik abrutscht und weil diese Krise unter Ihrer Aufsicht stattfindet", hieß es in seiner Rücktrittserklärung. "Was gestern in Port Moresby passiert ist, war absolut inakzeptabel und verlangt den sofortigen Rücktritt von James Marape als Premierminister", erklärte Nomane. Marape müsse die nationalen Interessen über seine eigenen stellen. Unter den zurückgetretenen Abgeordneten sind auch Puka Temu, der Chef der Our Development Party, und James Donald, der Chef der People's Reform Party.

Gestohlen wurde alles, was der Mob tragen konnte.
Gestohlen wurde alles, was der Mob tragen konnte.
AFP/STR

Botschaft beklagt Angriffe auf chinesische Staatsbürger

Die US-Vertretung in Port Moresby berichtete am Donnerstag, dass die Polizei die Arbeit wiederaufgenommen habe, allerdings sei die Situation noch nicht wieder normalisiert. Die relative Ruhe könne jeden Moment wieder umschlagen, hieß es in einer Mitteilung. Auch in weiteren Landesteilen sei es zu Gewalt gekommen.

Die chinesische Botschaft beklagte, dass mehrere chinesische Staatsbürger von den Plünderern verletzt wurden, als die chinesischen Geschäfte zerstört wurden. Die Botschaft rief die chinesischen Bürger auf, verstärkt auf ihre Sicherheit zu achten. "Es kam zu Schlägen, Zertrümmerungen, Plünderungen und Bränden, und einige kommerzielle Einrichtungen, darunter viele chinesische Geschäfte, wurden ausgeraubt", hieß es in einer Erklärung der Botschaft.

Australiens Premierminister Anthony Albanese erklärte, sein Land beobachte die Situation, und rief zur Ruhe auf. Von Port Moresby sei jedoch keine Anfrage um Hilfe bei der Wiederherstellung der Ordnung gestellt worden. Australien ist die regionale Schutzmacht und musste in der Vergangenheit schon mehrfach in sicherheitsrelevanten Situationen unterstützend eingreifen.

Plünderer in Port Moresby.
Plünderer in Port Moresby.
AFP/STR

Steigende Gewalt

In der jüngsten Vergangenheit ist in Papua-Neuguinea ein Anstieg der Gewalt zu verzeichnen, der die Polizei überfordert. Stabilität und Sicherheit sind jedoch die Grundlage für Marape, der darauf setzt, internationale Investitionen ins Land zu holen, insbesondere für die verschiedenen Bergbauprojekte des Landes. In den kommenden Jahren soll die Polizei Papua-Neuguineas daher umgeformt werden. Im vergangenen Jahr wurden rund dreihundert Polizisten unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen aus dem Polizeidienst entlassen, in den kommenden Jahren sollen mehr als tausend neuen Rekruten ausgebildet werden, um die Lücken zu füllen.

Die exportabhängige Wirtschaft Papua-Neuguineas litt in den vergangenen Jahren unter den Folgen verschiedener Krisen wie der Corona-Pandemie, des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und zuletzt des Nahostkonflikts. In den vergangenen drei Monaten kam es zu starken Preisanstiegen in dem Land. (Michael Vosatka, 11.1.2024)

Ein zerstörtes Geschäft in Port Moresby.
Ein zerstörtes Geschäft in Port Moresby.
AFP/STR
Brennende Gebäude in Port Moresby.
Brennende Gebäude in Port Moresby.
AFP/STR
Ein Luftbild zeigt, dass an verschiedenen Orten gebrandschatzt wurde.
Ein Luftbild zeigt, dass an verschiedenen Orten gebrandschatzt wurde.
Femli Studio via REUTERS/FEMILI
Ein ausgebranntes Geschäft nach den Plünderungen.
Ein ausgebranntes Geschäft nach den Plünderungen.
AP