Matthew Perry, Jennifer Aniston, David Scwhimmer, Courteney Cox, Matt LeBlanc und Lisa Kudrow waren
Matthew Perry, Jennifer Aniston, David Scwhimmer, Courteney Cox, Matt LeBlanc und Lisa Kudrow waren füreinander und für viele Zuschauende "Friends".
IMAGO/Warner Bros TV

Die naive Kühnheit von Phoebe, die ewige Achterbahn der Liebesgeschichte der eher profan liebenswürdigen Rachel und des tollpatschigen Paläontologen Ross, die peinlichen Aufreißersprüche des eigentlich großherzigen Joey, die zwanghafte Ordnungsliebe von Monica und nicht zuletzt, sondern vor allem der beißende und schlagfertige Sarkasmus von Chandler: Das waren die Zutaten, mit denen einen Sitcom 1994 so schnell zum Publikumsliebling wurde, dass es auch jene überwältigte, die sie erfunden hatten: David Crane und Marta Kauffman.

Über Nacht berühmt

Die Schauspielerinnen und Schauspieler Lisa Kudrow, Jennifer Aniston, David Schwimmer, Matt LeBlanc, Courteney Cox und der 2023 tragisch früh verstorbene Kanadier Matthew Perry wurden quasi über Nacht berühmt und reich und – so betonen sie bis heute – waren auch im echten Leben befreundet.

Von 1994 bis 2004 wurden zehn Staffeln produziert und ausgestrahlt. Promis wie Bruce Willis, Julia Roberts, Danny DeVito, Brad Pitt, Tom Selleck, Billy Crystal, Robin Williams, Brooke Shields oder Chrissie Hynde von den Pretenders hatten Gastauftritte. Paul Rudd, der eigentlich auch nur als Gast geplant war, kam bei Cast und Publikum so gut an, dass seine Figur Mike Hannigan Phoebe Buffet ehelichte.

Die erstmals auf NBC ausgestrahlte Serie über die Clique, die in zwei auf derselben Etage liegenden WGs in Manhattan wohnt, ihren Platz im Leben sucht und einander zur Familie wird, erfreut sich noch heute auf Streamingplattformen großer Beliebtheit. Die Welt hinter der lila Tür ist in Zeiten der multiplen Krisen ein Hort des Eskapismus.

Friends: Pivot! (Clip) | TBS
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Kein finanzielles oder beziehungstechnisches Problem ist so groß, dass einen nicht eine trockene Bemerkung von Chandler Bing zum Lachen bringt.

Was man an der Serie absolut vermisst, ist aber Diversität. Heute achten TV-Produzentinnen und Produzenten mehr darauf, alle Teile der Gesellschaft im wahrsten Sinne mitspielen zu lassen. Bei Friends war als wiederkehrende Figur nur die Paläontologin und temporäre Freundin von Ross, Charlie Wheeler (gespielt von Aisha Tyler), eine schwarze Ausnahme im schneeweißen Cast.

Fake New York

Und Ross war es auch, der vorübergehend eine asiatisch gelesene Frau datete. Auch wenn manche Freundschaftskreise wenig divers sein können, ist das gezeigte ethnische Bild natürlich weder heute noch damals die Realität von New York. Auch bei den wenigen Szenen auf Straßen oder im Lieblingscafé der sechs, dem Central Perk, dessen Name zwar an den Park erinnert, aber mit "Perk" auf die belebende Wirkung von Kaffee verweist, sind fast immer alle weiß.

Andererseits ist das in Friends gezeigte New York auch sonst fast reine Fiktion. Wie sich junge Leute Wohnungen im Stadtteil Manhattan leisten können, obwohl sie immer wieder auf Jobsuche oder überhaupt pleite sind, wird nie wirklich aufgelöst. Besonders absurd macht sich das an der Figur der esoterischen Phoebe fest: Sie hat zwar eine Vergangenheit als kriminelle Obdachlose, doch kann sich dann mit ein bisschen Massieren und schlechten Liedern, die sie im besagten Café zu den Klängen der akustischen Gitarre krächzt, die Miete leisten.

Es ist kein Geheimnis, dass Friends nicht in New York gedreht wurde, sondern in Kalifornien. Selbst der Brunnen, um den herum im Intro getanzt wird, steht hinter den Warner-Studios und ähnelt nur der Cherry Hill Fountain im Central Park. Doch auch in einer solchen Kulisse hätte man eine diversere, realistischere Geschichte erzählen können. Auch in Sachen sexuelle Orientierung. Hier ist Friends ambivalent: Einerseits ziehen Ross, seine als lesbisch geoutete Ex-Frau und deren Partnerin ein Kind auf, was für eine Sitcom 1994 ungewöhnlich war, andererseits ziehen sich homophobe Anspielungen, die witzig sein sollen, durch viele der rund 22 Minuten dauernden Folgen. Wenn sich die Geschwister Ross und Monica und deren Freund Chandler "peinliche" Geheimnisse um die Ohren hauen, ist etwa Chandler, der in einer Bar versehentlich einen Mann küsste, der Verlierer. Danach könne nichts Peinlicheres sein, meint Ross: "Whatever, dude! You kissed a guy."

Umgekehrt ist gerade Chandlers Vater ein transsexueller Mann – gespielt von Kathleen Turner, was sonst auch noch nicht gang und gäbe in US-Serien war.

Bodyshaming

Monica wird immer wieder wegen ihrer "Vergangenheit" gehänselt. Jugendrückblenden, in denen Cox clownesk im Fatsuit auftritt, würden heute wohl eher unter astreines Bodyshaming fallen.

Doch die kuschelige WG bleibt für viele ein fiktiver Schutzort. Es ist kein Zufall, dass Friends im apokalyptischen Netflix-Film Leave the World Behind, der Ende 2023 herauskam, genau in dieser Funktion auftaucht. I’ll be there for you trällern The Rembrandts da das Titellied vom Bildschirm, während draußen alles den Hudson runtergeht. (Colette M. Schmidt, 13.1.2024)