Im November enthüllte DER STANDARD gemeinsam mit dem ORF und internationalen Recherchepartnern, wie eine Villa am Ufer des Salzburger Fuschlsees in die Hände der Familie des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch gelangte. Neben dem Konstrukt aus Briefkastenfirmen und einer vermeintlichen Strohfrau gibt es nun neue Ungereimtheiten. So räumte der zuständige Landesrat für Raumordnung und Grundverkehr, Martin Zauner (FPÖ), in der schriftlichen Beantwortung einer Anfrage der Grünen ein, dass der Verfahrensakt und damit der Antrag, die Prüfung und die Bewilligung zum Anwesen "leider" nicht mehr vorliege – und zwar "weder in Papierform noch in elektronischer Form".

Das 1637 erbaute "Fischerhaus", eine Liegenschaft in bester Lage am Südufer des Fuschlsees, wurde 2007 durch eine Britin erworben, für 11,3 Millionen Euro. Bereits damals wurde in der Flachgauer Gemeinde gerätselt, wer solch hohe Summen in das sanierungsbedürftige Haus investiert.

Wie durch das Projekt "Cyprus Confidential" des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) im November 2023 publik wurde, stammte das Geld für den Kauf von einer Briefkastenfirma von Roman Abramowitsch. Der mittlerweile von der EU sanktionierte Oligarch stellte der Käuferin über seine Offshore-Firma Farleigh International Limited mit Sitz auf den britischen Jungferninseln mittels Kreditvertrags 15 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld erhielt die Britin dezidiert für Kauf und Instandhaltung der Villa. Die Käuferin ist die Ehefrau eines langjährigen Geschäftspartners und engen Vertrauten von Abramowitsch.

Hintergrund dieser Konstruktion könnte das Salzburger Grundverkehrsgesetz gewesen sein. Für die Britin als natürliche Person und damalige EU-Bürgerin galten weniger strenge Regeln als für Firmen aus Drittstaaten wie die Farleigh International Limited.

Grüne für Rückabwicklung des Kaufs

Die grüne Klubobfrau Martina Berthold und ihr Stellvertreter Simon Heilig-Hofbauer richteten sich am 17. November 2023 per Landtagsanfrage an die Landesregierung, um herauszufinden, ob beim Erwerb des Grundstücks im Jahr 2007 alle Regeln eingehalten wurden. Ihr Verdacht: Die britische Käuferin habe die Behörden im Dunkeln darüber gelassen, dass sie selbst nie die wirtschaftliche Eigentümerin der Liegenschaft war und von Anfang an als Treuhänderin für die Firma Farleigh und deren letztgültigen Eigentümer, Roman Abramowitsch, fungierte. Genau das besagt eine Treuhandurkunde vom 3. April 2017, die dem STANDARD vorliegt (siehe Faksimile).

Kaufvertrag
Der bisher geheime Vertrag als Faksimile.
DerStandard Faksimilie

In diesem Dokument verzichtete Farleigh auf alle Forderungen gegenüber der Vertrauten des Oligarchen. Die Millionen, die der Britin geliehen wurden, musste sie nie zurückzahlen. Das Fischerhaus ging im Gegenzug per Schenkungsvertrag 2017 auch formal über in den Besitz der Familie Abramowitsch. Eine Tochter des Oligarchen, Anna Abramowitsch, steht nach wie vor als Eigentümerin im Grundbuch.

Der Verkauf des Fischerhauses 2007 an die britische Staatsbürgerin war "rechtswidrig und erfolgte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen", schlussfolgert Simon Heilig-Hofbauer, stellvertretender Klubobmann der Grünen im Salzburger Landtag aus der Anfragebeantwortung. Auch eine Rückabwicklung hält der Landespolitiker im Gespräch mit dem STANDARD für möglich, schließlich gebe es zwar einen Bescheid der Landesregierung vom 11. Oktober 2007, in dem diese dem Kauf zugestimmt habe. "Das Treuhandverhältnis aber wurde verschwiegen".

Der verschwundene Akt

Entscheidend ist, ob die Britin damals unvollständige Angaben gemacht und sich damit den Bescheid erschlichen hat. So genau lässt sich dieser Prozess aber nicht mehr rekonstruieren. Dafür bräuchte es nämlich den Verfahrensakt. Doch der ist nicht mehr auffindbar.

Fuschlsee
Die Villa am Fuschlsee.
Maria Retter

Tatsächlich soll der Akt auf Anweisung der Behörden bereits im Jahr 2022 im Rahmen der Übersiedelung der Abteilung nach Wals-Siezenheim vernichtet worden sein. Nur mehr der Zustimmungsbescheid soll vorhanden sein. Auf STANDARD-Anfrage verweist der Leiter der zuständigen Dienststelle des Landes Salzburg auf die sogenannte Skartier-Ordnung. Die besage, dass Akten nach zehn Jahren geschreddert werden können. Es habe bei der Übersiedelung, die 15 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags stattfand, den Auftrag gegeben, den Bestand zu verkleinern. Elektronisch sei der Akt nie vorhanden gewesen, hieß es aus der Behörde.

Die "ZiB 2" berichtete Mittwoch über vermeintlich bereits vernichtete Akten. Dabei handelt es sich um den Bescheid für die Schenkung aus dem Jahr 2018. Der ist aber nicht entscheidend für eine mögliche Rückabwicklung. Noch dazu hatten die Salzburger Behörden nie behauptet, über diesen Bescheid nicht mehr zu verfügen. Entscheidend und verschollen sind der Verfahrensakt des Kaufs 2007 und der Treuhandvertrag, der den Behörden nicht vorliegt.

Branchenexperten, die DER STANDARD dazu befragte, wundern sich. Es sei "unüblich", dass Verfahrensakten einfach verschwinden. Noch dazu seien diese in Salzburg ohnehin nur spärlich dokumentiert. "Der Zufall wirft eine schiefe Optik", sagte der unter anderem auf Grundverkehrsrecht spezialisierte Mondseer Anwalt Lukas Hock. Es mache ihn stutzig, dass ausgerechnet der Verfahrensakt rund um die Liegenschaft am Fuschlsee verschwunden sei. "Ich finde es sehr seltsam, dass der Akt nicht vor Vernichtung elektronisch gesichert wurde."

Der grüne Raumordnungssprecher Heilig-Hofbauer gibt sich überzeugt, dass die Akten hätten aufbewahrt werden müssen. Seine Partei habe sogleich eine dringliche Anfrage an Landesrat Zauner eingebracht, "um rasch für Transparenz zu sorgen". "Es kann nicht sein, das Salzburg zum Oligarchenparadies verkommt und illegale Immo-Deals folgenlos bleiben." Die dringliche Anfrage soll auch klären, ob noch weitere Akten vernichtet wurden. Für die Beantwortung der Fragen hat die Behörde nun 14 Tage Zeit.

"Was nicht auffindbar ist, kann nicht geprüft werden"

Anwalt Hock hält eine Rückabwicklung des Kaufs für möglich. Es müsse überprüft werden, ob die Britin die Behörden beim Kauf getäuscht habe. Dafür müsste allerdings unter anderem der vermeintlich verschollene Verfahrensakt überprüft werden. Dies sei nicht mehr möglich, wie auch das Land Salzburg bestätigte. "Was nicht auffindbar ist, kann nicht geprüft werden," sagt Hock. Es könnte dennoch zu einer Rückabwicklung kommen. Erneut konfrontiert mit dem Treuhandvertrag sagt der Leiter der zuständigen Dienststelle beim Land Salzburg dem STANDARD: "Es riecht sehr danach, dass der Treuhandvertrag bereits 2007 gültig war. Das wäre eine klassische Umgehungskonstruktion, die zu einer Rückabwicklung führen kann."

Der Anwalt der Britin teilte auf Anfrage mit, zum Sachverhalt keine inhaltliche Stellungnahme abgeben zu wollen.

Ein verlassener Hauptwohnsitz

Aus der Anfragebeantwortung, die dem STANDARD vorliegt, geht zudem hervor, dass die Liegenschaft am Fischerweg 10 "laut Auskunft der Gemeinde Fuschl von der Eigentümerin als Hauptwohnsitz genutzt" werde. Als sich DER STANDARD im November ein Bild von dem Anwesen machte, waren lediglich mehrere Personen anzutreffen, die pfeifend Gartenarbeiten verrichteten. Ein unmittelbarer Nachbar erklärte, dass die Bediensteten regelmäßig vorbeischauen würden, er die Familie Abramowitsch aber lange nicht gesehen habe.

"Auch die Sache mit dem Hauptwohnsitz ist aufklärungsbedürftig", hält Heilig-Hochbauer fest. Seine Partei werde auch hier eine entsprechende Anfrage vorbereiten.

Beim Landesverwaltungsgericht ist die Causa rund um die Seeliegenschaft indes noch nicht anhängig, wie ein Sprecher dem STANDARD auf Nachfrage bestätigt. Zunächst müsse die Grundverkehrskommission einen Bescheid erstellen. Und lediglich wenn eine Partei Beschwerde gegen ebendiesen Bescheid einlege, lande ein Fall auf den Schreibtischen des Landesverwaltungsgerichts. "Das ist in dem Fall noch nicht passiert". (Maria Retter, Stefanie Ruep, Fabian Schmid, Timo Schober, 11.1.2024)