Die Gäste der Kundgebung im Örtchen Windham im Süden des US-Bundesstaats New Hampshire wirkten enttäuscht. Sie waren gekommen, um ihren Favoriten im Rennen um das Weiße Haus zu sehen: Chris Christie. Kein anderer republikanischer Bewerber hat es gewagt, sich offen gegen Donald Trump zu stellen. Der ehemalige Gouverneur von New Jersey, der den Partei-Paten 2016 noch unterstützte, hat zuletzt einen regelrechten Kreuzzug gegen den republikanischen Favoriten geführt, den er "verrückt" nannte und als Gefahr für die Demokratie beschrieb.

Chris Christie
Chris Christie rechnet vor, wie viele noch ernsthaft Ambitionen haben, Donald Trump innerparteilich zu schlagen: zwei. Er selbst zählt sich nicht mehr dazu.
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Doch am Mittwochabend schien der Kampfeswille des 61-Jährigen gebrochen. Getragen referierte er zunächst, weshalb er in den politischen Wettstreit um die Präsidentschaftsbewerbung eingetreten sei und erklärte dann: "Mir ist heute Abend klar geworden, dass es für mich keinen Weg zur Nominierung gibt."

Das war einerseits eine logische Schlussfolgerung aus einer millionenteuren Kampagne, die Christie bei landesweiten Umfragen nie über vier Prozent gehoben hatte. Es ist politisch auch klug, damit sich die Stimmen der Trump-Herausforderer nicht weiter zersplittern. Aber der Rückzug dokumentiert auch auf erschütternde Weise, dass ein traditioneller Konservativer in der heutigen republikanischen Partei keinerlei Chancen mehr hat. Trump hat die einstige Grand Old Party (GOP) komplett unterworfen und nach den Worten Christies "Hass, Spaltung und Egoismus" zu ihren Markenzeichen gemacht.

Neue Dynamik

Der Ausstieg des Trump-Kritikers setzt gleichwohl eine interessante Dynamik in Gang. In Iowa, wo am kommenden Montag die ersten Vorwahlen stattfinden, hätte Christie ohnehin keine Chancen gehabt. Im politisch gemäßigteren New Hampshire, dem Schauplatz der nächsten Vorwahlen am 23. Februar, lag der Ex-Gouverneur bei einer CNN-Umfrage zuletzt jedoch bei zwölf Prozent. Die Frage ist nun, zu welchem anderen Kandidaten oder welcher Kandidatin die Christie-Unterstützer überlaufen werden.

Christie selbst gab ausdrücklich keine Empfehlung ab. Im Gegenteil: Er ging die beiden Spitzenreiter im deutlich zurückliegenden Trump-Verfolgerfeld – Floridas Gouverneur Ron DeSantis und Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley – frontal an, weil beide eine Konfrontation mit dem Ex-Präsidenten vermeiden: "Trump ist für das Präsidentenamt untauglich. Jeder, der sich weigert, das zu sagen, ist selbst ungeeignet."

Dennoch dauerte es keine Stunde, bis sich Haley in einer Presseerklärung als würdige Vertreterin von Christie empfahl, den sie als "langjährigen Freund" bezeichnete. Tatsächlich gehört Haley von ihrer Biografie her eher zum traditionellen Republikaner-Lager, hat sich während der Kampagne aber so radikalisiert, dass sie zuletzt sogar die Sklaverei als Auslöser des amerikanischen Bürgerkriegs leugnete. Laut der CNN-Umfrage könnte sie am ehesten von Christies Ausstieg profitieren: Zwei Drittel der Christie-Unterstützer gaben sie als ihre zweite Wahl an. Wenn diese Menschen nun tatsächlich für sie stimmen, würde Haley in New Hampshire dicht an Trump heranrücken.

Abwesender Trump

Dass die landesweite Favoritenrolle Trumps im Rennen um das Weiße Haus ernsthaft in Gefahr gerät, erscheint aus heutiger Sicht aber extrem unwahrscheinlich. Die tatsächlichen Machtverhältnisse konnten die Fernsehzuschauer am Mittwochabend bei zwei Sendungen beobachten: Beim Sender CNN lief die fünfte Fernsehdebatte, an der jedoch nur Haley und DeSantis teilnahmen, weil Trump die Veranstaltung erneut boykottierte. Während sich die Bewerberin und der Bewerber um den zweiten Platz verbissen gegenseitig attackierten, genoss Trump wohlgelaunt beim rechten Sender Fox News ein regelrechtes politisches Wohlfühlbad mit Huldigungen ("I love you") aus dem Publikum.

Ein einziges Mal nur trauten sich seine Herausforderer, den mehrfach angeklagten Möchtegern-Autokraten zu kritisieren. "Ich schätze, was Präsident Trump gemacht hat", formulierte DeSantis zahm: "Aber an vielen Stellen hat er nicht geliefert, was er versprochen hat." Haley säuselte: "Er war der richtige Präsident zur richtigen Zeit." Allerdings sei Trump nicht der richtige Mann für die Zukunft: "Es ist Zeit für eine neue Generation", sagte die 51-Jährige. (Karl Doemens aus Washington, 11.1.2024)