Adonis am Ladekabel: Mit dem e:Ny1 hat Honda neuerdings einen feschen, praktischen und noch halbwegs kompakten Elektro-SUV im Angebot. Löblich auch das exzellente Fahrwerk.
Foto: Rudlof Skarics

Honda kam 2019 mit dem ersten Elektroauto auf den Markt. Alle freuten sich über den originellen Kleinwagen. Wenn’s ans Kaufen ging, übte man sich beim Kleinen mit kurzen Namen "e" aber in Zurückhaltung. Teuer, zu klein, viel zu wenig Reichweite.

Jetzt kommt der nächste vollelektrische Honda – mit eigens für die gehobene Kompaktklasse entwickelter Elektroplattform. Honda weiß, wie man gute Autos baut, das hat die Geschichte schon bewiesen. Honda weiß auch, wie man dynamische Autos baut, das geht auf ein intensives sportliches Engagement in den vergangenen Jahrzehnten zurück. Aber kann Honda auch elektrisch?

Honda e:Ny1 Advance (Elektro-Fahrzeug; alternative Antriebe)
Rudolf Skarics

Gleich vorab: Im Prinzip darf man Hondas erstes alltagstaugliches Elektroauto schon mal als gelungen bezeichnen. Der e:Ny1 ist ein schönes Beispiel dafür, dass sich Japaner keine Nachlässigkeiten nachsagen lassen wollen. Dass sie später als andere auf die E-Schiene aufgesprungen sind, schimmert aber durchaus noch durch. Die Elektrotechnik steht einerseits auf einer soliden Grundlage, auf der anderen Seite ist sie in keiner Weise rekordverdächtig, wenn es um die Leistungsfähigkeit beim Antrieb geht.

Reserve für die Lebensdauer

Die nutzbare Batteriekapazität beträgt laut ADAC 61,9 kWh (brutto 68,8 kWh). Das ist ziemlich viel technische Reserve, die dem Besitzer eine lange Lebensdauer der Batterie verspricht, aber nicht für die Reichweite zur Verfügung steht. (Bei Tesla gibt’s null Reserve, damit auch vergleichsweise mehr Reichweite, aber auch das Risiko, dass die Batterie bei schlechter Ladestrategie früher kaputt wird.)

Geladen wird an der Schnauze, hinter Hondas "H" wie "Heb mich an". Die Ladeleistung ist allerdings nicht rekordverdächtig.
Foto: Rudolf Skarics

Die maximale Ladeleistung wird mit 78 kW angegeben. Wir erreichten als Spitzenwert nur etwas mehr als 70. Die durchschnittliche Ladeleistung lag zwischen 30 und 60 kW pro Ladevorgang. Auch im Verbrauch ist der Honda keineswegs rekordverdächtig, weder im Guten noch im Bösen. Man muss mit etwas über 20 kWh/100 km im großen Schnitt rechnen – bei Umgebungstemperaturen etwas über null Grad und zurückhaltenden 20 Grad im Innenraum. Da kommt keine Euphorie auf, es entspricht dem Mittelfeld der gelebten Wirklichkeit mit einem Elektroauto im Winter.

Die strahlend weißen Ledersitze wecken die Sorge, dass der Fleckenteufel wohl bald zuschlagen würde. Sie sind aber eh nicht echt, weil synthetisch vulgo vegan, und wunderbar abwischbar. Insgesamt wirkt der Innenraum wertvoll, vorbildlich verarbeitet, aber nicht überkandidelt. Wohlfühlatmosphäre kann man sagen, alle Elemente griffsicher, wo man auch hinlangt.

Außer diesem Bildschirm, der – wie alle diese Bildschirme auf der Welt – nur mit großer Ablenkung zu bedienen ist. Die Gliederung ist aber ok. Oben Navi/Audio, etc., unten Klima. Dass die zwei wichtigsten Bedienelemente im Winter, nämlich für die Front- und Heckscheibenheizung, in Form eigener Knöpfe außerhalb des Touch-Screens liegen, ist lobenswert, aber irgendwie rechnet man nicht gleich mit diesem Luxus und sucht sie beim ersten Mal vergeblich im Klimamenü.

Dass Honda Autos auf hohem Niveau bauen kann, ist damit klar und wird noch einmal unterstrichen durch das außergewöhnlich gute Fahrwerk. Anders als bei vielen anderen Elektroautos auf Surfbrett-Plattform mit Batterie am Wagenboden verdaut das Honda-Fahrwerk auch kurze Stöße problemlos. Das Fahrwerk ist sehr komfortabel und zugleich geradezu sportlich präzise. Der für ein Elektroauto typische, etwas größere Wendekreis ist nur anfangs gewöhnungsbedürftig.

"Magic Seats" wie im Jazz wird man im e:Ny1 nicht finden, der Nutzraum ist trotzdem so durchdacht, wie man das von Honda kennt und schätzt.
Foto: Rudolf Skarics

Die Platzverhältnisse und -bedürfnisse entsprechen den üblichen Dimensionen eines Kompakt-SUVs unter viereinhalb Meter Länge – ein Vernunftmaß, könnte man sagen. Dass weder Anhängelast noch Dachlast ausgewiesen sind, ist wohl nur scheinbar Nebensache im Land der Skifahrer und E-Biker. Auch der sehr selbstbewusste Preis von 53.980 Euro in unserer getesteten Version Advance (der Einstiegspreis liegt bei 49.990 Euro) dämpft trotz aller Qualitäten womöglich die Kauflaune. Die wunderhübsche blaue Farbe namens Aqua Topaz kostet 990 Euro zusätzlich.

Auch am Heck gibt sich der Elektro-SUV designtechnisch keine Blöße, ein stilistisch rundum gelungener Wurf. Anhängevorrichtung wird man aber vergeblich suchen.
Foto: Rudolf Skarics

So kommen wir zum Schluss: Das Auto ist hübsch und hochwertig, aber zur Bewältigung langer Tagesetappen nur bedingt geeignet. Dafür würde man etwas mehr reale Ladeleistung und eine größere Batterie benötigen. (Rudolf Skarics, 13.1.2024)