Der Tschetschene Movldi A. saß zwei Wochen lang als mutmaßlicher Terrorist in Wien in Untersuchungshaft. Ins Visier der Ermittler geriert er, weil direkt neben einer mutmaßlichen Jihadisten-Zelle gewohnt hatte. Im Bild mit seinem Anwalt Florian Kreiner, der scharfe Kritik am Umgang mit seinem Mandaten übt.
Thomas Hoisl

Gegen fünf Uhr Früh habe es geknallt. Movldi A. (47) und sein achtjähriger Sohn, der mit ihm gemeinsam in einem Zimmer schlief, werden aus dem Schlaf gerissen. Sekunden später ist die Wohnung im 16. Wiener Gemeindebezirk voll von schwerbewaffneten maskierten Polizisten, mit bellenden Hunden an der Leine, die Gewehrläufe auf A. gerichtet. "Ich war völlig im Schock. Dann habe ich mir gedacht: Das gibt es ja nicht. Das ist ja wie im Film", erinnert sich der Tschetschene. Seinen Sohn habe man ins Nebenzimmer zu seiner Frau und den zwei anderen Kindern gebracht, A. wird in Handschellen gelegt und abgeführt, hinunter durch das Stiegenhaus, vorbei an verdutzt dreinblickenden Hausbewohnern.

Movldi A. ist eine jener Personen, die am 23. Dezember in Wien wegen Terrorverdachts festgenommen wurden. Die Causa wurde kurz vor Weihnachten publik: "Islamisten planten Anschlag auf Kölner Dom – Mehrere Verhaftungen in Wien und Deutschland", lautete die erste Eilmeldung der deuschen Bild. Deutsche und österreichische Sicherheitsbehörden seien einem länderübergreifenden Terrornetzwerk von Jihadisten auf die Spur gekommen, das Pläne für Anschläge zu Heiligabend und Silvester geschmiedet habe. In Wien seien dafür der Prater und der Stephansdom ins Visier genommen worden, tagelange Einlasskontrollen vor dem Dom waren die Folge.

Konspiratives Treffen

Nun bestehe aber zumindest gegen Movldi A. "kein dringender Tatverdacht mehr", hieß es seitens der Staatsanwaltschaft Wien. Er wurde nach knapp zwei Wochen enthaftet. Die Ermittlungen laufen vorerst weiter. Wie aber passte der 47-jährige Tschetschene ins Bild?

Im Zentrum der Ermittlungen steht der 30-jähriger Tadschike B., der in Deutschland lebt, aber im vergangenen Dezember zweimal nach Wien gereist sein soll. B., offenbar bereits seit längerem unter Beobachtung der Behörden, habe "in nichttouristischer Weise" Fotos und Videoaufnahmen der Kirche und des Praters gemacht. Zudem habe er in dieser Zeit ein hier lebendes Ehepaar – den Tadschiken A. (29) und die Türkin E. (27) – getroffen, die ebenfalls am 23. Dezember verhaftet wurden. Bei einem solchen "konspirativen Treffen im Wohnobjekt" des Paares sei auch Movldi A. dabei gewesen, hieß es im Haftbeschluss. Die Eheleute, die 2022 nach Beginn des Krieges aus der Ukraine nach Österreich kamen, wohnen Tür an Tür mit dem Tschetschenen.

"Absolut inakzeptabel"

Movldi A. widerspricht, dass es solche Treffen gegeben habe: "Ich kenne die beiden nur als Nachbarn – wir grüßen uns, schütteln uns die Hände. Ich war noch nie in meinem Leben in ihrer Wohnung." Das Paar sei religiöser als er, die Frau trage etwa Vollverschleierung – für ihn seien sie nie unangenehm aufgefallen. "Manchmal sind ihre Kinder abends laut. Darüber habe ich mich beschwert, wir haben deshalb auch unsere Telefonnummern ausgetauscht." Den Hauptbeschuldigten Tadschiken B. will er nicht kennen.

Die knapp zwei Wochen Untersuchungshaft seien für seine Familie eine Belastung gewesen. Er selbst habe ein schwaches Herz, seine Frau leide wie auch eines seiner Kinder an Epilepsie. Einer seiner Söhne hätte nach der Verhaftung des Vaters tagelang geschwiegen.

Nach seiner Festnahme sei A. stundenlang einvernommen worden, zu Mittag habe er ein Glas Wasser bekommen; Nahrung sei ihm aber sowohl am Tag in Polizeigewahrsam als auch am ersten Tag im Gefängnis nicht angeboten worden. "Das ist absolut inakzeptabel", sagt sein Anwalt Florian Kreiner. A. ergänzt: "Ich bin froh, hier in Österreich in Frieden leben zu können, und dankbar, dass ich wieder frei bin. Ich hätte aber nicht gedacht, dass mir so etwas passieren kann. Das kennt man ja nur aus Russland oder Kasachstan." A. lebt seit 2012 in Österreich als Flüchtling.

Bisher unbescholten

Die Ziele der Terrormiliz IS, ihres zentralasiatischen Ablegers ISPK oder gar Anschlagspläne in Wien verurteile er: "Wer solche Anschläge ausführt, den halte ich für Feinde der Menschheit. Ich schwöre, würde ich so etwas mitbekommen, hätte ich das gemeldet. Ich möchte, dass meine Kinder hier zur Schule gehen können und später zur Universität."

Movldi A. wurde enthaftet, nachdem die Staatsanwaltschaft einen Antrag bei Gericht gestellt hatte. Der Tatverdacht habe sich nicht erhärtet. Damit ist die Anklagebehörde einer Haftbeschwerde beim Oberlandesgericht zuvorgekommen.

Vier Handys des Tschetschenen – eines gehöre seiner Frau, zwei weitere seien alt und beschädigt – wurden beschlagnahmt und werden noch ausgewertet. Wenige Tage nach seiner Entlassung wurde wegen des laufenden Verfahrens gegen ihn ein Waffenverbot verhängt. Strafrechtlich in Erscheinung getreten ist A. bisher noch nie. Sein Anwalt geht davon, dass das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt wird.

Die beiden Nachbarn des Tschetschenen hingegen bleiben in U-Haft, sie wurde für einen weiteren Monat verlängert. Gegen den 30-jährigen Tadschiken B. hat die österreichische Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erlassen, er soll nach Wien ausgeliefert werden.

Der Tschetschene Movldi A. saß zwei Wochen lang als mutmaßlicher Terrorist in Wien in Untersuchungshaft. Ins Visier der Ermittler geriert er, weil direkt neben einer mutmaßlichen Jihadisten-Zelle gewohnt hatte. (Thomas Hoisl, 15.1.2024)