Anfangs hatten sie noch Witze gemacht. "Am Montag soll es hier kalt werden", flachste die aus dem subtropischen South Carolina stammende Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley bei einer Kundgebung in der winterlichen Prärie des Mittleren Westens: "Ich weiß nicht einmal, was minus 15 Grad Fahrenheit (minus 26 Grad Celsius, Anm.) ist." Im Plauderton erzählte Floridas Gouverneur Ron DeSantis, er besitze tatsächlich einen Wintermantel. Den habe er aber "zu Hause in Tallahassee vergessen".

Kurz darauf verging den Kandidaten im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner das Lachen. Monatelang waren sie auf Stimmenjagd für die erste parteiinterne Vorwahl an diesem Montag kreuz und quer durch die Weiten des Farmstaats Iowa getourt. Insgesamt 120 Millionen Dollar haben sie für TV-Werbespots verpulvert. Doch nun droht der Showdown im ungleichen Wettstreit einer Handvoll Herausforderer mit dem Favoriten Donald Trump unter einer arktischen Eiswalze begraben zu werden.

Video: Schneesturm bringt Vorwahlen der US-Republikaner durcheinander.
AFP

"Scheußlich da draußen!"

Vor einer "lebensbedrohlichen Kaltfront" warnen die Meteorologen kurz vor dem als Stimmungsindikator geltenden "First-in-the-Nation Caucus". Erst begrub ein Blizzard am Donnerstag den Bundesstaat unter einem halben Meter Schnee. Dann peitschten eisige Sturmböen über das Land. Nun sind die Temperaturen auf minus 28 Grad Celsius gestürzt. Viele Straßen sind unpassierbar, zahlreiche Flüge gecancelt und die Schulen geschlossen. "Es ist wirklich scheußlich draußen", rief ein sichtlich derangierter Trump mit zerzausten Haaren den wartenden Reportern am Samstagabend zu, nachdem er drei Schritte von seiner Limousine zum Hotel zurückgelegt hatte.

Donald Trump und die angebliche Q-Anon.-Verschwörung ist auch in Iowa vielen heilig.
EPA/JUSTIN LANE

Bei den Kundgebungen aller Kandidaten ging es zuletzt um die Inflation und die staatliche Verschuldung, die wachsende Kriminalität und den Migrationsdruck an der Grenze zu Mexiko. Trump inszenierte sich zudem als Opfer einer Justizkampagne, wütete gegen Kritiker und beleidigte seine Herausforderer Haley und DeSantis als "bird brain" (Spatzenhirn) und "DeSanctimonious" (Scheinheiliger), während die beiden Politiker den Paten, der bei Umfragen mit 30 Punkten Abstand vorn liegt, mit Samthandschuhen anfassen.

Doch plötzlich ist das Wetter zum beherrschenden Thema der bizarren Kandidatenkür geworden. Haley und DeSantis haben viele Veranstaltungen gestrichen, Trump hat seine Auftritte komplett in virtuelle "Telekundgebungen" umgewandelt – und alle rechnen mit sinkender Wahlbeteiligung bei den Wahlversammlungen des Caucus (siehe Wissen unter diesem Text).

Gegenwind für den besonders weit rechten Außenseiter-Kandidatin Vivek Ramaswamy.
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Bei rekordverdächtigen zweistelligen Minusgraden dürften dieses Mal nämlich viele zu Hause bleiben. Die Frage ist, wem das nützt. Manche Auguren glauben, angesichts der Dominanz von Trump könnten seine Anhänger bequem werden. Dagegen spricht der enorme Enthusiasmus der Hardcore-Fans des Ex-Präsidenten, die mutmaßlich mit ihren Pick-ups und wehenden Fahnen selbst durch die Arktis zur Stimmabgabe brettern würden.

"Ich bin schon etwas besorgt", sagte Trump am Samstagabend bei einer virtuellen Kundgebung: "Aber ich weiß, dass meine Wähler so viel Einsatz bringen, dass sie wählen gehen werden." Der Ex-Präsident saß auf kleiner Bühne und ließ sich von einer loyalen Landespolitikerin Stichworte zuwerfen. Hinter ihm nickten zwei Dutzend handverlesene Anhänger mit roten T-Shirts und weißen Käppis im Takt. Inhaltlich bot der 77-Jährige seine üblichen Darbietungen, bei denen er vom "korrupten Präsident Biden" über den "klugen" chinesischen Präsidenten Xi Jinping bis zu seinem Lieblingsthema, der widerlegten Behauptung vom Wahlbetrug 2020, mäanderte.

Ein ungleiches Rennen

Ähnlich unangefochten hat Trump seine ganze Kampagne bestritten. Die üblichen TV-Debatten mit anderen Kandidaten boykottierte er, stattdessen ließ er sich in rechten Medien beweihräuchern. Nach dem Ausscheiden von Chris Christie, Ex-Gouverneur von New Jersey, bewerben sich noch sechs Frauen und Männer um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Außer Trump haben sich zuletzt nur noch Haley und DeSantis für die TV-Debatten qualifiziert, alle anderen liegen in den Umfragen deutlich zu weit zurück.

Im Grunde ist der republikanische Vorwahlkampf daher allein ein Wettstreit um den Platz zwei. Die Fernsehduelle, bei denen sich Haley und DeSantis ohne ihren eigentlichen Gegner erbittert zerfleischten, wirkten surreal. Doch nur wer sich als beste Trump-Alternative in Stellung bringt, hat die theoretische Chance, im Fall eines unvorhersehbaren politischen oder physischen Schwächeanfalls Trumps als Kandidat oder Kandidatin nachzurücken. Zwar wird in Iowa nur über 40 der 2429 Delegiertenstimmen auf dem Parteitag im Juli entschieden. Aber politisch-psychologisch könnte die Reihenfolge des Abschneidens eine große Auswirkung haben.

Nicht nur für Floridas Gouverneur Ron DeSantis gestaltete sich der Wahlkampf frostig.
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"Seid ihr bereit, Geschichte zu schreiben?", rief Ron DeSantis am Samstagnachmittag seinen Zuhörern bei einem Besuch seiner Wahlkampfzentrale in der Landeshauptstadt Des Moines zu. Der Gouverneur, der in Florida mit dem berüchtigten "Don’t say gay"-Gesetz jeglichen Aufklärungsunterricht aus den Klassenzimmern verbannte, hat sich früh als rechter Kulturkämpfer positioniert, der mindestens so radikal wie Trump, aber rationaler sei.

Anfangs schien dieses Image zu ziehen: Der 45-Jährige wurde sogar ernsthaft als Trump-Alternative gehandelt. Doch dann geriet seine Kampagne ins Stolpern. In Iowa hat DeSantis mit hunderten Auftritten den massivsten Wahlkampf hingelegt. Trotzdem ist sein Stern deutlich gesunken: In der letzten Umfrage der Lokalzeitung Des Moines Register vor der Wahl kommt er nur noch auf 16 Prozent.

Ex-Gouverneurin und Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley kam noch nicht so wirklich ins Menscheln.
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Nikki Haley, die einstige UN-Botschafterin der Trump-Regierung, ist gleichzeitig mit 20 Prozent erstmals an DeSantis vorbeigezogen. Mit ihrer Unterstützung der Ukraine-Hilfen und einer differenzierteren Position in der Einwanderungspolitik gilt die 51-Jährige als die vergleichbar traditionellste verbliebene Konservative im Bewerberfeld. Doch auch sie lässt keine Gelegenheit aus, sich vor Trump zu verneigen, polemisiert gegen Transgender-Menschen und traute sich kürzlich auf die Frage nach dem Auslöser des Amerikanischen Bürgerkriegs nicht, die Sklaverei anzusprechen.

Ganz im Gegensatz zu Trump, der auf eine perverse Weise unterhaltsam sein kann und von seinen Anhängern geliebt wird, wirkt Haley stets kontrolliert. Nur 39 Prozent ihrer Anhänger zeigten sich bei der jüngsten Umfrage "sehr enthusiastisch" für ihre Kandidatin. Ob ihre Wählerinnen und Wähler für sie durch Eis und Kälte gehen werden, bleibt offen. (Karl Doemens aus Washington, 15.1.2024)