Ken Fritz ist ein Name, der von manchen in der Welt fortgeschrittener Musikliebhaberei mit Ehrfurcht ausgesprochen wird. Dabei war Fritz kein Instrumentalgenie, kein berühmter Sänger oder legendärer Ingenieur bei einem Lautsprecherhersteller. Der ausgebildete Physiker und Mathematiker führte eine Firma, die Glasfaserformen herstellte. Doch seine Passion galt dem Klang, insbesondere dem klassischer Musik.

Als jemand, der schon in jungen Jahren an Musikequipment herumbastelte, machte er sich zum Ziel, in seinem Haus in Richmond ein Akustikerlebnis zu schaffen, das seinesgleichen sucht. Das ist ihm, so sagen viele, in drei Jahrzehnten Arbeit auch gelungen. Ein Aufwand, der ihn nach eigener Einschätzung rund eine Million Dollar gekostet hat. Doch die wahren Kosten gehen weit darüber hinaus. Seine Obsession sorgte auch für Entfremdung in seiner eigenen Familie, wie die "Washington Post" in einem Porträt schreibt.

One Man's Dream - Ken Fritz
Documentary about a man who built his ultimate stereo system
George Rosenfeld

Selberbauer

Fritz' Vater wuchs in den USA der 1930er auf, einer Phase großer wirtschaftlicher Verwerfungen, die als Great Depression in die Geschichtsbücher einging. Von ihm hatte er auch den Do-it-yourself-Ethos geerbt. Was man selbst reparieren konnte, reparierte man. Oder versuchte es zumindest. Fritz, geboren 1942, gründete an seiner Highschool einen "Hi-Fi-Club" und arbeitete neben der Schule in einem Geschäft für Audioequipment. Seine erste große Anschaffung war das Heathkit, ein Verstärker zum Selberbauen, der 49 Dollar kostete – inflationsbereinigt heute über 600 Dollar.

Bei einer Soundmesse im Jahr 1957 traf er den legendären Musiker und Tontechniker Saul Marantz, der einige Jahre zuvor ein Autoradio zerlegt und in einen Monovorverstärker, die "Audio Consolette", umgebaut hatte. Fritz wollte ihm einen solchen abkaufen. Um sich das Gerät leisten zu können, überredete er den Betreiber seines Shops, bei Marantz einzukaufen, was ihm einen Rabatt einbrachte. Das Geld, das ihm noch fehlte, holte er mit Zusatzschichten an Samstagen herein.

Nach dem College arbeitete Fritz bei einer Firma, die Glasfaserformen herstellte. Mitte der 1970er zog er schließlich mit seiner Familie von Milwaukee nach Virginia in ein großes Einfamilienhaus in Richmond. Dort gründete er sein eigenes Unternehmen und begann sich seiner eigentlichen Lebensaufgabe zu widmen. An das Haus wurde eine Werkstatt angebaut, und weil zwischen seiner Arbeit und seinem Hobby kaum Zeit für Unternehmungen und Urlaube war, folgte ein Schwimmbecken, quasi als Kompensation an seine Frau und Kinder.

Vom Wohnzimmer zum Hörzimmer

In den 80ern wurde schließlich das Wohnzimmer auf rund 153 Quadratmeter erweitert, gehalten im "Schuhschachtelformat" von 2:1, wie man es von Konzerthallen wie jener des Wiener Musikvereins kennt. Über fünf Meter Höhe und eine mit Holz verkleidete Decke sollten ein ähnliches Akustikerlebnis schaffen. Fritz arbeitete selbst auf der Baustelle mit, um Akustikpaneele zu verlegen, die Elektrik zu planen und eine auf leisen Betrieb getrimmte Klimatisierung zu installieren, die getrennt von der im Rest des Hauses lief.

Gemeinsam mit einem ehemaligen Mitarbeiter seiner Firma baute er drei Lautsprecher, beide drei Meter hoch und über 630 Kilo schwer, bestückt mit je 24 Konustreibern und 40 unterschiedlich ausgerichteten Tweetern. "Ich glaube fest daran, dass ein Mensch, Mann oder Frau, mit 19, 20, 21 Jahren weiß, was er mit seinem Leben machen will", wird Fritz zitiert. "Und wenn man einmal auf diesem Weg ist und einem Dinge gelingen, dann ist es leicht, nach einem neuen Ziel Ausschau zu halten."

Das opulente Hörzimmer nach seiner Fertigstellung.
Vimeo/George Rosenfeld

Und diese Ziele verwirklichte er in seinem Hörraum. Das Epizentrum war der "Frankentable", ein selbst angepasster Plattenspieler im Wert von 50.000 Dollar, ausgestattet mit drei Armen, mit denen sich einer Scheibe unterschiedliche Klangbilder entlocken ließen. Eingebettet war das Gerät in eine 680 Kilogramm schwere Standfläche, darauf ausgelegt, jegliche potenziell störenden Vibrationen abzufangen. Immer weiter wurde die Technik ausgefeilt, die Lautsprecher getunt und neue Geräte hinzugefügt, ehe Fritz 2016 das Werk schließlich als vollendet betrachtete.

Das sorgte nicht nur für Aufsehen in audiophilen Kreisen. Eine Dokumentation, produziert von seinem Sohn Scott und dessen Freund, dem Filmemacher Jeremy Bircher, unter dem Titel "One Mans Dream", machte die Installation weltweit bekannt.

"Ich war nur der Bezeichnung nach ein Vater"

Erst im Alter hatte sich Fritz die Frage gestellt, ob er während der Arbeit an seinem Lebenstraum nicht mehr Zeit für die Bedürfnisse anderer Menschen hätte einräumen können. Seine erste Frau hatte zu trinken begonnen, ihn schließlich verlassen und einen neuen Partner gefunden, mit dem sie glücklich lebte. Er selbst heiratete 1995 erneut.

"Niemand wollte zu uns kommen, weil er jeden arbeiten ließ", erinnert sich seine Tochter Patty, die heute 58 ist. "Ich glaube wir fuhren einmal Campen und waren nie auf Urlaub. Es war immer Arbeit, Arbeit, Arbeit." Ähnliches ist auch von seinen anderen Kindern zu vernehmen. "Ich war nur der Bezeichnung nach ein Vater", sagte Fritz über sich selbst. "Ich war weder ein typischer Vater, noch ein typischer Ehemann."

Ken Fritz verstarb im April 2022 an den Folgen von Amyotropher Lateralsklerose.
Vimeo/George Rosenfeld

Entfremdung

Seine älteste Tochter, Betsy, kümmerte sich in seinen letzten Lebensjahren um ihn. Seine anderen zwei Töchter und sein Sohn Scott pflegten ein distanziertes Verhältnis zu ihrem Vater. Sein zweiter Sohn, Kurt Junior, hingegen blieb auch seinem 80. und letzten Geburtstag fern. Vorausgegangen war dem eine Eskalation im Jahr 2018. Kurt war auf Familienbesuch bei seinem Vater und hatte um zwei Familienerbstücke gebeten – einen Chevy Baujahr 1955 und einen alten Turntable Marke Rek-O-Kut.

Fritz wollte in der Bitte einen Tonfall unangemessenen Anspruchsdenkens vernommen haben, also schlug er sie brüsk aus. Am Abend und einige Drinks später verlautbarte sein Sohn, dass er noch etwas länger wach bleiben und Musik hören werde. Fritz, der dafür bekannt war, lange einen Groll hegen zu können, erzürnte sich darüber, dass er Nutzen aus seinem Lebenswerk und all der Arbeit dahinter schlagen wollte und schaltete die Anlage einfach aus. Kurt Jr. reagierte darauf mit einer Aussage, die die Bande zwischen ihnen bis zuletzt zerrütten sollten: "Ich will, dass du langsam stirbst, Motherfucker."

Die Worte wogen schwer, denn Kurt Fritz war erst wenige Monate zuvor Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert worden. Eine unheilbare Krankheit, die die Betroffenen nach und nach die Kontrolle über ihren Körper verlieren lässt. Das Absterben von Motoneuronen führt zu Muskelschwund und zunehmenden Bewegungseinschränkungen, bis die Betroffenen schließlich auch nicht mehr selbstständig atmen können. Fritz rief seinen Anwalt an und ließ seinen Sohn enterben.

The Million Dollar Stereo System Auction - Krell, Denon, JBL, Tannoy and more...
StereoNiche

"Als ich aufwuchs, musste ich um 6 Uhr morgens aufstehen und arbeiten", erinnert sich Kurt Jr. bitter. "Ich war praktisch sein Sklave." Vor dem Tod seines Vaters versuchte Betsy, eine Versöhnung einzuleiten. Doch Fritz wollte den Anruf seines Sohnes nicht annehmen. Als Fritz am 21. April 2022 verstarb, hatten sie seit vier Jahren nicht mehr miteinander geredet.

Verstreutes Lebenswerk

Den Hörraum von Ken Fritz gibt es heute nicht mehr. Ein alter Freund von Fritz hatte ursprünglich angeboten, das ganze Haus zu erwerben, aber schließlich einen Rückzieher gemacht. Betsy versuchte erfolglos, andere Käufer zu finden. Schließlich sah sie sich gezwungen, das Werk ihres Vaters in Einzelteilen mithilfe eines lokalen Auktionsportals zu verkaufen.

Das teils selbst gebaute Equipment spielte nur einen Bruchteil des Geldes ein, das Fritz einst investiert hatte, was auch die subjektive Natur von Klangwahrnehmung reflektiert. Die riesigen Lautsprecher gingen etwa für 10.100 Dollar an einen Verehrer von Fritz' Werk. "Das Schnäppchen seines Lebens" nannte dieser den Preis, zumal kommerziell vertriebene Highend-Lautsprecher wesentlich mehr kosten können. Was der verstorbene Tüftler über fast vierzig Jahre erbaut hatte, sollte sich letztlich für insgesamt 156.800 Dollar an verschiedene Käufer in den USA verstreuen. (red, 15.1.2024)