Für den österreichischen Verfassungsschutz ist der Fall klar: Die Identitären sind "geistige Brandstifter", die durch "hohe Gewaltbereitschaft und zahlreiche Anzeigen und Vorstrafen" in Erscheinung treten, befinden die Staatsschützer. In einer Präsentation wird aufgezählt, dass Aktivisten wegen "schwerer Gewaltdelikte bis hin zu Sexualverbrechen und Verbotsgesetz" verurteilt wurden. Es gibt auch eine hohe Waffenaffinität und Verbindungen "in die Neonazi-Szene".

Screenshot
FPÖ-Werbung auf der "Heimatkurier"-Homepage
Screenshot: Markus Sulzbacher

Inserate und Geld für Sommerfest

Das hindert FPÖ-Obmann Herbert Kickl aber nicht daran, die Gruppe regelmäßig als "unterstützenswertes Projekt" zu bezeichnen. Diese Unterstützung lässt sich seine Partei auch etwas kosten. Sie inseriert im Identitären-Zentralorgan "Heimatkurier". Aktuell sind es Banner gegen die ORF-Haushaltsabgabe. Schon in den vergangenen Jahren floss Geld von blauer Seite zu der rechtsextremen Gruppierung. So sponserte die Grazer FPÖ etwa ein Sommerfest mit 1.000 Euro.

Blick auf den Inhalt einer Präsentation
Der Verfassungsschutz über die Identitären: hohe Gewaltbereitschaft und zahlreiche Vorstrafen.
Foto: Markus Sulzbacher

Hinter dem "Heimatkurier" stehen altgediente Kader der Identitären, als Herausgeber fungiert ein eigener Verein. In Artikeln wird das Gedenken an die Opfer des NS-Terrors als "Schuldkult" verunglimpft oder vom angeblichen "Bevölkerungsaustausch" geschrieben. Die Nähe zur FPÖ ist augenscheinlich, ebenso wie rassistische Propaganda und Verschwörungserzählungen. Freiheitliche Funktionäre wie Generalsekretär Christian Hafenecker geben der Propagandaplattform Interviews, die wie ein netter Plausch unter Gesinnungsfreunden wirken.

Massenhafte Deportationen

Auffällig oft wird im "Heimatkurier" neuerdings über "Remigration" geschrieben. Was genau darunter zu verstehen ist, darüber sprach Identitären-Wortführer Martin Sellner am 25. November vergangenen Jahres in einem Hotel nahe Potsdam. Vor einigen hochrangigen Politikern der Alternative für Deutschland (AfD) und finanzstarken Unternehmern stellte er seinen "Masterplan" Remigration vor. Wie die deutsche Rechercheplattform "Correctiv" enthüllte, referierte Sellner darüber, dass man gemeinsam dafür sorgen müsse, dass es für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Deutschland unbequem werde. Und zwar explizit nicht nur für Asylwerber, sondern auch für deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Es sind rassistische Fantasien, welche die massenhafte Deportation von Menschen beinhalten.

Das Referat zeigt einmal mehr, dass Sellner einer der Wortführer der extremen Rechten im deutschen Sprachraum ist. Er gibt Themen vor, baut Netzwerke auf und sammelt Spendengelder. Welche Rolle die Identitären in Deutschland spielen, zeigt sich auch im "Heimatkurier". Darin findet sich neben deutschlandbezogenen Beiträgen auch ein Inserat eines Europaabgeordneten der AfD.

Sellner, Polizei bei einer Kundgebung
Martin Sellner gilt als einer der Wortführer der extremen Rechten in Österreich und Deutschland – hier bei einer Kundgebung vor der Universität Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Eng ist Sellner auch mit dem AfD-nahen Publizisten Jürgen Elsässer. Er schreibt für dessen "Compact-Magazin". Elsässer ist einer der lautesten Unterstützer Wladimir Putins innerhalb der extremen Rechten. In einer Rede im Sommer sagte er, dass er hoffe, dass "die Nato und vor allem die USA" eine "ordentlich auf den Sack kriegen in der Ukraine".

Norbert Hofer ging auf Distanz

Die Enthüllungen von "Correctiv" haben in Deutschland für Demonstrationen und harte Kritik an der AfD und Sellner gesorgt. Die FPÖ sah jedoch keinen Grund, sich von den Identitären und deren Wortführer zu distanzieren. Das war nicht immer so. Kickls Vorgänger als Parteichef, Nobert Hofer, wollte an Sellner und den Identitären nicht anstreifen.

Ein Grund war der Terroranschlag im neuseeländischen Christchurch im März 2019, bei dem ein Rechtsextremer 51 Menschen ermordete. Nach dem Attentat präsentierte der Attentäter ein krudes Manifest, dessen Titel "Der große Austausch“ Bezug auf eine identitäre Verschwörungstheorie zu einem angeblichen "Bevölkerungsaustausch" nahm. Kurz nach dem Terrorakt wurde bekannt, dass der Attentäter dem Identitären-Chef Sellner 1.500 Euro gespendet hatte. Daraufhin wandte sich die FPÖ von der Gruppierung ab.

Freiheitlicher Redner und Neonazis

Seit Kickl allerdings die FPÖ übernommen hat, sind Verflechtungen mit den Identitären wieder vielfältiger und enger geworden. Das zeigte sich auch bei den letzten beiden Kundgebungen, die maßgeblich von Identitären organisiert wurden. Bei ihrer sogenannten "Remigration"-Demonstration Ende Juli des vergangenen Jahres trat mit Silvio Hemmelmayr der Obmann der Freiheitlichen Jugend Oberösterreich als Redner auf.

Überhaupt sind kaum Unterschiede zwischen der FPÖ-Jugend und den Identitären auszumachen. "Gemeinsame Rhetorik, Kampagnen, Visionen. Die FPÖ-Parteijugend ist die wahre 'Nachfolge'- oder 'Tarnorganisation' der einstigen 'Identitären Bewegung' – und zwar von der Parteispitze (Kickl, Schnedlitz) nicht nur toleriert, sondern wieder und wieder explizit ermuntert", schrieb Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes treffend auf X, vormals Twitter.

Demonstrierende
Paul Dürnberger (rotes Poloshirt und gelbe Fahne in der Hand), der Chef der FPÖ Salzburg-Stadt, bei der Demonstration der Identitären.
Foto: Markus Sulzbacher

An der Demonstration im Juli nahmen neben bekannten Identitären auch militante Neonazis teil, wie Paul Dürnberger, der Chef der FPÖ Salzburg-Stadt. Aus Deutschland war Anna Leisten von der AfD-Jugend angereist, ebenso Mitglieder der "Jungen Tat" aus der Schweiz.

Kundgebung
"Heimatkurier"-Leiter und altgedienter Aktivist Philipp Huemer (links außen) bei der Kundgebung mit dem deutschen Rechtsextremen Götz Kubitschek.
Foto: Markus Sulzbacher

Als im November der rechtsextreme Publizist, AfD-Ideologe und Strippenzieher Götz Kubitschek in Wien gastierte und eine Rede vor der Universität hielt, waren Sellner und andere Identitäre zur Stelle.

Einladung ins Parlament

Zusätzlich wurde Kubitschek, der als Ziehvater der Identitären gilt, von der FPÖ ins Parlament eingeladen, um dort zu reden. Den Freiheitlichen war es egal, dass sein Thinktank Institut für Staatspolitik (IfS) vom deutschen Verfassungsschutz überwacht wird, da er "verfassungsfeindliche Bestrebungen" verfolgt.

Tumulte beim Aufritt des deutschen Rechtsextremen Kubischek in Wien.

Ende Jänner dieses Jahres will Kubitschek wieder in Österreich auftreten. Ort der Veranstaltung ist ein von Identitären genutztes Haus in Steyregg bei Linz – das dem "Heimatkurier" als offizielle Adresse dient. (Markus Sulzbacher, 18.1.2024)