Eine Start-up Gründerin erklärt ihrem Team, was sie zu tun haben.
Wer jetzt gründet, dessen Geschäftsmodell muss sich unter harten Marktbedingungen bewähren.
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Österreich ist kein Musterschüler mehr. Das musste Berthold Baurek-Karlic, Gründer der heimischen Investmentgesellschaft Venionaire Capital AG, bei einem Termin in den Vereinigten Arabischen Emiraten feststellen. Baurek-Karlic baut dort derzeit ein Tochterunternehmen auf, mit dem wachsenden Unternehmen der dortige Markteintritt ermöglicht und Kapital für hiesige Start-ups gefunden werden soll. Ein Geschäftspartner riet ihm, die österreichische Herkunft eher im Hintergrund zu halten und sich stattdessen über das englische Tochterunternehmen als britischer Akteur zu positionieren.

Der Grund: Nicht nur in Österreich und den Nachbarländern, sondern auch in der Golfregion hat man laut Baurek-Karlic von den Ereignissen rund um die Signa-Gruppe gehört. Und das Ergebnis sei ein spürbarer internationaler Vertrauensverlust in den Wirtschaftsstandort Österreich. "Zuvor hatte Österreich das Image, stabile Strukturen und eine gute Geschäftsgrundlage zu bieten", sagt er: Nun habe dieses Image stark gelitten. Und dieser Vertrauensverlust treffe auch jene Start-ups, die sich auf internationalem Parkett nach Geldgebern und Geschäftspartnern umsehen.

Wenig Spielraum in Österreich

Und das, obwohl der Blick ins Ausland für die heimischen Gründerinnen und Gründer in diesen schwierigen Zeiten immer wichtiger wird, denn hierzulande ist das Kapital eher rar. So berichtete DER STANDARD zum Jahreswechsel, dass es im Vorjahr zwar 184 Investments in heimische Start-ups gegeben habe, sogar mehr als im bisherigen Rekordjahr 2020 mit 153 Finanzierungen. Allerdings seien die Volumen um knapp ein Drittel von rund einer Milliarde Euro auf 695 Millionen Euro eingebrochen.

Die schwierige Wirtschaftslage, die Inflation und die deutlich höheren Zinsen als in den Vorjahren machen Investments in riskante Assets weniger attraktiv. Und zu diesen riskanten Anlageformen gehören definitiv Start-ups mit Geschäftsmodellen, deren Erfolgschancen oft schwer vorherzusehen sind. Das deckt sich auch mit einem Marktbild, welches Brutkasten, ein Medium mit Fokus auf heimische Gründerinnen und Gründer, auf Basis eines Rundrufs in der Community zeichnet. Viele Investoren haben eher ihren bestehenden Start-ups finanziell mit einer weiteren Geldspritze unter die Arme gegriffen, anstatt Newcomern dabei zu helfen, ihre Ideen mit ausreichend Kapital auf den Markt zu bringen.

"Survive until 2025"

Dieser Trend dürfte sich 2024 fortsetzen, wie viele Marktteilnehmer im Artikel des Fachmediums prognostizieren. "Ich befürchte, dass 2024 zumindest über weite Strecken noch nicht viel Positives zu bieten haben wird", sagt etwa Oliver Holle, Gründer und CEO der Investmentgesellschaft Speedinvest: "Viele Firmen leben noch von dem Cash, den sie Ende 2021 oder Anfang 2022 zu sehr guten Konditionen eingesammelt haben. Da wird es noch einiges an bösem Erwachen geben." Nur wenige Start-ups, die hochprofitable Geschäftsmodelle vorweisen können, könnten Wachstumsrunden abschließen, der Rest werde sich schwertun.

Auch der bekannte österreichische Business-Angel Hansi Hansmann, der unter anderem in erfolgreiche Start-ups wie Runtastic und Mysugr investiert hatte, bezeichnet das Jahr 2024 im Interview mit dem deutschen Szenemedium "Gründerszene" mit einem Wort: hart. "Weil die Krise noch nicht am Ende ist, wohl vielen Start-ups das Geld ausgehen wird und das Fundraising noch nicht leichter geworden ist", prognostiziert Österreichs bekanntester Investor.

Das Problem ist kein österreichisches, es ist international: Und so war vergangenen Herbst auf dem Web Summit in Lissabon, dem größten europäischen Event der Szene, für das Jahr 2024 ein Motto zu vernehmen, das so gar nicht zum sonstigen Berufsoptimismus vieler Gründer passen will: "Survive until 2025". Hauptsache, bis 2025 überleben.

Trendwende, aber anders

Auch Markus Raunig, Obmann des Vereins Austrian Start-ups, sieht für das laufende Jahr keine große Trendwende: "Hoffentlich müssen wir aber auch nicht länger als bis 2025 warten." Gleichzeitig bietet die Krise auch eine Chance. Und zwar erstens für die Investoren, die nun in einer guten Verhandlungsposition sind und Anteile an vielversprechenden Unternehmen entsprechend günstiger erwerben können. Und zweitens für die Start-ups selbst.

So prognostiziert Christiane Holzinger, 2023 zum "Business Angel of the Year" ausgezeichnet, im Artikel des Brutkasten, dass die Risikokapitalszene 2024 voraussichtlich ihre Strategien anpassen werde, um gezielt in resilientere und zukunftsfähige Technologien zu investieren: "In dieser Phase der Neuausrichtung sehe ich die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen und nachhaltige Innovationen voranzutreiben, die das Fundament für eine robustere Wirtschaft legen werden."

Auch Raunig und Baurek-Karlic sehen, dass gerade die wirtschaftlich schwierige Zeit eine neue Gründerzeit einläuten könne, in der frische Ideen entstehen könnten. Und die Ideen dieser neuen Start-ups würden in der Realität härter auf ihre wirtschaftliche Nachhaltigkeit getestet, da sie auch ohne Kapitalspritze profitabel werden müssten, wie Raunig erläutert.

Baurek-Karlic sieht diese Entwicklung jedoch auch kritisch: Wenn Jungunternehmen rasch Cashflow-positiv werden müssten, so würden sie eher auf konservative anstatt auf disruptive, aber riskantere Modelle setzen, meint der Investor. Und das könne auf Kosten der Innovation gehen. Österreich laufe im Gegensatz zu Hotspots wie Berlin Gefahr, für die internationale Szene an Bedeutung zu verlieren.

Big in Japan

Für die Start-ups selbst dürfte es im Überlebenskampf aber wohl entscheidend sein, ausreichend Umsatz zu generieren und die Kosten so weit zu minimieren, dass sich der Betrieb möglichst lange aufrechterhalten lässt. Für Unternehmen auf der Suche nach Finanzierung rät Baurek-Karlic, sich aktiver im Ausland umzusehen. Eines der möglichen Zielländer sei Japan. Warum? Dort ist Kapital unter anderem durch große Player wie Softbank vorhanden, man hat eine gewisse Affinität zu Österreich und schätzt die hiesige Innovationskraft. Und es ist weit genug weg, dass Begriffe wie "Signa" dort noch Fremdwörter sind. (Stefan Mey, 17.1.2024)