Tausende blinkende LEDs, Videoinstallationen, 3D-Animationen und Live-Auftritte sollen sich im Gehirn der Besucher zu einem Gefühl verfestigen: Russland ist großartig! Und Russland wird in Zukunft noch großartiger werden! Und wir alle machen das zusammen! Technisch perfekt wird ein Narrativ erzählt. Rossija, Russland, heißt die Ausstellung schlicht. Der Eintritt ist frei, über fünf Millionen Menschen waren bereits da.

Russland-Ausstellung in Moskau
Am Beginn der Ausstellung wird in Dauerschleife ein Bild projiziert: Putin im Kreis der Chefs der besetzten Gebiete in der Ukraine.
EPA/YURI KOCHETKOV

Der Ausstellungsort in Moskau ist nicht zufällig gewählt. Auf dem Messegelände WDNCh, eröffnet 1939, wurden schon zu Sowjetzeiten "Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR" gezeigt. Schon damals ein Publikumsmagnet. Daran will die jetzige Ausstellung anknüpfen. Per Dekret hatte Präsident Wladimir Putin im März die Planung angeordnet, um "die wichtigsten Errungenschaften der Russischen Föderation", "positive Erfahrungen" in der regionalen Entwicklung und "die Förderung der internationalen Zusammenarbeit" zu demonstrieren. Unmittelbar danach begannen die Arbeiten. Werben soll die Ausstellung für Kreml-Chef Putin, der im kommenden März wiedergewählt werden will. Möglichst mit überwältigender Mehrheit. Von Menschen, die stolz sind auf ihr Land, stolz auf ihren Präsidenten.

Rossija ist riesengroß geworden. 40 verschiedene Ausstellungsorte sind auf dem Messegelände verstreut. Im Hauptpavillon stellen sich die einzelnen Regionen Russlands vor. Gleich nach dem Eingang des Messegeländes gehen die Besucher durch eine Art Tunnel. Auf Wänden und Decken flimmern unablässig Videocollagen, die das moderne, das fortschrittliche Russland zeigen sollen. Am Ende des Tunnels, bevor es zur eigentlichen Ausstellung geht, wird in Dauerschleife ein Bild projiziert: Putin im Kreis der Chefs der besetzten Gebiete in der Ukraine.

Nationaler Stolz

An den Ständen zeigt sich die Macht und die Wirkung von Bildern. Russland ist reich an spektakulären Landschaften. Am Stand von Kamtschatka beispielsweise, jener Halbinsel im fernen Osten Russlands, wähnt man sich inmitten der dort aktiven Vulkane. An vielen Ständen kann man mitmachen, sich in Originaltrachten fotografieren. Sympathische Menschen, überwiegend junge Frauen, aus der jeweiligen Region schwärmen von ihrer Heimat. Probleme im neuen Russland gebe es keine, suggeriert die Ausstellung. Auch dort, wo Kohle abgebaut wird, wo der Schnee manchmal tiefschwarz vergiftet ist, zeigt sich in der Ausstellung die Landschaft als reines Wintermärchen. Schneeweiß, wilde Tiere sind zu sehen.

Bei den Besuchern kommt das an. "Die Eindrücke von dem, was ich gesehen habe, sind unglaublich. Es gefällt mir sehr", sagt eine junge Frau dem STANDARD. Und eine andere Besucherin ergänzt, die Ausstellung sei sehr informativ: "Es ist schön zu erfahren, dass es so viele interessante Orte in meinem Land gibt. Spontan habe ich den Wunsch, dorthin zu fahren." Ein "großes Dankeschön" sagt ein weiterer Besucher, "für Kinder ist es eine unglaubliche Attraktion." Kritische Stimmen gibt es auch. "Für mich persönlich ist es hier zu überfüllt, laut und ein bisschen pathetisch", meint einer. Aber auch er sagt, die Organisatoren hätten die Hauptaufgabe bewältigt, "das Publikum, einschließlich der Kinder, zu begeistern."

Interaktiver Zauber

Das Grundprinzip von Rossija ist einfach. "Interaktiv" heißt das Zauberwort. Am Stand von Rostow, einer landwirtschaftlich geprägten Region, können die Besucher auf einem virtuellen Feld Weizen ernten. Anderswo in der Ausstellung kann man als Pilot im nachgebauten Flugzeugcockpit über die Landschaft steuern. Man zeigt, worauf man stolz ist.

Am Stand der Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus etwa steht eine Art Strandbuggy in militärischer Tarnfarbe. Die Besucher, vor allem die Männer, können sich ans Steuer setzen und Selfies machen. Per Video spricht Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow. Und gleich daneben gibt es einen elektronischen Schießstand, an dem Erwachsene und Kinder auf Zielscheiben schießen können. Unter fachkundiger Anleitung.

Keine besetzten Gebiete

Prominent präsentieren sich auch die "neuen" russischen Regionen, die besetzten Gebiete in der Ostukraine. "Cherson ist eine russische Stadt", heißt es auf einem Schild, ignorierend, dass die Stadt derzeit von der Ukraine kontrolliert wird. Der Krieg ist kein Thema, wird ausgeblendet. Lieber wirbt man mit einem möglichen touristischen Potenzial der Region. Donetzk, Luhansk und Saporischschja zeigen sich nüchtern, sachlich. Umlagert sind die Stände allerdings nicht. Es gibt die Möglichkeit zu Gesprächen und kleine Geschenke. Etwa Aufkleber, auf denen "Donbass – für immer Russland" zu lesen ist. Und ins Gästebuch hat ein Besucher geschrieben: "Endlich sind wir wieder vereint!"

Wahlwerbung für Putin: Umgerechnet rund 50 Millionen Euro habe die gigantische Ausstellung in Moskau gekostet, berichtet das Online-Portal Sirena. Offizielle Zahlen zu den Kosten gibt es nicht. Bis in den April hinein wird Rossija noch zu sehen sein. (Jo Angerer aus Moskau, 16.1.2024)