Die Selbstbedienungskassen brauchen weniger Platz, was den Kundinnen und Kunden hilft, schneller ihren Einkauf zu erledigen.
APA/GEORG HOCHMUTH

Die ältere Dame vor mir taucht mit aller Ruhe die Hand in ihre Geldbörse und bringt ein paar Cent-Stücke zum Vorschein. Sie hält die geöffnete Hand mit dem Kleingeld der Kassiererin hin und bittet diese, sich doch die nötigen Münzen selbst zu nehmen. Mein linkes Auge beginnt zu zucken, weil ich es – wie immer eigentlich – eilig habe. Gäbe es doch nur eine Schnellkasse im Markt, dann wäre ich schon lange draußen.

Solche und ähnliche Gedanken gab es gestern zu einer Geschichte mit dem Thema Selbstbedienungskassen. In England hatte sich eine kleine Supermarktkette dazu entschlossen, auf diese künftig zu verzichten. Es sei im Sinne der Kundinnen und Kunden, so die Kernaussage.

Nach über 900 Kommentaren ist klar, dass das Thema auch in Österreich bewegt. Jeder hat eine Meinung dazu, warum der Trend des Do-it-yourself nicht aufzuhalten ist, und empfindet das jeweils unterschiedlich. DER STANDARD hat deshalb bei Rewe und Spar nachgefragt, welchen Einfluss diese Selbstbedienung auf den Mitarbeiterinnenstand hat, sowie bei der Gewerkschaft, wie denn die Stimmung bei den Supermarktmitarbeitern gegenüber der piependen Konkurrenz ist.

Spaßfaktor Selbstbedienung

Jeder kennt das. Immer mehr Unternehmensketten, seien es Restaurants oder Supermärkte, setzen seit Jahren auf digitale Kassen. Selbst ist der Kunde, könnte man meinen, doch nicht alle sind begeistert von dieser Entwicklung. Der Servicecharakter beim Einkauf beziehungsweise die soziale Interaktion würde darunter leiden, ist immer wieder in Foren zu lesen. Zudem seien die sich ständig ändernden Bedienfelder nicht gerade benutzerfreundlich, so ein anderer Vorwurf.

Auf der Website von Shopdirect-Online finden sich hingegen positive Aspekte zu Selbstbedienungskassen. Witzige Punkte wie "Ambiente" oder "Spaßfaktor" werden da genannt. Man habe mehr Platz als bei klassischen Kassen, und das Erfolgserlebnis, selbst Sachen eingescannt zu haben, "macht mir Spaß", sollen die Befragten gesagt haben.

Auch die anderen Punkte wie "Preis-/Tempokontrolle" oder "Innovation" scheinen ein wenig aus der Luft gegriffen. Einzig die "Zeitersparnis", Platz eins der nicht genauer definierten Umfrage, scheint valide und ist auch immer wieder in Foren als Feedback zu lesen. Die Sinnhaftigkeit der Kassen ist also unbestritten, aber wohin geht der Trend? Reden wir bald gar nicht mehr mit Menschen, wenn wir Milch und Brot einkaufen gehen?

Verfügbarkeit nach Bedarf

Bei Rewe gab es 2014 den ersten Self-Check-out (SCO) im Billa Plus an der Mariahilfer Straße. Man würde sich sehr genau anschauen, wo der Bedarf an solchen Kassen bestünde, sagt Marcus Schober, Pressesprecher von Rewe Österreich, im Gespräch mit dem STANDARD. Flughäfen und Unis seien ein guter Anhaltspunkt, um verstärkt auf SCO zu setzen. Dort, wo oftmals nur wenige Artikel gekauft werden oder auch von den Konsumentinnen und Konsumenten danach gefragt wird, würde man deshalb reagieren. Schober betont, dass keine Arbeitsplätze durch die Selbstbedienungskassen abgebaut werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden an anderer Stelle genauso gebraucht oder eben weiterhin als Begleitung für die automatisierten Kassen fungieren, beispielsweise wegen Jugendschutzkontrolle, Gutscheineinlösung, Pickerleinlösung und anderem.

Das bestätigt auch Nicole Berkmann, ihres Zeichens Unternehmenssprecherin bei Spar. "Die SCOs ersetzen nur eine oder zwei Bedienkassen, nicht mehr. Weil die Förderbänder bei den Bedienkassen mehr Platz brauchen. Das bedeutet, man spart also keine Mitarbeiter ein." Die SCOs seien auch nicht durch die Idee entstanden, Personal einzusparen, sondern man reagiere damit viel mehr auf den "allgemeinen Trend der Selbstbedienung". Berkmann: "Es gibt einfach Kunden, die wollen das gerne selber machen." Es gebe auch Kunden, die glauben, es ginge mit SCOs schneller, aber das stimmt nicht, "eine geübte Kassiererin ist immer schneller".

Bei Spar hat man aktuell SCOs an 50 von insgesamt 1.500 Standorten. Vor allem dort, wo "ausreichend Platz" ist, oder an "Hochfrequenzstandorten". Je nach Standort würden die SCOs von 25 bis 50 Prozent der Kunden genutzt werden. Bei Rewe sind es laut Schober rund 30 Prozent. In 135 Rewe-Märkten stehen aktuell 567 SCO-Kassen. Mit dem Alter, und da sind sich die beiden Unternehmenssprecher einig, hätte die Lust oder Unlust, SCOs zu bedienen, nichts zu tun. "Manche Kundinnen und Kunden fühlen sich bei den SCO-Kassen sogar wohler, weil sie dort mehr Zeit und Platz haben," sagt Schober.

Keine Beschwerden

In Österreich jammert man natürlich gern, aber bis zum Konsumentenschutz ist dieses Stöhnen über die Selbstbedienung bisher nicht vorgedrungen. AK-Konsumentenschutz-Leiterin Gabriele Zgubic betont im Gespräch mit dem STANDARD, dass man wenige Rückmeldungen von Kunden zu SCOs habe. So lange es die Wahlmöglichkeit gäbe, wird auch kein großer Aufschrei erwartet. Natürlich gibt es immer wieder E-Mails und Anrufe, dass Menschen sich ein wenig gefrotzelt fühlen, immer mehr selber machen zu müssen, egal ob Reisen selber buchen, Bankgeschäfte erledigen oder im Supermarkt die Milch selbst über den Scanner ziehen. Viele würden aber auch die Vorteile sehen, sagt Zgubic.

Die Interaktion mit Menschen sei ein Bedürfnis, und solange Personal vorhanden sei, sei diese Interaktion gegeben. Einen kompletten Verzicht auf Ansprechpartner, wie es Amazon mit den Go-Filialen versucht, sieht Zgubic kritisch. Das Konzept, Supermärkte auch ohne Kassen zu betreiben, scheint allerdings ohnehin noch nicht serienreif zu sein. Mit 1. April 2023 schloss das US-Unternehmen Amazon acht Filialen mit dem Konzept, 20 weitere bleiben allerdings bestehen. Man müsse eben schauen, bei welchen Standorten welches Konzept funktioniert, gab eine Konzernsprecherin damals gegenüber Bloomberg bekannt. Dahin soll die Reise laut Rewe und Spar aber ohnehin nicht gehen. Beide Unternehmensvertreter betonen, die SCOs seien als Ergänzung zu verstehen. Man wolle beides anbieten, weil es der Kunde auch so verlangt.

Auch die heimische Gewerkschaft GPA gibt Entwarnung zum Thema SCO. Ein Sprecher der Gewerkschaft meint, dass es durch die Verbreitung der SCOs tatsächlich keine verstärkten Kündigungen in den Branchen gab. Aus Gesprächen mit Mitarbeiterinnen weiß man, dass die Diebstahlhäufigkeit bei SCOs noch immer höher ist als bei normalen Kassen und man deshalb wohl auch weiterhin immer noch ein menschliches Auge zur Kontrolle benötige. (Alexander Amon, 16.1.2023)