Island gilt als eines der vulkanisch aktivsten Gebiete unseres Planeten: Hier kam seit dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren ein Drittel der gesamten Lava an die Erdoberfläche. Dass Island im statistischen Mittel alle vier Jahre einen großen Vulkanausbruch erlebt, überrascht also kaum.

In unmittelbarer Nähe des Fischerdorfs Grindavík brach am Wochenende ein Vulkan aus
Nicht immer muss es ein Berg sein: In unmittelbarer Nähe des Fischerdorfs Grindavík brach am Wochenende ein Vulkan aus, ...
@bsteinbekk via REUTERS/BJORN ST

Aktuell konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf die Gegend rund um Grindavík, ein Fischerdorf an der Südwestküste, rund 40 Kilometer Luftlinie südwestlich der Hauptstadt Reykjavík. Schon im Sommer 2023 brach geschmolzenes Gestein durch die Oberfläche aus, damals noch im überschaubaren Ausmaß – ein Spektakel für viele Touristen und die Inselbevölkerung.

Ausbruch nach 800 Jahren Ruhe

Die Lage verschärfte sich bald – bis die Behörden den knapp 4000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Ort Grindavík evakuieren ließen. Dies geschah in der Nacht vom 10. auf den 11. November 2023. Direkter Auslöser für die mitten in der Nacht erfolgte Notfallmaßnahme war eine Serie von Erdbeben auf der Halbinsel Reykjanes: Auf einem Areal von nur knapp 50 mal 25 Kilometern befinden sich sechs Vulkansysteme, die seit 2021 hohe Intensität aufweisen. Auf der Halbinsel hatte es seit 1240, also fast 800 Jahre lang, keinen Vulkanausbruch gegeben.

In unmittelbarer Nähe des Fischerdorfs Grindavík brach am Wochenende ein Vulkan aus
... als Lava infolge von Erdbeben durch einen Riss in der Erdoberfläche austrat. Der Ort musste evakuiert werden.
AFP/ICELANDIC DEPARTMENT OF CIVI

Zwischen November 2023 und Jänner 2024 wurde das Gebiet wiederholt von Erdbeben erschüttert, das Zentrum der seismischen Aktivität bewegte sich stetig auf Grindavík zu. Die isländische Zivilschutzbehörde sah also akuten Handlungsbedarf: Nach Expertenmeinung hat sich mittlerweile unter der Ortschaft ein sogenannter Magmatunnel gebildet. Mögliche Folge: Risse in der Erdoberfläche, die Bildung von Vulkanspalten.

Tatsächlich brach am 18. Dezember 2023 nordöstlich von Grindavík eine kilometerlange Erdspalte auf – mehr oder weniger dort, wo es im vergangenen Sommer schon einmal einen Austritt an die Erdoberfläche gegeben hatte. Kurze Zeit später beruhigte sich die Lage, und die Ortsansässigen durften nach Grindavík zurückkehren – eine, wie man jetzt weiß, voreilige Entscheidung: Am Sonntag musste der Ort erneut evakuiert werden, nunmehr haben sich solche Vulkanspalten in unmittelbarer Nähe des Ortes gebildet. Schon nach kurzer Zeit erreichte der Lavastrom den Ort und zerstörte Infrastruktur.

"Schwarzer Tag für Island"

Zivilschutzchef Vídir Reynisson geht davon aus, dass die Ereignisse des Wochenendes vermutlich nur der Beginn neuer vulkanischer Aktivitäten ein dürften. "Heute ist ein schwarzer Tag für Grindavík, und heute ist ein schwarzer Tag für ganz Island. Aber die Sonne wird wieder aufgehen", sagte Premierministerin Katrín Jakobsdóttir. Islands Bevölkerung hat indes längst gelernt, mit der "brennenden Erde" zu leben: Auf der Insel befinden mindestens 30 aktive Vulkane – wobei für Geologinnen und Geologen ein Vulkan als aktiv gilt, der innerhalb der letzten 10.000 Jahre ausgebrochen ist.

Etwas Positives hat die besondere Situation für die knapp 400.000 Menschen auf der Insel im Nordatlantik: Über 85 Prozent der Haushalte werden seit Jahrzehnten durch natürliche geothermische Wärme versorgt. Das trägt mit dazu bei, dass Island zu den Ländern mit der geringsten Umweltverschmutzung zählt. (Gianluca Wallisch, 15.1.2024)