Signa
Gesellschaften der Signa haben die Strafen für verspätete Jahresabschlüsse wohl bewusst in Kauf genommen. Über das Wettbewerbsrecht wären viel höhere Geldbußen möglich.
AFP/JOE KLAMAR
In ihrem Gastbeitrag erklären die Juristen Max W. Mosing und Rainer Schultes, welche Konsequenzen nach der verspäteten Offenlegung von Bilanzen drohen könnten.

Investoren, Gläubiger und die Öffentlichkeit müssen sich über die wirtschaftliche und finanzielle Lage großer Unternehmen informieren können. Kapitalgesellschaften sind deshalb dazu verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse zeitgerecht beim Firmenbuch einzureichen. Doch im Signa-Konzern hat man das wohl bewusst unterlassen und die Strafen in Kauf genommen.

Erhöhte Strafen

Nunmehr werden Verschärfungen bei den rechtlichen Konsequenzen diskutiert. Zuletzt schlug etwa Justizministerin Alma Zadić (Grüne) vor, die Strafen zu erhöhen. Bis dahin sind aber vor allem Mitbewerbern nicht die Hände gebunden: Bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht kann auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Abhilfe schaffen. Jeder Gesetzesverstoß im geschäftlichen Verkehr ist nämlich als "Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch" grundsätzlich auch lauterkeitswidrig. Das kann von Mitbewerbern und deren Schutzverbänden, aber auch von Arbeiter-, Wirtschafts-, Landwirtschaftskammer, vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) oder von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) mit Unterlassungsansprüchen verfolgt werden. Die säumigen Unternehmen können so dazu gezwungen werden, ihre Abschlüsse zu veröffentlichen.

Per einstweiliger Verfügung kann vor den Handelsgerichten relativ rasch ein Unterlassungstitel erwirkt werden. Wird diese Entscheidung nicht befolgt, drohen exekutionsrechtliche Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro pro Tag des Verstoßes – so lange, bis der gesetzmäßige Zustand wieder hergestellt ist.

Niedrige Schwelle

Besonders effektiv ist das auch deshalb, weil ein Unterlassungstitel nach dem UWG sowohl gegen die verletzende Gesellschaft als auch gegen die unmittelbar Handelnden, in der Regel also gegen die Geschäftsführung, erwirkt werden kann. Wird der Unterlassungstitel endgültig von den Gerichten bestätigt und besteht ein – in der Regel anzunehmendes – öffentliches Interesse, können die Klägerinnen und Kläger das Urteil auf Kosten des Beklagten in geeigneten Medien veröffentlichen lassen.

Dass Gesetzesverstöße grundsätzlich auch lauterkeitswidrig sind, ist in Österreich etwas anders als in Deutschland: Das deutsche UWG adressiert nämlich ausschließlich den Bruch wettbewerbsregelnder Normen (wozu freilich die allermeisten Gesetze zählen). In Österreich ist die Rechtsprechung noch großzügiger: Da reicht schon eine lauterkeitsrechtliche Spürbarkeit des Verstoßes. Das heißt, dass der Gesetzesverstoß zumindest geeignet sein muss, den Wettbewerb zum Nachteil der rechtstreuen Mitbewerber zu beeinflussen.

Dazu haben die österreichischen Gerichte schon ausgesprochen, dass die Offenlegung des Jahresabschlusses hauptsächlich der Unterrichtung Dritter dient, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können. "Dritter" ist demnach jeder Interessierte, insbesondere auch der Wettbewerber, welcher den Bruch der Offenlegungsverpflichtungen auch per UWG durchsetzen kann (OGH 24. 3. 2009, 4 Ob 229/08t).

Effekte auf Wettbewerb

Laut OGH liegt in der Verletzung der Offenlegungspflicht ein sonstiges unlauteres Verhalten, das geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Legen einzelne Gesellschaften ihren Jahresabschluss offen, während andere die Offenlegung verweigern, so hat dies Auswirkungen auf die Stellung dieser Unternehmen im Wettbewerb. Denn die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage kann sowohl das Verhalten der Marktgegenseite (Kunden, Lieferanten oder auch Kreditgeber) als auch jenes der Mitbewerber beeinflussen.

Die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses trifft nach den europarechtlichen Vorgaben auch die Gesellschaft selbst. Zwar kann die Gesellschaft diese Verpflichtung nur durch ihre Organe erfüllen, deren Säumnis ist jedoch ihr selbst zuzurechnen. Auch wenn Zwangsstrafen ausschließlich gegen Organe angeordnet werden können, gilt dies nach dem Wortlaut des Gesetzes "unbeschadet der allgemeinen unternehmensrechtlichen Vorschriften".

Da der Schutzzweck der Offenlegungspflicht auch die Mitbewerberinnen und Mitbewerber erfasst, kann sie daher mit dem UWG durchgesetzt werden. Schließlich sind die in der Bilanz und deren Anhang enthaltenen Informationen für die Dispositionen von Geschäftspartnern und Mitbewerbern von maßgeblicher Bedeutung. (Max W. Mosing, Rainer Schultes, 17.1.2024)