Haare zeigen oder nicht? Was hat die Bewegung #Januhairy bewirkt?
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Los ging es mit einem "Hallo, ich bin Laura, das Mädchen hinter Januhairy". Fünf Jahre ist es her, dass die Britin Laura Jackson auf Instagram ein Selbstporträt von sich hochlud. Es zeigte sie sitzend, in einem Body der Marke Ellesse. Die damals 21-Jährige hob ihren rechten Arm, zu sehen war: viel Haar in der Achsel. Im Sommer zuvor hatte sich die Britin für ein Theaterstück ihre Körperhaare wachsen lassen. Zum ersten Mal in ihrem Leben, seit sie mit zwölf begonnen hatte, sich zu rasieren, erklärte Jackson später in Interviews. Erst habe sie sich unwohl gefühlt, dann daran gewöhnt.

Jacksons Geschichte ist eine von vielen. Seit etwa einem Jahrhundert ist das weibliche Körperideal haarlos. Während Kopfbehaarung für jugendliche Attraktivität steht, gelten Stoppeln am Körper als überflüssig, unhygienisch, animalisch. So wurde die Entfernung von Körperhaar zu einem lukrativen Industriezweig. Das bewies nicht zuletzt Gilette als Langzeitpartner von Germany's Next Topmodel. Subtext der Kampagnen: Angehende Models haben sich zu rasieren. Auf öffentliche haarige Bekenntnisse wurde mit Abscheu reagiert. Wer erinnert sich nicht an die Schlagzeilen zu Julia Roberts, als sie 1999 in einem roten Kleid von Vivienne Tam Achselhaar zeigte? Oder an Cameron Diaz' Body Book, in dem sie 2014 das Rasieren des Intimbereichs infrage stellte?

Haariger Widerstand

Kein Wunder, dass sich für Laura Jackson die Entscheidung gegen die Rasur dermaßen einschneidend anfühlte, dass sie mit dem Account Janu­hairy und dem gleichnamigen Hashtag eine Widerstandsbewegung startete. Das Motto: "Ich rasiere mich nur dann, wenn ich es möchte." Bislang wurde ihr Beitrag vom 2. Jänner 2019 etwa 4000-mal gelikt und vielfach geteilt. Das Bild der Britin wurde zum Katalysator einer Bewegung, die damals an Fahrt aufnahm.

Prominente Frauen wie Amandla Stenberg, Gigi Hadid oder Paris Jackson traten auf roten Teppichen mit sichtbarem Achselhaar vor die Foto­grafen. Die öffentliche Inszenierung von Haaren in den Achseln, der Scham, im Dekolleté oder an den Beinen kam in den Zehnerjahren einem Aufbruch gleich. Seit Jacksons Posting wurde der #Januhairy populär. Junge Frauen zeigten reihenweise Körperhaare – mal froschgrün gefärbt oder mit Pailletten verziert, ein andermal natürlich und unbehandelt. In Windeseile absorbierte der Mainstream den ­Social-Media-Trend. Die US-Amerikanerin Emily Ratajkowski inszenierte sich im selben Jahr für den Titel der US-Ausgabe der Harper's Bazaar mit Achselhaar als Aktivistin einer feministischen Körperkultur. Das Bild sei als Kampf gegen tabuisiertes Körperhaar zu verstehen: "Gebt Frauen die Möglichkeit, so vielfältig wie möglich zu sein, was immer sie wollen."

Heute gilt die gepflegte Behaarung als eine akzeptiertere Spielart des glatten, kontrollierten Körpers. So werben seit einigen Jahren selbst Rasiermarken wie das US-Unternehmen Billie offensiv mit Frauen, die Körperhaare zeigen. Feministische Bekenntnisse der Body-Positivity-Bewegung sind eben auch ein Verkaufsargument.

Genau deshalb scheint das Interesse am Zurschaustellen der Körperbehaarung im Rahmen des #Januhairy abzuflauen. Laura Jacksons aktuelles Posting hat bislang müde 650 Likes geerntet, auf Tiktok wird leidenschaftlicher über den Aufregerfilm Saltburn als über unrasierte Achseln diskutiert, Model Emily Ratajkowski war zuletzt auf dem Titel der australischen Vogue mit blanken Achseln zu sehen, ein Aufruf in der Redaktion zum #Januhairy verhallt schnell. Eine nicht repräsentative private Umfrage auf Instagram ergibt: Wir begrüßen die Behaarung, wollen aber eigentlich keine Aufregung mehr darum veranstalten.

Rasierte Hygiene

Doch hat der Protest der Januhairy-Bubble etwas verändert? Die wenigen unabhängigen Statistiken über den Stand der Körperbehaarung besagen, dass nach wie vor eifrig gesugart, gewaxt, gezupft und rasiert wird – im Wiener Studio Forever Hairless beispielsweise interessieren sich ausgerechnet Frauen zwischen 25 und 30 am meisten für die dauerhafte Haarentfernung. Und sie sind nicht allein. In Deutschland entfernten sich 2021 laut dem Portal Statista 90 Prozent der weiblichen, aber auch 71 Prozent der männlichen Befragten Haare in den Achseln, dem Intimbereich und an den Beinen. Allen Unkenrufen zum Trotz scheint der haarlose Körper nach wie vor die Richtschnur. Und das zunehmend auch unter Männern. (RONDO, Anne Feldkamp, 22.1.2024)