Josef Fritzl bei seinem Prozess im Landesgericht St. Pölten im Jahr 2009
Im April wird der zu lebenslanger Haft und Unterbringung verurteilte Josef Fritzl, der mittlerweile einen neuen Namen hat, 89 Jahre alt. Ob er das Lebensjahr auf freiem Fuß beenden kann, ist noch offen.
APA / HELMUT FOHRINGER

Wien / St. Pölten – Der "Fall Fritzl", die jahrzehntelange Gefangennahme der eigenen Tochter und der gemeinsamen Kinder in einem Kellerverlies, war auch für die internationale Presse eine Sensation. Besonders die britischen Boulevardmedien schlachteten die Geschichte aus. Nun, da nach einem für Josef Fritzl, der mittlerweile seinen Namen geändert hat, positiven psychiatrischen Gutachten seine bedingte Entlassung aus der Unterbringung in den kommenden Wochen im Bereich des Möglichen scheint, laufen die Kolleginnen und Kollegen wieder zu Hochform auf. "Einer wollte wissen, ob das Haus, in das er kommt, einen Keller hat", schüttelt Astrid Wagner, Fritzls Anwältin, den Kopf.

Denn ob und wann sich für den zu lebenslanger Haft verurteilten und seit 2009 in einem forensisch-therapeutischen Zentrum Untergebrachten die Gefängnistore öffnen, steht noch gar nicht fest.

Zu unterscheiden sind bei Fritzl zwei Komponenten. Einerseits wurde er wegen Mordes durch Unterlassung – eines der im Keller geborenen Kinder starb kurz nach der Geburt – zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Gleichzeitig folgten die Geschworenen im Prozess aber auch der Einschätzung der psychiatrischen Sachverständigen Adelheid Kastner, die Fritzl zwar für zurechnungsfähig, gleichzeitig aber auch für hochgefährlich hielt. Die Folge war die "Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher", wie der Paragraf 21 des Strafgesetzbuchs damals hieß.

Einmal jährlich muss das Gericht von Amts wegen prüfen, ob die Voraussetzungen für die Einweisung oder, wie es mittlerweile heißt, strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum, noch gegeben sind. Ein Senat aus drei Richterinnen und Richtern entscheidet darüber aufgrund von psychiatrischen Gutachten und kann auch den Betroffenen selbst hören.

Entschließt man sich zu einem Ende der Unterbringung, erfolgt eine bedingte Entlassung, deren Probezeit in Fritzls Fall zehn Jahre beträgt und mit Auflagen verbunden sein kann.

Ein zu lebenslanger Haft verurteilter Verbrecher wird anschließend in den "normalen" Strafvollzug überstellt. In Österreich kann erstmals nach Verbüßung von 15 Jahren der Höchststrafe um eine bedingte Entlassung aus der Strafhaft angesucht werden. Erfolgt sie, beträgt auch hier die Probezeit automatisch zehn Jahre.

Wie sieht das Prozedere nun im Fall Fritzl aus? Seine Anwältin Astrid Wagner geht im STANDARD-Gespräch davon aus, dass er nach dem aktuellen Gutachten von Expertin Kastner, die bei ihm aufgrund seiner Demenz keine Gefahr weiterer Straftaten sieht, aus der Unterbringung entlassen wird – wann das passiert, ist aber unklar.

Problem Gebrechlichkeit

Anschließend kommt er in den regulären Strafvollzug, und es besteht die Möglichkeit einer bedingten Entlassung. Wo dieser aber verbüßt wird, ist für Wagner ebenso noch offen. Während sie ihren Mandanten für nicht übermäßig dement hält, sei er körperlich aufgrund seines Alters – im April feiert er seinen 89. Geburtstag – gebrechlich. Ob er daher in eine Krankenanstalt wie die Wilhelmshöhe oder ein privates Pflegeheim komme, werde erst entschieden, wenn es so weit sei. Der Mandant selbst halte sich jedenfalls für fit genug für ein eigenständiges Leben. Wagner rechnet mit Auflagen wie Bewährungshilfe und Psychotherapie in der zehnjährigen Probezeit.

Bedeutet eine lebenslange Haftstrafe aber nun tatsächlich eine Entlassung nach maximal 20 Jahren, wie in der Bevölkerung immer wieder vermutet wird? Mitnichten. Der in der jüngeren Vergangenheit am längsten einsitzende Häftling Österreichs verstarb 2021 nach 39 Jahren in Strafhaft an Krebs.

Juan C. verbrachte insgesamt über 50 Jahre seines Lebens im Gefängnis. Mit 29 Jahren wurde er nach einem Raubmord zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach rund zehn Jahren hinter Gittern gelang ihm 1989 der Ausbruch aus der Justizanstalt Graz-Karlau, auf seiner zwölftägigen Flucht entführte er eine Frau und vergewaltigte sie mehrmals – die Folge war eine weitere Verurteilung zu 18 Jahren Haft. Selbst das damalige Opfer setzte sich am Ende für seine bedingte Entlassung ein, die Justiz blieb aber hart.

Im Nachbarland Deutschland dauerte die längste verbüßte Strafe noch länger. Anfang 1962 wurde der Berliner Hans-Georg Neumann nach einem Doppelmord in Untersuchungshaft genommen und ein Jahr später zur Höchststrafe verurteilt. Mehrere Anträge auf eine bedingte Entlassung wurden abgelehnt, erst im Jahr 2021, also 59 Jahre nach seiner Festnahme, wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. (Michael Möseneder, 16.1.2024)