Frau feiert 100. Geburtstag
Nur ein geringer Anteil der Bevölkerung erlebt den 100. Geburtstag. Dank wissenschaftlicher Fortschritte könnte sich dieser Anteil aber erhöhen.
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Kaum ein Bedürfnis ruft so viele Scharlatane, Betrüger und Geschäftemacher auf den Plan wie jenes nach einem langen und gesunden Leben. Für die Aussicht auf zusätzliche Lebensjahre lassen sich viele Menschen auf allerhand riskante, obskure und bisweilen auch kostspielige Angebote ein. Es gibt aber auch evidenzbasierte Empfehlungen, um die Wahrscheinlichkeit für ein möglichst langes und möglichst gesundes Leben zu erhöhen.

Kürzlich stellte ein Forschungsteam des VA Boston Healthcare System im Fachblatt "American Journal of Clinical Nutrition" acht Faktoren vor, die bis zu 20 zusätzliche Lebensjahre bringen sollen. Da es sich dabei ausschließlich um Lebensstil-Entscheidungen handelt und nicht etwa genetische Faktoren, ergeben sich daraus praktische Tipps, die einem langen, gesunden Leben zuträglich sein sollen. "Wir waren wirklich überrascht, wie viel man erreichen kann, wenn man ein, zwei, drei oder alle acht Gewohnheiten als Lebensstil annimmt", sagt die Studienautorin Xuan-Mai T. Nguyen.

Acht lebensverlängernde Faktoren

Konkret nahmen die Forschenden für ihre Untersuchung, die im Vorjahr auszugsweise auch schon auf einer Konferenz vorgestellt wurde, folgende acht Lebensstil-Faktoren unter die Lupe und untersuchten in den Gesundheitsdaten von 256.816 Männern und 19.316 Frauen, welchen Einfluss diese Faktoren hatten:

Die statistischen Analysen ergaben, dass 40-jährige Männer, die alle acht Verhaltensweisen erfüllen, ihre Lebenserwartung im Durchschnitt um 24 Jahre steigern können gegenüber Männern, bei denen keiner dieser Faktoren zutrifft. Bei Frauen beträgt der Unterschied 20,5 Jahre.

Alte Bekannte

Die einzelnen Faktoren mögen zum Teil wenig überraschen. Die gesundheitsschädliche Wirkung von Rauchen und Opioiden ist etwa seit langem bekannt. Auch die positiven Effekte von pflanzenbasierter Ernährung wurden bereits vielfach nachgewiesen, zuletzt etwa in einer Zwillingsstudie. Die möglichen Gesundheitsrisiken von hochverarbeitetem Essen erfahren in der Wissenschaft immer mehr Aufmerksamkeit. Die positive Wirkung von Bewegung auf die Gesundheit ist in der Wissenschaft ebenfalls unumstritten – wenngleich noch nicht ganz klar ist, welche Empfehlungen sich daraus für eine optimale tägliche Schrittanzahl ergeben.

Doch auch wenn die einzelnen Faktoren bereits länger erforscht werden, besteht der Mehrwert der nun publizierten Studie in der Zusammenschau dieser acht Faktoren gemeinsam und der statistischen Auswirkung auf eine höhere Lebenserwartung.

Neue Wirkstoffe

Aktuell werden auch einige neue Wirkstoffe untersucht, die das Potenzial haben, die gesunde Lebensspanne um Jahre oder gar Jahrzehnte zu verlängern. Einer der Wirkstoffe, von denen bekannt ist, dass sie auf die biologischen Stoffwechselwege einwirken, ist im Arzneistoff Metformin, der seit einigen Jahren zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen ist. Es gibt Hinweise, wonach Metformin auch vorbeugend gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirken, DNA-Schäden verringern und die Zellalterung verlangsamen könnte. Inwiefern Metformin tatsächlich zu Langlebigkeit beitragen könnte, wird aktuell in einigen größeren Studien erforscht.

Ein anderer Wirkstoff, dem der kanadisch-amerikanische Mediziner Peter Attia viel Potenzial beimisst, ist Rapamycin. In seinem Buch zu Langlebigkeit, das er im Vorjahr mit Bill Gifford auf Englisch vorgelegt hat und das nun auf Deutsch erschienen ist, widmet er sich ausführlich der spektakulären Entdeckung dieses Wirkstoffs und seiner möglichen Wirkung. Laut Attia könnte Rapamycin das Potenzial haben, das Auftreten vieler Haupttodesursachen in Industrienationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes Typ 2 um Jahrzehnte nach hinten zu verschieben.

Präventiver Ansatz

Die Substanz, die in den 1960er-Jahren von Suren Sehgal in Gesteinsproben eines Vulkans auf den Osterinseln entdeckt wurde, scheint eine immunmodulierende Wirkung zu haben: Bei manchen Verabreichungsformen stärkt Rapamycin das Immunsystem, in anderen Fällen hemmt es die körpereigene Abwehr. Aus diesem Grund wird es bereits bei Organtransplantationen eingesetzt und hilft so, das Risiko, dass das transplantierte Organ vom Körper abgestoßen wird, zu verringern. Eine Studie bei Mäusen im Jahr 2009 zeigte, dass diese deutlich länger lebten, wenn ihnen der Wirkstoff verabreicht wurde. Bei weiblichen Mäusen stieg die Lebenserwartung um 13 Prozent, bei Männchen um neun Prozent. Großflächige klinische Studien zu Menschen sind noch ausständig.

Für Attia hat die Langlebigkeit zwei Komponenten: Einerseits gehe es darum, wie lange man lebe (auf Englisch "lifespan"). Andererseits gilt es die für die Lebensqualität noch bedeutendere Komponente zu beachten, nämlich wie gesund man im Alter sei ("healthspan"). Um beide Ziele zu erreichen, plädiert Attia dafür, der Prävention von chronischen Erkrankungen noch mehr Stellenwert einzuräumen als bisher. Es brauche einen "Paradigmenwechsel" in der Medizin, "der unsere Bemühungen auf die Vorbeugung chronischer Krankheiten und die Verbesserung unserer Lebenserwartung richtet – und zwar jetzt, anstatt zu warten, bis die Krankheit bereits Fuß gefasst hat".

Rekordhalterin mit 122 Jahren

Auch die Statistik legt eine Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung aufgrund der bisherigen medizinischen Fortschritte nahe: Vor einigen Monaten sorge ein US-Forschungsteam für Aufsehen mit einer Publikation im Fachjournal "Plos One", in der es feststellte, dass die Höchstgrenze für die menschliche Lebenserwartung noch nicht annähernd erreicht sei. Demnach könnte die bislang älteste Frau der Welt, Jeanne Calment – die Französin ist 1997 im Alter von 122 Jahren gestorben –, schon bald von ihrem Stockerlplatz verdrängt werden.

Die statistischen Analysen ergaben, dass jene Jahrgänge, die am stärksten von Verbesserungen der Lebensbedingungen profitieren, erst jetzt in ein hohes Alter kommen. Damit sollten zumindest rein rechnerisch einige Menschen, die vor 1950 geboren wurden, in den kommenden Jahrzehnten neue Rekorde bei der Lebenserwartung aufstellen können.

Klimatische Einflüsse

In Österreich liegt die Lebenserwartung für Männer nach den aktuellsten Daten der Statistik Austria von 2022 bei etwa 79 Jahren, für Frauen bei knapp 84 Jahren. Im kürzlich publizierte Gesundheitsbericht 2022 zeigte sich, dass Frauen und Männer in Österreich seit 2005 um durchschnittlich zwei bis drei Jahre länger leben. Im Vergleich zu 1991 haben sie sieben bis zu acht gesunde Lebensjahre mehr.

Was den positiven Trend bei der Langlebigkeit allerdings bremsen oder gar umkehren könnte, sind die Klimakrise und ihre Folgen. Einer Studie im Fachjournal "Plos Climate" zufolge könnte der Klimawandel Menschen durchschnittlich etwa sechs Monate an Lebenszeit kosten. Die Ergebnisse sind noch mit Vorsicht zu genießen, aktuell werden noch Daten zur weltweiten Durchschnittstemperatur geprüft, auf denen die Analyse basiert. Dennoch zeigt die Arbeit einen wichtigen Aspekt auf, indem sie darstellt, wie steigende Temperaturen negativ Einfluss auf Gesundheit und Lebenserwartung nehmen könnten. (Tanja Traxler, 28.1.2024)