Konrad "Conny" Wilczynski: "Grundsätzlich ist der Mannschaft nach zwei solchen Partien alles zuzutrauen."

Mannheim – Beim Einzug in die Hauptrunde der Handball-EM in Deutschland haben Österreichs Männer Geschichte geschrieben. Aufgestiegen war man bereits mehrmals, nie aber in derart beeindruckender Manier. In einer der schwersten Vorrundengruppen holten Mykola Bilyk und Co zwei Remis gegen die Weltklasseteams Kroatien und Spanien, Letztere warf man am Dienstag sogar aus dem Turnier.

Am Mittwoch übersiedelt die Auswahl in die 20.000er-Arena von Köln, wo man weiter im Zweitagesrhythmus ab Donnerstag in Hauptrundengruppe 1 auf Ungarn, Gastgeber Deutschland, den siebenfachen Welt- bzw. dreifachen Europameister Frankreich und Island trifft. Zuvor sprach der STANDARD noch mit Ex-Teamspieler Konrad "Conny" Wilczynski über Erfolge und Aussichten.

STANDARD: Hand aufs Herz, hatten Sie nach dem Unentschieden gegen Kroatien und dem physischen und psychischen Aufwand, der dafür nötig war, wirklich die Hoffnung, dass auch gegen Spanien etwas möglich ist?

Wilczynski: Auch wenn selten zwei derartige Topleistungen in zwei Tagen gelingen, war bei mir doch der Gedanke an eine Sensation da. Einerseits weil Spanien doch etwas geschwächelt hat und nach der Niederlage gegen Kroatien vielleicht erstmals bei einer Endrunde so früh unter Druck stand. Andererseits weil das Vertrauen in die eigene Stärke unsere Mannschaft auszeichnet. Sie haben gewusst, dass es noch einmal gehen kann.

STANDARD: Wie ist dieses Remis gegen den Vizeeruropameister, der Aufstieg in die Hauptrunde der EM, jetzt einzuordnen, auch über den Handball hinaus?

Wilczynski: Das ist ist zweifellos eine der größten Sensationen, die es im österreichischen Teamsport je gegeben hat. Vor allem dass solche Spiele innerhalb so kurzer Zeit gegen zwei Topnationen gelingen, ist herrausragend.

STANDARD: Österreich hatte schon öfter sehr gute Handballnationalmannschaften. Was zeichnet die aktuelle Mannschaft besonders aus?

Wilczynski: In dieser Truppe ist ein neuer, guter Spirit. Die Altersstruktur ist gut, sie sind nicht zu jung, die Mischung passt einfach. Dazu kommt, dass viele in großen, ja zum Teil in den besten Vereinen Leistungsträger sind. Dazu sind sie im Kern seit 2020, seit der Heim-EM, zusammen, also lange genug. Es spielt viel zusammen: der Wille, der Glaube, das Spielkonzept.

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STANDARD: Welche Rolle spielte gegen Spanien Coach Ales Pajovic?

Wilczynski: Man kann schon sagen, dass der Trainer auch seinen besten Tag erwischt hat. Er hat in jeder Situation das Richtige gemacht, alles seine Maßnahmen haben gegriffen. Er war über die ganzen 60 Minuten ein enormer Rückhalt.

STANDARD: In der Hauptrunde warten, beginnend mit Ungarn am Donnerstag, ausschließlich weitere Kaliber – Gastgeber Deutschland, Olympiasieger Frankreich, Island. Was ist Österreichs Mannschaft noch zuzutrauen?

Wilczynski: Grundsätzlich ist ihr nach zwei solchen Partien alles zuzutrauen. Eine Challenge ist es, nicht in den Zufriedenheitsmodus zu verfallen, hungrig zu bleiben. Die größere Herausforderung ist aber, das nötige körperliche Level zu halten. Nach zwei, drei solchen Spielen ist es normal, dass es abfällt. Dazu müssen unsere absoluten Leistungsträger mehr spielen. Vielleicht muss man jetzt sogar bewusst eine schwächere Leistung in Kauf nehmen, um einmal mehr durchwechseln zu können.

STANDARD: Besteht nicht Gefahr, dass die Euphorie bei den weniger handballaffinen Sportinteressierten abfällt, wenn nach diesen beiden sensationellen Unentschieden Niederlagen folgen?

Wilczynski: Ja, aber man muss das den Leuten immer und immer sagen: Selbst wenn man jetzt verlieren sollte, ist das, was war, schon ein riesiger Erfolg. Ins Halbfinale zu kommen wird sicher kaum möglich sein. Aber zwei, drei Punkte sind vielleicht noch drinnen.

Ja so ein Tag, so wunderschön wie Dienstag.
EPA

STANDARD: Können diese Vorstellungen gegen Kroatien und Spanien und vielleicht noch folgende starke Vorstellungen in der Hauptrunde eine Art Boom auslösen?

Wilczynski: Es ist eine zweite Chance für den Handball. Die erste, nach der Heim-EM, hat auch Corona zunichtegemacht. Da war die Türe wieder zu.

STANDARD: Sie mussten als Geschäftsführer den Rückzug von SG Insignis Westwien aus der Handballliga Austria verkünden. Ihre Mannschaft trat als Meister ab. Macht Ihnen diese EM-Mannschaft wieder Hoffnung, auch für den Ligahandball?

Wilczynski: Erfolge können viel bewirken, aber der Sport hat seine Hausaufgaben meistens gut erledigt. Es muss auch in anderen Bereichen funktionieren, auf die der Sport, der bei uns leider sehr oft nur ein Beiwagerl ist, kaum Einfluss hat. (Sigi Lützow, 17.1.2024)