Väter sollen sich auch in Frankreich stärker in die Nachwuchsbetreuung einbringen.
IMAGO/Xinhua

Sie waren der Stolz der Nation – all jene Französinnen, die Kinder und Vollzeitjob scheinbar spielend miteinander vereinbarten. Bis ins Ausland kannte man das Bild der eleganten, nur leicht gestressten Pariserin, die abends im Smart vor der Kinderkrippe vorfährt und ihren Sprössling abholt, während sie mit dem Handy am Ohr gerade die letzten beruflichen Anweisungen gibt.

Der Schein trügt. In diesen Bildern drückt sich nicht so sehr die große Frauenbefreiung Frankreichs aus, sondern eine bewusste Geburtenpolitik wegen des hohen Blutzolls der beiden Weltkriege: Französinnen können ihren Nachwuchs schon im Alter von drei Monaten in die Krippe geben, um weiter arbeiten zu können. Und zwar Vollzeit – bis heute ist Teilzeit in Frankreich wenig verbreitet.

Gründe für den Rückgang

Mit tatkräftiger Hilfe des Staates sorgten die Französinnen damit jahrzehntelang für die höchste Geburtenrate Kontinentaleuropas; nur Irland lag höher. Noch heute bringen sie – dank einer Geburtenrate von 1,68 – etwas mehr Kinder als ihre EU-Nachbarinnen auf die Welt. Doch die Zahl der Geburten geht auch in Frankreich zurück. 2023 ist sie um fast sieben Prozent auf 678.000 eingebrochen, wie das Statistikamt Insee diese Woche bekanntgemacht hat. Vor einem Jahrzehnt hatte sie noch bei knapp 900.000 gelegen.

Die Demografen haben durchaus Erklärungen für diesen "Baby-Blues", wie ihn Pariser Medien nennen:

- Wie überall realisieren Französinnen ihren Kinderwunsch immer später. Nur noch die über 40-jährigen Frauen gebären häufiger als früher; wer jünger ist, verzichtet öfter als bisher auf eine Schwangerschaft.

- Oft geben finanzielle Überlegungen den Ausschlag. Frühere Präsidenten, darunter sogar der Sozialist François Hollande, hatten das Kindergeld in mehreren Schritten reduziert. Das wirkte sich in Frankreich, wo die Löhne gering sind und man genau rechnen muss, offenbar massiv aus. Dazu kommt heute die Inflation, wie die Demografin Sylvie Le Minez erklärt. Und damit vielleicht auch die Angst vor Kriegen und Klimakatastrophen.

- Mit ein Grund ist die abnehmende Fruchtbarkeitsrate: Ein Viertel der französischen Paare vermag seinen Kinderwunsch heute nicht mehr zu erfüllen. "Die Unfruchtbarkeit der Männer, aber auch der Frauen hat in den letzten Jahren stark zugenommen", sagte auch Emmanuel Macron am Dienstagabend bei einem Fernsehauftritt zu aktuellen Themen. "Viele Paare leiden darunter."

"Demografische Aufrüstung"

Der französische Präsident verspricht Abhilfe mit einem "großen Plan" aus medizinischer und sozialer Hilfe. Das ist nur ein Aspekt der "demografischen Aufrüstung", die Macron ausruft. In erster Linie will er seinen Landsleuten die Entscheidung für die Elternschaft mit einer grundlegenden Umlagerung der Finanzhilfen erleichtern. Der 1977 eingeführte Elternurlaub wird als zu wenig effizient aufgehoben. Nicht einmal ein Prozent der Männer und ein Viertel der Frauen nehmen ihn in Anspruch. Er kann zwar bis zu drei Jahre dauern, wird aber nur mit 429 Euro im Monat abgegolten.

Macron will die Dauer nun auf sechs Monate verkürzen, die damit verbundene Finanzhilfe aber massiv aufstocken. Das entspreche der Entwicklung der Gesellschaft, begründete der Staatschef: Männer sollten ebenfalls Kinderurlaub beziehen können, um die Last der Babybetreuung besser auf beide Elternteile aufzuteilen. Die linksliberale Zeitung "Le Monde" kommentierte am Mittwoch, diese Änderung bedeute letztlich "das Ende des französischen Demografiemodells". (Stefan Brändle aus Paris, 17.1.2024)