Abtreibung ist weltweit ein emotionalisierendes Thema. In Andorra wird eine Abtreibung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zweieinhalb Jahren belegt.
PA/AFP/KENA BETANCUR

Die Frauenrechtlerin Vanessa Mendoza Cortés wurde am Mittwoch vom Strafgericht in Andorra freigesprochen. Die Richter weisen damit die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft und Regierung zurück, nach der sich die Vorsitzende der Organisation Stop Violències (Stoppt Gewalt) "einem Verbrechen gegen das Ansehen der Institutionen" schuldig gemacht haben soll. Die Sozialpsychologin hatte im Namen von Stop Violències im Oktober 2019 auf einer Konferenz der Uno zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Cedaw) teilgenommen, die regelmäßig überprüft, inwieweit einzelne Länder eine Antidiskriminierungspolitik umsetzen. Mendoza legte einen Bericht vor, in dem ein besserer Schutz von Frauen und Mädchen gefordert wird.

Hauptaugenmerk richtete Mendoza auf das absolute Abtreibungsverbot in Andorra. Im kleinen Fürstentum in den Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich ist ein Schwangerschaftsabbruch selbst bei schwerer Missbildung des Fötus oder bei Schwangerschaft nach Vergewaltigung untersagt. Das gilt selbst für minderjährige Vergewaltigungsopfer. Andorranerinnen reisen, um einer ungewollten Schwangerschaft ein Ende zu setzen, meist nach Frankreich oder Spanien. Die Intervention kostet in Privatkliniken bis zu 8.000 Euro. Stop Violències, die einzige Organisation in Andorra, die sich des Themas der unterschiedlichen Formen sexueller Gewalt gegen Frauen annimmt, setzt sich seit 2016 für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ein.

Abtreibungsverbot in Andorra

"In Andorra sagt man einem Mädchen, wenn es vergewaltigt wird, dass es keine Abtreibung durchführen kann", erklärte Mendoza. Die Behörden würden die minderjährige Schwangere auffordern, das Kind auszutragen und zur Adoption freizugeben. Dies wurde Mendoza von der Staatsanwaltschaft als Rufschädigung gegen die Beamte der Sozialbehörden ausgelegt. Die Staatsanwaltschaft forderte 12.000 Euro Strafe und sechs Monate Verbot öffentliche Ämter auszuüben. Das Gericht wollte dem jetzt nicht folgen und sprach Mendoza frei. "Frau Mendoza diskutierte vor besagtem internationalen Organismus Fragen von allgemeinem Interesse, ohne dabei auf bestimmte Beamte oder Würdenträger Bezug zu nehmen", deshalb gebe es "keinerlei Anlass für eine Strafe", heißt es in der 13-seitigen Urteilsbegründung, die am Mittwoch von den Richtern öffentlich verlesen wurde.

Das Verfahren, das am vergangenen 4. Dezember stattgefunden hatte, sorgte weit über die Grenzen des Pyrenäenstaates hinaus für Aufsehen. Menschen- und Frauenrechtsorganisationen wie Amnesty International, das Center for Reproductive Rights sowie Women's Link haben sich für Mendoza eingesetzt. Sie fordern die Abschaffung des Artikels 325 – "Verbrechen gegen das Ansehen der Institutionen" –, auf den sich die Staatsanwaltschaft stützte. Die Menschenrechtsorganisationen sowie die Verteidiger von Mendoza sahen in der Klage den Versuch, die freie und kritische Meinungsäußerung einzuschränken.

Mendoza, die zur Urteilsverkündung ein Shirt mit der Aufschrift "Abtreibung ist normal" trug, zeigt sich über das Urteil zufrieden. Dank des Verfahrens sei es gelungen, "Andorra auf die globale feministische Agenda zu setzen". Außer Malta hat kein anderes europäisches Land ein so restriktives Abtreibungsrecht wie Andorra. (Reiner Wandler aus Madrid, 17.1.2024)