Einkäufer, die jeweils eine Einkauftasche von Abercrombie & Fitch in der Hand halten.
Junge Männer mit nackten, durchtrainierten Oberkörpern zierten über Jahre hinweg Einkaufstaschen und riesige Plakate. Nach Kritik und Umsatzeinbrüchen folgte der Imagewechsel.
REUTERS/Benoit Tessier

Die schwerwiegenden Anschuldigungen, die die BBC Ende vergangenen Jahres gegen Abercrombie & Fitch (A&F) und dessen ehemaligen CEO erhob, ziehen weitere Konsequenzen nach sich. Neben mehreren Zivilklagen ermittelt nun auch das FBI. Es geht um Vorwürfe des Missbrauchs, der Nötigung, der sexuellen Ausbeutung.

Im Zentrum des mutmaßlichen Geschehens: der ehemalige CEO von A&F, Mike Jeffries. Der Modemogul soll gemeinsam mit seinem Partner Matthew Smith über Jahre exklusive Events veranstaltet und dabei dutzende männliche Models missbraucht haben. Die Herangehensweise sei systematisch gewesen, so die BBC, "eine gut geölte Maschinerie" samt Mittelsmännern.

Damit ist neben Jeffries selbst auch A&F in die Anschuldigungen verwickelt, schließlich habe die Modemarke dem Ex-CEO "ungehinderten Zugang" zu Ressourcen ermöglicht, um sein "kriminelles Unternehmen" zu unterstützen, zitierte die BBC aus Gerichtsdokumenten. Jeffries’ Wirken hat damit ungeahnte Nachwirkungen, selbst knapp zehn Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Modemarke, zu der auch Hollister gehört.

Seine Handlungen waren über Jahre hinweg von enormem wirtschaftlichem Erfolg geprägt – aber auch von Kritik. Dabei war seine Funktionsperiode im Hinblick auf das langjährige Bestehen von A&F eigentlich sehr kurz. Ein kurzer Blick in das Auf und Ab der berühmt-berüchtigten Modemarke:

Bikinis statt Angelzubehör

Sind es in den Anfangsjahren ab 1892 vor allem Angelzubehör, Sportwaren und Zelte, die David Abercrombie in seinem Manhattaner Fachgeschäft verkauft, bekommt das Unternehmen mit dem Manager Ezra Fitch eine neue Ausrichtung – aus Abercrombie Co wird Abercrombie & Fitch. Streitigkeiten über die Erweiterungspläne sorgen jedoch dafür, dass David Abercrombie seine Anteile an Fitch veräußert. Dieser setzt seine Vision in den Folgejahren in die Praxis um, erweitert die Produktpalette um Damenbekleidung, Schuhe, Kameras und asiatische Gesellschaftsspiele.

Über mehrere Jahrzehnte läuft das Geschäft wie geölt, weitere Läden in Kalifornien, Florida und New Jersey werden eröffnet. 1976 aber folgt der erste große Rückschlag.

Fitch schickt das Unternehmen in Insolvenz, übernommen wird es von einem auf Jagdbekleidung spezialisierten Versandgeschäft namens Oshman’s Sporting Goods, zehn Jahre später wird es an Limited Brands von Milliardär Leslie Wexner weitergereicht. Mit dem Verkauf folgt eine nachhaltige Strategieänderung, der Fokus wird auf eine jüngere Zielgruppe verlegt.

1992 steigt schließlich Michael "Mike" Jeffries ein, der die Marke nachhaltig prägen sollte. Spätestens mit Börsengang und Emanzipation von Wexners Limited Brands 1996 steigt auch der Einfluss Jeffries’, der A&F zur hippen Modemarke macht. Wer in den 90ern und 2000ern cool sein will, trägt Kleidung von A&F.Kritik zieht Jeffries aber immer wieder auf sich, etwa mit Push-up-Bikinis und Stringtangas für Kinder.

Michael
Michael "Mike" Jeffries im Juni 2007, damals noch CEO von Abercrombie & Fitch.
IMAGO/USA TODAY Network

Jahre der Skandale

Mehrmals wird er mit Rassismus- und Diskriminierungsvorwürfen konfrontiert. So wird kritisiert, im Unternehmen würden fast ausschließlich Weiße arbeiten; auch seine Aussage, die Kleidung sei nur für "coole, gut aussehende Personen", stößt auf irritierte Gesichter.

In der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts reiht sich ein Skandal an den anderen: Mitarbeiter würden faktisch unter dem Mindestlohn bezahlt, Bewerber und Kundinnen diskriminiert, 2009 wird A&F in die Hall of Shame des International Labor Rights Forum aufgenommen.

Ein Ende der Skandale aber ist selbst danach vorerst nicht in Sicht. Nach weiteren Jahren negativer Schlagzeilen und rückläufiger Umsätze verlässt Jeffries 2014 schließlich das Unternehmen – und hinterlässt es in angeschlagenem Zustand und mit einer saftigen Auszahlung.

Ein längerfristiger Einbruch des Börsenkurses folgt, das Modeunternehmen kämpft mit seinem freizügigen Image und der Vermittlung unrealistischer Schönheitsideale.

Inklusion statt Exklusivität

Angeführt von Neo-Chefin Fran Horowitz und ohne Jeffries an der Spitze gelingt die Kehrtwende. Unprofitable Filialen werden geschlossen, das Marketing bekommt einen neuen Anstrich. Das neue Motto lautet Inklusion statt Exklusivität, angesprochen werden sollen damit allen voran junge Erwachsene.

Der wirtschaftliche Aufschwung lässt nicht lange auf sich warten, 2018 markiert mit einer Milliarde Dollar Umsatz im Onlineverkauf einen Meilenstein. A&F trotzt der Pandemie und den Lieferkettenproblemen – erst mit der Teuerung geht es erstmals wieder merklich bergab. Von Dauer ist aber auch diese Krise nicht, 2023 dringt der Aktienkurs in neue Sphären vor, die Umsätze ziehen ebenso an.

Statt Produkten verkauft A&F nun einen Lifestyle, vom Image der 2000er ist kaum etwas übrig. Einzig die neuen Vorwürfe werfen einen Schatten aus der Vergangenheit. (Nicolas Dworak, 18.1.2024)