Bei Angriffen in der Region Charkiw in der Ostukraine wurden viele Gebäude zerstört. In den vergangenen Tagen sind dort auch dutzende Menschen ums Leben gekommen.
APA/AFP/UKRAINIAN EMERGENCY SERVICE/HANDOUT

Die Unterbrechung dauerte nicht lange an, aber wie die russische Nachrichtenagentur Tass vermeldete, musste der Flugverkehr am Flughafen Wnukowo in Moskau am Donnerstagvormittag kurzzeitig unterbrochen werden. Grund dafür war wohl, wie schon oft zuvor, Gefahr aufgrund möglicher ukrainischer Drohnen. Bereits wenige Stunden zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium bekanntgegeben, dass ukrainische Drohnen Gebiete um Moskau und auch St. Petersburg erreicht hätten. Gegen 1.30 Uhr in der Nacht habe die russische Luftabwehr jeweils eine Drohne in den Gebieten der zwei Großstädte abgefangen. Auch der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin hatte per Telegram angegeben, dass eine Drohne mit Kurs auf Moskau abgeschossen worden war.

Zum Angriff in Sankt Petersburg kursierten unterdessen unterschiedliche Angaben. Die ukrainischen Behörden erklärten am Donnerstag, dass es bei dem Angriff einen "bestätigten Treffer" gegeben habe. Es sei Teil einer "neuen Phase", denn bisher hatten Drohnen die Region nicht erreicht. Moskau widersprach allerdings. Die Drohne hätte zwar einen russischen Ölterminal zum Ziel gehabt, diesen aber verfehlt.

22 von 33 Drohnen abgeschossen

Gleichzeitig gab die ukrainische Luftabwehr bekannt, dass sie in der Nacht auf Donnerstag 22 von 33 russischen Drohnen abschießen konnten. Die Drohnenangriffe galten demnach vor allem Regionen im Osten und Süden des Landes. Aber auch mit Raketen ging Russland erneut vor: in der hart umkämpften Region Charkiw in der Ostukraine. Vom russischen Gebiet Belgorod aus sei dorthin eine Rakete abgefeuert worden. Der dortige Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow gab an, dass die russische Flugabwehr wiederum zehn ukrainische Raketen abgeschossen habe. Dabei sei eine Frau verletzt worden. Bereits am Mittwoch hatten russische Raketen einen Ort nahe der Stadt Charkiw getroffen, dabei sei eine Person getötet worden. Und schon am Dienstag waren 17 Menschen bei Angriffen verletzt worden, am Montag waren gar 60 – hauptsächlich ausländische – Söldner getötet worden.

Während der Krieg in der Ukraine somit brutal weitergeht, warben Vertreter der ukrainischen Regierung beim Weltwirtschaftsforum in Davos um weitere Unterstützung für das angegriffene Land. Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte Verzögerungen und langwierige Debatten über Hilfen im Westen: "Jeden Tag, den ihr hier diskutiert, stirbt jemand in der Ukraine“, sagte er in der Schweiz. Kiew bräuchte dringend Flugzeuge, Raketen und Abfangjäger. "Wer den Himmel kontrolliert, bestimmt das Ende des Kriegs", so der Chefdiplomat.

Optimismus aus den USA

Aus den USA kamen am gleichen Tag aufmunternde Worte: Die US-Sonderbeauftragte für den Wiederaufbau der Ukraine, Penny Pritzker, zeigte sich in Davos optimistisch, dass die USA ihren Verpflichtungen nachkommen würden, wie sie formulierte. Aufgrund innenpolitischer Querelen hat das Land bisher Hilfen in der Höhe von fast 60 Milliarden Euro für die Ukraine nicht freigegeben. Der politische Prozess sei in einem Wahljahr eben kompliziert "und manchmal hässlich und chaotisch“, so Pritzker. US-Präsident Joe Biden hat sich am Mittwoch mit den Spitzen beider US-Großparteien im Kongress getroffen. Die Republikaner sperren sich ja gegen die Auszahlung der Hilfen. Biden sei nach den Verhandlungen "ermutigt", hieß es aus dem Weißen Haus.

Unterdessen versuchte Präsident Selenskyj, weiter Kampfeswillen zu zeigen. Er rief die Ukrainer und Ukrainerinnen dazu auf, selbst die Initiative zu ergreifen: "Die Ukraine braucht eine ehrgeizige und proaktive Perspektive, damit die Initiative bei uns liegt und nicht beim Feind, damit das Ende des Krieges von ukrainischen Aktionen abhängt", sagte er in seiner nächtlichen Videoansprache. „Die Welt unterstützt diejenigen, die eine Perspektive haben."

Größtes Manöver seit 1989

Indes will die Nato für ein Großmanöver zur Abschreckung Russlands rund 90.000 Soldaten mobilisieren. Das wurde am Donnerstagnachmittag am Rande eines Treffens von militärischen Spitzenvertretern des Verteidigungsbündnisses in Brüssel bekannt. Die im Februar beginnende Übung namens "Steadfast Defender" wird damit die größte Nato-Übung seit dem Ende des Kalten Krieges 1989. Trainiert werden soll insbesondere die Alarmierung und Verlegung von nationalen und multinationalen Landstreitkräften.

Szenario der Übung ist ein russischer Angriff auf alliiertes Territorium, der zum Ausrufen des sogenannten Bündnisfalls nach Artikel 5 des Nato-Vertrags führt. Letzterer regelt die Beistandsverpflichtung in der Allianz und besagt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Alliierte als ein Angriff gegen alle angesehen wird.

Die bisher größte Nato-Übung seit dem Ende des Kalten Krieges war 2018 mit Schwerpunkt in Norwegen organisiert worden. An ihr waren rund 51.000 Soldaten beteiligt. (Anna Sawerthal, APA, 18.1.2024)