Bryce Bennett in der Luft, im Hintergrund der Zielraum und der Ort Kitzbühel.
Die Streif braucht Mut im Überfluss.
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Es mag an der legendären zweiten Kitzbüheler Lautverschiebung liegen, aber "Streif" ist – mit Verlaub – ein völliger Schwachsinn. Der Bauer, der die Alm einst bewirtschaftet hat und nach dem die Piste benannt ist, hieß nämlich "Straiff". Einige werden nun behaupten, das sei doch ziemlich egal und eine Reiterei auf dem i-Tüpferl, womit sie recht haben. Es muss trotzdem gesagt werden.

Der erste Abfahrtslauf in Kitzbühel fand 1906 statt, den ersten Sieg beim Hahnenkammrennen holte sich, das ist Tiroler Allgemeinwissen, der Tapezierer Ferdl Friedensbacher 1931. In 4:34,2 Minuten. Gefahren wurde übrigens auf der "Fleckalm", erst sechs Jahre später kam die Streif zum Zug. Thaddäus Schwabl gewann, und ein Mythos war geboren – um fortan befeuert zu werden. Der Tourismus braucht Futter.

Angst

Ob es sich um die schwierigste Skiabfahrt der Welt handelt, sei dahingestellt, die Einheimischen bestehen darauf. Die Fahrer sind uneins, Wengen ist aufgrund der Länge anstrengender, Bormio technisch komplizierter. Kitzbühel mag angsteinflößender sein, und die wahren Abenteuer finden immer noch im Kopf statt. "Ich hatte durchaus Todesangstgefühle", sagte Stephan Eberharter über sein Streif-Debüt im Jahr 1991. Fritz Strobl sah es später so: "Ich hatte die Hose voll." Hermann Maier wiederum irritierte, als er 1999 sagte: "Das soll die schwerste Abfahrt der Welt sein? Da geht es doch zweimal bergauf." Er entging knapp einer Klage des Kitzbüheler Skiklubs.

Der Start befindet sich auf 1665 Meter Seehöhe, das Ziel auf 805, die Höhendifferenz beträgt also 860 Meter, die durchschnittliche Neigung 27 Prozent, die maximale 85. Die mehr oder weniger angsteinflößenden Abschnitte heißen Mausefalle, Karussell, Brückenschuss, Alte Schneise, Seidlalm, Lärchenschuss und Hausberg samt Kante. 3,312 Kilometer sind die Fahrer unterwegs, manche stürzen davor, Karrieren werden beendet.

153 km/h Rekordgeschwindigkeit

Fritz Strobl benötigte 2002 nur 1:51,57 Minuten, das ergab einen Schnitt von 106,5 km/h. Michael Walchhofer erreichte 2006 im Zielhang 153 km/h. Rekordsieger ist der Schweizer Didier Cuche mit fünf Abfahrtserfolgen, hinzu kommt einer im Super-G. Der Gewinner kassiert 100.000 Euro, und sein Name wird auf einer der roten Gondeln in Kitz verewigt. Das gilt freilich auch für den Ersten im Slalom am Ganslernhang. Was dem Mythos Streif – oder doch Straiff – aber keinen Abbruch tut. (Christian Hackl, 18.1.2024)