In diesen Tagen hat die israelische Militärführung erklärtermaßen eine neue Phase in ihrer Kriegsführung gegen die Hamas im Gazastreifen eingeleitet und konzentriert sich nun auf den südlichen Gazastreifen. Dorthin waren in den ersten Wochen seit Beginn der konzentrierten Bodenoffensive in Gaza-Stadt im Norden des Gebietes hunderttausende Menschen geflüchtet – unter ihnen wohl auch eine große Anzahl von Kommandanten und Kämpfern der palästinensischen Terrororganisation. Auf diese macht Israel nun Jagd.

Panzer im südlichen Gazastreifen
Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben die Schwerpunkte ihrer Operationen in den südlichen Gazastreifen verlegt.
APA/AFP/JACK GUEZ

Die israelische Luftwaffe flog, diesen Vorgaben folgend, am Freitag mehrere Angriffe auf Ziele im Süden des Gazastreifens. Laut Augenzeugen und dem lokal vertretenen Roten Halbmond (die muslimische Entsprechung des Rotes Kreuzes) hat es neben Luftangriffen auch Artilleriebeschuss auf die Stadt Khan Younis gegebenen – unter anderem auf das Al-Amal-Krankenhaus.

Diese Nachricht konnte ebenso wenig unabhängig bestätigt werden wie die Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen, wonach bei den Angriffen mindestens 77 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt worden seien. Die Israel Defence Forces (IDF) räumten in ihrem täglichen Report ein, zurzeit so weit südlich wie nie zuvor zu operieren. "Die Soldaten haben Dutzende von Terroristen im Nahkampf und mithilfe von Panzerfeuer und Luftunterstützung eliminiert", hieß es.

Im Zuge der Militäroperationen sei bereits am Donnerstag auch ein ranghohes Mitglied der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Jihad (PIJ) getötet worden: Wael Abu Fanounah, stellvertretender Chef der Propagandaeinheit der Terrororganisation. Der Mann sei unter anderem für die Erstellung von Videos israelischer Geiseln im Gazastreifen verantwortlich gewesen.

Die Telekommunikationsdienste im Gazastreifen sind seit einer Woche weitgehend ausgefallen. Die meisten Einwohner des Gazastreifens hätten seit dem 12. Jänner keinen Kontakt mehr zur Außenwelt, schrieb die Organisation Netblocks auf X (vormals Twitter). Verbindungen nach außen seien nur mit Satellitenhandys oder fallweise per Mobiltelefon von hohen Gebäuden im Süden des Gazastreifens mit israelischen SIM-Karten möglich.

USA irritiert

Unterdessen werden auf politischer Ebene immer mehr Differenzen zwischen Israel und den USA erkennbar. Das Weiße Haus ging am Freitag deutlich auf Distanz zu Äußerungen des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu: Dieser hatte tags zuvor gemeint, Israel werde künftig die volle Kontrolle über die Sicherheit in "allen Territorien westlich des (Flusses, Anm.) Jordan" haben müssen. Das steht allerdings der Vorstellung palästinensischer Souveränität im Westjordanland entgegen. Die von vielen politischen Playern seit Jahrzehnten als einzige Lösung ventilierte Zweistaatenlösung zog Netanjahu in Zweifel bzw. er lehnte sie – je nach Lesart – sogar völlig ab: "Der israelische Ministerpräsident muss imstande sein, auch Nein zu sagen, wenn es nötig ist – selbst zu unseren besten Freunden."

Das sorgte in Washington für deutlich vernehmbare Irritation: So sagte John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, dass es in diesem Zusammenhang "offensichtlich unterschiedliche Ansichten" gebe. Nur Stunden davor hatte US-Außenminister Antony Blinken einmal mehr betont, dass es ohne Perspektive eines Palästinenserstaates wohl niemals "echte Sicherheit" geben werde.

Schauplatz Rotes Meer

Im Zusammenhang mit den fortgesetzten Angriffen der jemenitischen Huthi-Miliz auf westliche Handelsschiffe im Roten Meer zeigen sich die USA bemüht, nicht als Kriegspartei aufzutreten. Ungeachtet mehrerer Angriffe des in der Region stationierten US-Militärs auf Stellungen der vom Iran unterstützten schiitischen Miliz im Jemen erklärte Sabrina Singh, Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums, in der Nacht auf Freitag: "Wir wollen keinen Krieg. Wir glauben nicht, dass wir uns im Krieg befinden."

Die USA haben gemeinsam mit Großbritannien und anderen Alliierten nach längerem Zögern in diesen Tagen damit begonnen, Huthi-Stellungen aus der Luft anzugreifen, nachdem diese schon seit Wochen Handelsschiffe von Ländern mit "Bezug zu Israel" ins Visier genommen hatten. Aus diesem Grund sind etliche Reedereien dazu übergegangen, die Route durch das Rote Meer und durch den Suezkanal zu meiden und stattdessen die wesentlich längere Strecke rund um Afrika in Kauf zu nehmen.

Von den Angriffen nicht betroffen waren und sind unter anderem Schiffe aus Russland und China: Diesen gewähren die Huthi nach eigenen Angaben eine problemlose Durchfahrt durch das Rote Meer.

Die aktuellen Pläne für den EU-Militäreinsatz zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer sehen kein Mandat für die Beteiligung an Angriffen gegen Huthi-Stellungen im Jemen vor. Wie mehrere Diplomaten am Freitag in Brüssel bestätigten, soll die Mission rein defensiv ausgerichtet werden. Europäische Kriegsschiffe würden demnach im Rahmen des EU-Einsatzes nur zum Schutz von Frachtschiffen in der Region eingesetzt werden. Der Einsatz soll spätestens im Februar beschlossen und dann sofort gestartet werden. (Gianluca Wallisch, red, 19.1.2024)