Mitunter kann eine E-Mail eine wahre Kaskade von brisanten Verfahren nach sich ziehen. Das zeigt die Anfrage der Journalistin Anna Thalhammer an die Sprecherin von Unternehmer Michael Tojner. Am 14. Juni 2019 fragte die damalige Chefreporterin der Presse an, ob es stimme, "dass es bei Tojner Hausdurchsuchungen in den letzten Tagen gegeben" habe – und wenn ja, wo und warum.

Tatsächlich hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) damals bereits solche Maßnahmen geplant – sie aber noch nicht umgesetzt.

Tojner und Brandstetter
Michael Tojner (Mitte links) und Wolfgang Brandstetter (Mitte rechts) im Jahr 2014 im Intercontinental in Wien
Copyright TOPPRESS Austria

Es ging um die Causa burgenländische Wohnbaugesellschaften und Vorwürfe, Tojner habe das Burgenland bei der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Gesellschaften über den Tisch gezogen haben. Das Burgenland hatte eine Betrugsanzeige eingebracht; das Verfahren läuft nach wie vor, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Nach der E-Mail von Thalhammer, mittlerweile Profil-Chefredakteurin, herrschte reges Treiben bei Tojner und Co. Er involvierte seinen Rechtsberater und langjährigen Bekannten: Wolfgang Brandstetter, von 2013 bis 2017 Justizminister. Gemeinsam mit der Kanzlei Liebenwein wurde ein Schriftsatz formuliert, der an die WKStA und den mittlerweile verstorbenen Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek ging. Von "illegalen Informationsflüssen an die Medien" war darin zu lesen und einem "enormen und völlig unverhältnismäßigen Schaden" , den eine Hausdurchsuchung auslösen würde.

Verdacht auf Leak

Die Justiz zeigte sich davon unbeeindruckt: Knapp eine Woche später, am 25. Juni, kam es an rund vierzig Einsatzorten zu Hausdurchsuchungen gegen Tojner und andere Verdächtige. Genehmigt worden waren die Maßnahmen schon im Mai 2019, also vor der E-Mail der Journalistin an Tojner.

Wurden die geplanten Hausdurchsuchungen also verraten?

Dieser Frage geht seit dem Frühjahr 2021 die Staatsanwaltschaft (StA) Innsbruck nach. Dabei fand sie Sachverhalte, die weitere Ermittlungen nach sich zogen: gegen Brandstetter, den nun rechtskräftig freigesprochenen Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, und gegen Pilnacek, dessen Verfahren mit seinem Ableben im Herbst 2023 beendet wurden. Übrig blieben Vorwürfe gegen Brandstetter, zu denen die StA Innsbruck nun Vorhabensberichte an die Oberbehörden weitergeleitet hat. Zum Inhalt – also der Frage, ob angeklagt oder eingestellt wird – gab die StA Innsbruck keine Auskunft.

Gegen Tojner wurde in dieser Sache nicht ermittelt, bei seiner Zeugeneinvernahme im Juni 2022 hat er versucht, Brandstetter zu entlasten. Die E-Mail der Journalistin, die nach Hausdurchsuchungen fragte, habe den Unternehmer "beunruhigt", er habe wissen wollen, "wo man steht". Deshalb habe er Brandstetter geschrieben, "Pilnacek wäre wichtig".

Kaffee und Kuchen

Brandstetter sei nämlich zuvor mit der Idee an Tojner herangetreten, Pilnacek zu kontaktieren, um mit ihm "als Straflegistiker" über den Untreuetatbestand an sich zu diskutieren. Dessen Reform war damals Thema. Es sei "sicherlich nicht so gewesen", dass er sich von Pilnacek Infos zu geplanten Hausdurchsuchungen erhofft habe, sagte Tojner. Man habe damals quasi auf die Hausdurchsuchung gewartet. Als die Ermittler dann auftauchten, begrüßte er sie mit den Worten: "Kaffee und Kuchen sind schon vorbereitet", die Unterlagen ebenso.

Auch ein zweiter Vorfall mit Brandstetter beschäftigt die Staatsanwälte. Tojner habe seine PR-Chefin damals, im Juni 2017, auf einen Presse -Artikel über sein "Heumarkt-Projekt" und etwaige Ermittlungen dazu hingewiesen. Sie antwortete am nächsten Tag in der Früh, woraufhin Tojner mitteilte, "so ist das von Brandstetter kommuniziert worden. Werde etwas bekommen."

Brandstetter: Vorwürfe "doppelt widerlegt"

Die Ermittler schließen daraus, dass Brandstetter als Justizminister ein Amtsgeheimnis an den Unternehmer verraten habe. Auch das weist Tojner zurück: "Mit der Nachricht wollte ich lediglich erreichen, dass sie (die PR-Frau, Anm.) Ruhe gibt." Inhaltlich sei diese Nachricht falsch gewesen, er habe keinen Kontakt mit Brandstetter in der Sache gehabt. Er halte ihn für einen "Ehrenmann", der nie justizinterne Informationen nach außen tragen würde.

Tojners Anwalt erklärt auf Anfrage, man würde Zeugenaussagen in nichtöffentlichen Verfahren nicht kommentieren.

Brandstetter weist die Vorwürfe von sich; diese seien "doppelt widerlegt", sagt er auf Anfrage: Erstens durch die E-Mail der Journalistin, zweitens habe Pilnacek die Information über die geplante Hausdurchsuchung zu diesem Zeitpunkt gar nicht gehabt. Er habe als Strafverteidiger und Rechtsberater Tojners darauf gedrängt, die Behörden über das Leak zu informieren, das durch die Email der Journalistin ersichtlich geworden sei.

Dass er sich auch mit Pilnacek über die Auslegung des Untreue-Tatbestands unterhalten habe, sei korrekt; dies habe sinngemäß viele in der Justiz beschäftigt. Die Ansätze der WKStA im Fall Tojner hätten "die Reform des Untreuetatbestandes auf den Kopf" gestellt und in der Fachwelt "Kopfschütteln erzeugt". Der Oberste Gerichtshof (OGH) habe dann auch der "geradezu absurden Auslegung" der WKStA eine Absage erteilt. "Darüber wurde natürlich diskutiert, auch mit Pilnacek", so Brandstetter zum STANDARD. (Renate Graber, Fabian Schmid, 21.1.2024)