Vorerst zeigen sie nur die Muskeln. Seit Freitag sperren französische Bauern in der Gegend der südfranzösischen Pyrenäen-Metropole Toulouse mehrere Nationalstraßen und Autobahnen wie die überregionale A64. Insgesamt 450 Traktoren sind aufgefahren. Die Fahrer richten sich an Kreisverkehren und Mautstellen für längere Blockaden ein; sie schleppen Würste, Bier und sogar mobile Toiletten an.

Das alles wirkt wie ein Vorgeschmack auf die landesweiten Proteste der Gelbwesten ("Gilets jaunes") vor fünf Jahren. Die meist schlecht bezahlten Arbeiter vom Land hatten Präsident Emmanuel Macron eine erste, sehr gewalttätige Sozialkrise eingebrockt.

Einige Männer braten Würste nahe der Autobahn A64 in der Nähe von Toulouse.
Hier richtet man sich mit Jause und Bier für längere Blockaden ein.
IMAGO/ABACAPRESS

Und wenn die französischen Bauern auf die Barrikaden gehen, müssen sich die Politiker in Paris und Brüssel ebenfalls anschnallen. Im größten Agrarland der EU mit einer Nutzfläche von über 27 Millionen Hektaren (Österreich 2,6 Millionen) verfügen die Landwirte über eine sehr wirksame Lobby. Und sie gehen, wenn einmal aufgewacht, zur Sache wie die Gelbwesten. Ende vergangenen Jahres leerten sie billigen Wein aus Spanien aus den gekaperten Tanklastern auf den Asphalt. In der bretonischen Hauptstadt Rennes besetzten sie im Dezember Behördenlokale. Und in vielen Dörfern haben sie Ortstafeln verkehrt herum aufgehängt. Damit wollen sie zeigen, dass die Agrarpolitik "auf dem Kopf steht", wie der Präsident des mächtigen Bauernverbandes FNSEA, Arnaud Rousseau, erklärte.

Wut über Umweltauflagen

Am Freitag zündeten Vertreter des radikalen Winzer-Kollektivs CAV in Carcassonne einen Sprengsatz im Büro der Umweltbehörde Dreal. Damit bekundeten sie ihre Wut über die zunehmenden Ökoauflagen, etwa was den Einsatz von Pestiziden und anderen Chemikalien betrifft.

Auch sonst fordern die französischen Landwirte ähnlich wie ihre deutschen Kollegen Maßnahmen gegen die Inflation und die gleichzeitig sinkenden Einkommen. Konkret wollen sie bleibende Zuschüsse für Agrardiesel und weniger Steuern auf den Wasserbezug.

An diesem Wochenende wurde die erst anlaufende Bewegung bereits politisch vereinnahmt. Präsident Macron schickte seinen neuen Premierminister Gabriel Attal an die Front, um sein Verständnis für die Anliegen der Bauernschaft zu zeigen. Im Dorf Saint-Laurent d’Agny im Rhonetal diskutierte Attal mit 150 Bewohnerinnen und Bewohnern. Er brachte aber nur das Versprechen mit, die Behördennormen und den Papierkram der Landwirte zu verringern.

Ein Traktor hat ein Schild mit dem Wort Streik an einer Anhängevorrichtung montiert. 
Die Landwirte prangern die Umweltauflagen aus Paris und Brüssel an - aber sie leiden auch selbst.
IMAGO/ABACAPRESS

Im Bordeaux-Weingebiet zeigte sich der Vorstand des rechtspopulistischen "Rassemblement National", Jordan Bardella im Örtchen Queyrac. Er wetterte gegen die EU-Agrarpolitik, die die französische Bauernschaft erdrossle. Dass diese von Brüssel 9,4 Milliarden Euro an Subvention bezieht, mehr als in jedem anderen EU-Land, überging Bardella.

Der Auftritt der beiden Jungpolitiker wirkte wie ein Fernduell vor den Europawahlen von Juni. Macron gerät durch die Bauernproteste mehr denn je in die Defensive. Die Landwirte widersprechen sich zwar oft selbst, wenn sie die Umweltauflagen aus Paris und Brüssel anprangern, obwohl sie selbst schon sehr direkt unter den Dürren und anderen Klimafolgen leiden. Macron weiß aber, wie rabiat die französischen Bauern seit den Jacquerien im Mittelalter mit Heugabeln gegen die Zentralgewalt vorgingen – damals gegen den König, heute mit gelben Leuchtwesten gegen den Staatschef. (Stefan Brändle aus Paris, 21.1.2024)