Trockenschwimmen im Neusiedler See: die Band Ja, Panik auf Heimaturlaub.
Trockenschwimmen im Neusiedler See: die Band Ja, Panik auf Heimaturlaub.
Luca Celine

So, wie Andreas Spechtl darüber singt, dass er verloren ist, klingt es nicht nach Bedauern oder gar Schrecken, im Gegenteil. In seiner Stimme liegt etwas Triumphales, und entsprechend euphorisch klingt der Song Lost. Es ist ja nachgerade eine Kunst geworden, sich zu verlieren, sich zu verlaufen. Immerhin tragen ja die meisten Menschen ihr Navigationsgerät am Handy in der Tasche. Oder vorm Gesicht. Ohne dieses, so scheint's, finden manche gar nicht mehr über die Straße. Oder irgendeine Straße. Und wenn, dann haben sie sie zwar gefunden, aber nicht gesehen, denn sie mussten ja auf den Screen starren.

So viel empirischer Kulturpessimismus muss erlaubt sein. Aber eigentlich soll von der Band Ja, Panik die Rede sein. Eine ursprünglich aus dem Burgenland kommende Combo, die nicht für einfache Lösungen oder schlichte Slogans bekannt oder empfänglich ist. Vielmehr zeichnet sie jene Querdenkerei aus, die vor Corona und den davon nach oben gespülten Hobby-Experten eine durchaus positive Zuschreibung meinte.

David Bowie grüßt

Sie stand für ungewöhnliche Zugänge, eine Form von Free Style in Inhalt und der Form, die aber deshalb nicht grundlegende Erkenntnisse infrage stellte. In Spechtls Gesang manifestiert sich die Vielfalt der Zugänge unter anderem dadurch, dass er in seinen Songs instinktiv die Sprache wechselt, wenn eine andere ein treffsichereres Wort anbietet, ein Feeling besser auf den Punkt bringt als der allmächtige Duden.

DIE GRUPPE JA, PANIK - DREAM 12059
Bureau B

Das ist auch auf dem nun erscheinenden Album Don't Play with the Rich Kids noch so. Das siebente Album seit dem 2006er-Debüt klingt streckenweise wie eine spät gehobene Blumfeld-Platte, stellenweise nach einer Hommage an David Bowie. Zumindest im Lied Dream 12059, das sich deutlich an Bowies Heroes lehnt, ohne dass man dem Vierer deshalb Kopistentum nachsagen möchte.

Zu schlau

Dafür ist diese Gang zu schlau, zu versiert in der Handhabung von Pop, wenngleich die Musik aktuell schwer gitarrenlastig ausfällt, rockt. Die Referenz Bowie ist diesbezüglich belastbar, der hat ja selbst ständig Neues versucht und ist Ja, Panik eher ein Vorbild im Sinne eines Künstlerbildes, das sich selbst hinterfragt, sich selbst zu überraschen sucht.

Das tut Spechtl sogar abseits der Bühne, indem er Wohnsitze wechselt, sogar die Kontinente. Zurzeit lebt er in Argentinien. Das ist seiner Beziehung geschuldet und macht den Horizont groß, erlaubt neue Perspektiven. Jene auf die Welt, auf die eigenen Gewohnheiten, auf Prioritäten. Das scheint in die Musik einzufließen, sei es über den klassenkämpferischen Titel, sei es über ein poetisch-politisches Songwriting, das sich nicht durch ein zeitgeistig-depressives Nägelbeißen äußert.

Ja, Panik - MAMA MADE THIS BOY
Bureau B

Ja, Panik pflegen den Optimismus, glauben in Changes (Bowie, erneut) an die Veränderbarkeit, singen forsch: "Weil ich glaub’ schon, dass man uns ändern kann." Kredenzt wird das mit einer Melodie, die diesen Esprit transportiert – zumindest bis auf die nächste Tanzfläche.

Offen bleibt die Antwort, wer oder was die notwendige Änderung herbeiführen könnte, aber die Kunst muss keine Antworten bieten, ein paar gescheite Fragen und Gedanken reichen. Davon bietet Don't Play with the Rich Kids reichlich, ohne dass es nach Besserwisserei riechen würde. Fast wirkt es, als wäre der Zustand des Haderns in eine neue Form des Selbstbewusstseins gekippt. Das macht das neue Album ungestüm und lebendig. Am Ende ist man bereit zu sagen: Die Hoffnung lebt nicht nur, sie klingt richtig gut. (Karl Fluch, 2.2.2024)