Zerstörte Wohnung in Charkiw.
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Am schlimmsten waren die Angriffe einmal mehr in Charkiw, wo in den frühen Morgenstunden des 23. Jänner Raketen einschlugen und die Zahl der Todesopfer am Nachmittag auf mindestens fünf Personen stieg, Dutzende wurden verletzt. Laut Bürgermeister Ihor Terechow bleiben einige Stadtteile ohne Strom, Wasser und Heizung. Er kündigte die Einrichtung von Wärmeschutzräumen an, außerdem werden Plätze in Studentenwohnheimen für die vorübergehende Unterbringung der betroffenen Personen zur Verfügung gestellt. Die Millionenstadt wurde in den vergangenen Wochen immer wieder zum Ziel heftiger russischer Angriffe, die Nähe zur russischen Grenze erschwert die Arbeit der ukrainischen Luftabwehr erheblich.

Abendroutine im Krieg

Auch in Kiew gab es erneut Angriffe, dabei sollen mindestens 22 Menschen verletzt worden sein, darunter drei Kinder, teilte der Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko auf Telegram mit. Laut dem ukrainischen Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj habe die Luftabwehr 21 von 41 Raketen abgefangen. Tausende Menschen harrten indes erneut in Schutzräumen und U-Bahn-Stationen aus, darunter die 34-jährige Fotografin Oksana Parafeniuk, die mit ihrem Mann und dem eineinhalbjährigen Sohn Luka in Kiew lebt. "Jeden Abend bereiten wir einen Kinderwagen mit warmer Kleidung, Essen, Windeln für ihn und eine Sitzunterlage für uns vor, damit wir im Falle eines Raketen- oder Drohnenangriffs schnell nach unten gehen können", so Parafeniuk, die am frühen Morgen von der Sirene geweckt wurde und sofort zur U-Bahn gelaufen sei, die sich ganz in der Nähe befindet.

"Es ist an sich schon anstrengend, ein kleines Kind zu haben, aber im Krieg ist es noch viel schwieriger, sowohl körperlich als auch mental. Und natürlich ist Luka in der U-Bahn aufgewacht, weil Züge so laut sind, dass es seinen Rhythmus durcheinanderbringt", so Parafeniuk. Im vergangenen Jahr habe die Familie in den meisten Fällen in der Wohnung im Korridor Schutz gesucht. "Seit Beginn der Invasion sind fast zwei Jahre vergangen, und die Raketenangriffe Russlands sind immer noch ziemlich regelmäßig", sagt sie. "Die Stadt Kiew sollte irgendwo in der U-Bahn Wickeltische aufstellen."

Blutige Angriffswelle

Russlands Raketen- und Drohnenangriffe in der Ukraine haben sich in den vergangenen Wochen stark intensiviert, teilen die Vereinten Nationen in einem vor kurzem veröffentlichten Bericht mit. Seit Dezember wurden Hunderte von Zivilisten bei Drohnen- und Raketenangriffen im ganzen Land getötet oder verwundet. "Die Zahl der zivilen Opfer war im Jahr 2023 stetig zurückgegangen, doch die Angriffswelle Ende Dezember und Anfang Jänner hat diesen Trend gewaltsam unterbrochen", sagte Danielle Bell, die Leiterin der UN-Beobachtungsmission. "Diese Angriffe säen Tod und Zerstörung über die ukrainische Zivilbevölkerung, die durch die russische Invasion seit fast zwei Jahren schwerste Verluste hinnehmen muss.“ (Daniela Prugger aus Kiew, 23.1.2024)