Sein Film sei ja ein
Sein Film sei ja ein "Märchen", sagt Sebastian Brauneis. Also haben sich zumindest in der Fantasie auch alle einmal lieb.
Studio Brauneis

"Es gibt Stimmen in der Branche, denen ist es ein Dorn im Auge, dass wir unsere ­Filme trotz geringen Budgets umsetzen können“, sagt Filmemacher Sebastian Brauneis. Humor und eine kritische Haltung ziehen sich als Merkmale durch seine Arbeit und eben, dass er auch mit wenig Geld Filme machen kann. "Das Argument lautet, wir würden den Markt kaputtmachen. Ich bin der Meinung, ein Markt ist bereits mehr als kaputt, wenn Filme wie unsere und deren Machart ihm gefährlich werden können."

Grund des Gesprächs mit dem Wiener Regisseur ist der Kinostart seines neuen Spielfilms Die Vermieterin – den er wieder einmal günstig gemacht hat: um 45.000 Euro. Er handelt von der jungen Johanna (Marlene Hauser), die am überhitzten Wiener Wohnungsmarkt an die hinterfotzig-freundliche Frau Schrankinger (Margarethe Tiesel) gerät. Während die mehrfache Immobilienbesitzerin mit dem grellen Lippenstift und Lachen ihrer Freundin (Michou Friesz) beim Cocktail am Tennisplatz klagt, wie man von 3900 Euro Pension leben soll, wird sie Johanna ein Heidengeld abknöpfen. Mehr noch: Ihr windiger Makler (Lukas Watzl) und der skrupellose Anwalt (Thomas Frank) sind zu allerlei kriminellen Aktionen bereit.

Brauneis hat nach 3 Freunde 2 Feinde (2020) über prekäre Arbeitsverhältnisse wieder einen aktuellen Film gedreht. Das Thema Wohnraumsuche betrifft viele, auch ihn, der Idee zur Vermieterin hat das Nachdruck ge­geben. Vieles, was darin vorkommt, hat er bei Besichtigungen selbst erlebt, anderes von Freunden gehört und in der Recherche bei der Mietervereinigung erfahren: unangemessene Fragen nach der Familienplanung oder ­Krankheiten, Diskriminierung, eingeschleuste ­Bewerber, die Preise hochtreiben. In der Ver­mieterin wird ein Motivationsschreiben ge­fordert. Ja, warum will man wohnen?

Besserbehandlung dank "1010"

Sein Büro an der noblen Adresse Dominikanerbastei hat das Studio Brauneis nur, weil er die Vermieterin kenne und diese nicht ihren Profit maximieren wolle. "Es ist interessant, wie man bei manchen Kontaktaufnahmen besser behandelt wird, wenn man eine Adresse mit der Postleitzahl 1010 hat", sagt er.

Selbst wenn sein Film sich in 90 chaotischer werdenden Minuten im kleinsten Kreis dreht, hat Brauneis Größeres im Blick. Alle, die er kennt, zahlen zu viel fürs Wohnen, sagt er. Das sei schlecht, weil ihnen das Geld dann in Wirtshäusern oder beim Greißler fehle. Daher gebe es den ja nicht mehr, sondern nur noch Diskonter. Gerade die "Mitte-konservativen Parteien, die als letzte Retter des vielbeschworenen Mittelstands auftreten", müssten reagieren. So wie würdige Arbeitsverhältnisse ein Menschenrecht sind, sei es auch Wohnraum. Doch "obwohl man der ist, der die Vermietenden bezahlt, muss man sich ihnen gegenüber verhalten, als sei man von ihnen nur geduldet. Weil sehr viele Leute bereit sind, Kompromisse einzugehen, wird dieses Verhältnis verzerrt. Wie am Arbeitsmarkt."

Sebastian Brauneis macht eigenwillig originelle Filme, ohne auf Erfolg zu schielen.
Sebastian Brauneis macht eigenwillig originelle Filme, ohne auf Erfolg zu schielen.
Maximilian Brauneis

So markig wie die Reden des 45-Jährigen sind auch seine Filme. Hollywoods Bombastmöglichkeiten interessieren ihn nicht, und hätte er mehr Budget, würde er vorher seine Kollegen bezahlen und erst dann lustige Kostüme kaufen und arge Locations mieten. In Erinnerung bleiben aber schon jetzt nicht nur Tiesels Unverfrorenheit, wenn sie Johanna nachstellt, Michou Friesz mit dem Jagd­gewehr oder die verwöhnte Freundin im Dach­geschoßeigentum (Laura Hermann). Bei der Diagonale wurde die Satire letzten März begeistert aufgenommen, trotzdem läuft sie derzeit nur im Metro Kinokulturhaus in Wien. Brauneis produziert seine Filme nämlich zur Not auch ohne Filmförderung. Das machte es in der heimischen Förderkette aber schwer, eine Verleihförderung zu bekommen. Die aber brauchen Filmverleiher, damit sich ihre Kalkulation ausgeht. Mit einem breiten Kinostart hat er deshalb nie gerechnet. Obwohl es genug weniger originelle Austrokomödien gibt als seine: vom tollen Soundtrack bis zu den Comiceinschüben.

Flotten Witz hat Brauneis schon bei der Sendung ohne Namen und später bei Willkommen Österreich und der Serie Bösterreich bewiesen. 2017 drehte er den ersten Spielfilm Zauberer. Am bekanntesten wurde er aber, als er sich letzten Jänner ins ZiB 2-Studio setzte und seinem Ärger über den Umgang der heimischen Filmbranche mit dem Fall Florian Teichtmeister Luft machte: Viele hätten was gehört, keiner etwas gesagt.

Filme statt Hypephänomene

Wegen des schmalen Filmstarts grämt er sich trotzdem nicht: "Natürlich will ich in den regulären Vertrieb. Aber lieber wäre mir, wenn meine Filme sechs Monate lang zweimal im Monat in kleinen Programmkinos liefen. Denn bei kurzen Laufzeiten haben Filme wie meine das Nachsehen. Barbie und Oppenheimer sind keine Film-, sondern Pop-Phänomene. Es geht dabei nicht darum, die Filme zu sehen, sondern darum, am Ereignis zu ­partizipieren. Wenn gleichzeitig Oppenheimer startet, bin ich also niemandem böse, wenn er oder sie nicht zu mir kommt." Und er sagt: "Es bräuchte mehr Festivals ohne Preise. Preise haben so einen fresskapitalistischen Verdrängungsgedanken."

Gegen einen "wagnerianischen Geniegedanken" plädiert Brauneis beim Filmemachen, für Respekt im Umgang miteinander. Den bringt er auch seinem Publikum entgegen. Im Metro-Kino wird er bei jeder Vorführung anwesend sein, um sich mit den Zuschauern zu unterhalten. Zu sagen gibt’s ja genug. (Michael Wurmitzer, 24.1.2024)