Verschwommene Taube auf Bahnsteig.
Laut einer Bahnsprecherin ist die Umsetzung des Notfahrplans in der Nacht auf Mittwoch stabil verlaufen.
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Wien/Berlin – Ein rund sechstägiger Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) legt weite Teile des Bahnverkehrs in Deutschland lahm. Der Streik hat am Dienstagabend im Güterverkehr und Mittwochfrüh im Fern- und Regionalverkehr der Deutschen Bahn (DB) begonnen. Wie schon beim jüngsten Streik im deutschen Bahnsektor sind auch Zugverbindungen zwischen Österreich und Deutschland betroffen. Die ÖBB empfiehlt, nicht notwendige Reisen zu verschieben. Der Verkehr über das Deutsche Eck ist nicht betroffen.

"Der innerösterreichische Zugverkehr zwischen Salzburg und Tirol über das Deutsche Eck fährt planmäßig", teilte die ÖBB am Mittwoch mit. Auch Verbindungen nach München und Nürnberg werden angeboten, davon vier zwischen Salzburg und München sowie zehn zwischen Innsbruck und München. Auch zwischen Wien und Nürnberg (über Passau) gibt es am Mittwoch zehn Verbindungen.

Video: Die Lokführer-Gewerkschaft GDL hat in der Nacht ihren bisher längsten Streik begonnen.
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Generell rät die ÖBB aber dazu, nicht notwendige Reisen zu verschieben und alternative Reisemöglichkeiten zu wählen. Für Tickets der ÖBB ist die Zugbindung von und nach Deutschland jedenfalls aufgehoben, Nachtzugtickets können auch tagsüber genutzt werden, teilte die Bahn mit. Tickets, die vor dem 22. Jänner gekauft wurden, können bei Nichtantritt der Reise storniert und rückerstattet werden. Bereits gekaufte Tickets können zudem länger genutzt werden, nämlich bis einschließlich 5. Februar. Die Züge der Westbahn fahren planmäßig.

Auch Einschränkungen im Güterverkehr

Der Notfahrplan für den Personenverkehr sei in der Nacht auf Mittwoch stabil angelaufen, sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn in der Früh. Wie schon bei den vorigen Streiks fallen ungefähr 80 Prozent der Fernzüge aus.

Auch im Güterverkehr kommt es zu erheblichen Einschränkungen. "Auch der europäische Güterverkehr über die Alpen, Polen oder nach Skandinavien sowie die Seehäfen in Holland oder Belgien sind betroffen", teilte die Deutsche Bahn mit. Bereits vor dem Streik sei ein deutlicher Mengenrückgang registriert worden, weil viele Kunden Transporte abbestellt hätten.

Unternehmen drohten harte Einschränkungen bis hin zu einzelnen Produktionsausfällen, Drosselungen und Stillständen in der Industrie, sagte Tanja Gönner, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Deutschen Presse-Agentur. "Bei einem sechstägigen Streik ist eine Schadenshöhe von insgesamt bis zu einer Milliarde Euro nicht unrealistisch."

Der sechstägige Streik der Lokführergewerkschaft GDL stößt einer Umfrage zufolge in der deutschen Bevölkerung überwiegend auf Ablehnung. 59 Prozent haben kein Verständnis dafür, wie die am Mittwoch veröffentlichte Erhebung des Marktforschungsunternehmens Yougov ergab. 34 Prozent haben demnach Verständnis für den Ausstand. Das Institut befragte nach eigenen Angaben 4.124 Personen in Deutschland ab 18 Jahren. Die Ergebnisse sind demnach repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

Weniger Arbeitszeit

Der Ausstand soll bis Montag um 18 Uhr dauern. Der vierte Arbeitskampf der GDL im laufenden Tarifstreit sei "der längste in der Geschichte der Deutschen Bahn", sagte die Sprecherin. 136 Stunden soll er im Personenverkehr dauern, 144 im Güterverkehr. Der Streik umfasst erstmals im aktuellen Konflikt auch ein komplettes Wochenende.

In einem Brief an die Deutsche Bahn hat die GDL ihre Tarifforderungen erneuert und manche konkretisiert. "Die Vorschläge orientieren sich an den Tarifabschlüssen, die wir in den vergangenen Wochen mit unseren Tarifpartnern erzielen konnten", heißt es in dem Schreiben, das die GDL am Mittwoch veröffentlicht hat. So wird etwa ein konkreter Zeitplan für die geforderte Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden ohne finanzielle Einbußen bis 2028 vorgeschlagen. Es ist die Kernforderung der Gewerkschaft und der Knackpunkt im Tarifkonflikt.

Deutsche Bahn auf dem "hohen Ross"

Die Deutsche Bahn lehnte die Vorschläge der GDL als Grundlage für weitere Verhandlungen ab. Es handle sich lediglich um die "Wiederholung altbekannter Maximalforderungen", sagte eine Sprecherin am Mittwochmorgen.

"Was die Deutsche Bahn AG macht, ist nichts anders als die wiederholende Ablehnung aller Forderungen", kritisierte GDL-Chef Claus Weselsky am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Die Bahn bewege sich nur millimeterweise. Auf die Frage, wann die Gewerkschaft wieder verhandeln werde, sagte der Gewerkschafter: "Sobald die Deutsche Bahn vom hohen Ross herunterkommt."

"Mediation oder Schlichtungsverfahren"

Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing schließt indes ein Schlichtungsverfahren zwischen der GDL und der Deutschen Bahn nicht aus. Er erwarte von der Gewerkschaft, dass sie Verantwortung übernehme und an den Verhandlungstisch komme, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch im Deutschlandfunk. "Und wenn das so festgefahren ist, dass man offensichtlich nicht mehr miteinander reden kann, dann brauchen wir dringend eine Mediation oder ein Schlichtungsverfahren." Allerdings seien die Chancen für eine Schlichtung derzeit eher gering.

Wissing äußerte sich zudem besorgt über die Auswirkungen auf die Wirtschaft. "Es können Güter nicht transportiert werden, und überall dort, wo sie entstehen, bleiben die Betroffenen auf diesen Kosten sitzen. Das ist ja das Ärgerliche an diesem Streik, dass er auf dem Rücken Dritter ausgetragen wird." (APA, red, 24.1.2024)