Nach den Enthüllungen des ZDF-Magazins "Frontal", von "Spiegel", STANDARD und Tamedia über Geldflüsse an den Putin-Biografen und -Dokumentar Hubert Seipel will der NDR diese Woche seinen Prüfbericht dazu vorlegen. Der NDR ist in der öffentlich-rechtlichen ARD zuständig für Seipels Dokus. Seipel hat laut den Recherchen ab 2013 zumindest hohe sechsstellige Beträge von einem dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahestehenden Oligarchen als "Sponsoring" für seine Biografie und Doku über Putin erhalten. Gegenüber der "Zeit" verteidigt Seipel das jetzt.

Hubert Seipel und Wladimir Putin 2016 bei der Präsentation von Seipels Putin-Buch im Medienzentrum der Agentur Rossija in Moskau.
Hubert Seipel und Wladimir Putin 2016 bei der Präsentation von Seipels Putin-Buch im Medienzentrum der Agentur Rossija in Moskau.
Imago Russian Look

Bereut Annahme nicht

Seipel erklärt sein Tun mit der Abgeltung von Dokumentationen für freie Journalisten durch die ARD, er habe für Projekte in finanzielle Vorleistung gehen müssen. Der "Zeit" erklärt Seipel zum ersten Angebot des Oligarchen Alexej Mordaschow, das er mit 63 Jahren 2013 dann annahm: "Ich habe mich durchaus gefragt: Wie lange kann ich mich noch intensiv einem Thema widmen? Das hat mich damals in der Tat angefasst. Dazu die geopolitische Lage, in der wir waren und sind. Hier einzutauchen, in dieses Thema, in die neuerliche Konfrontation zwischen Russland und Europa, das hat mich fasziniert. Und mir war klar: Wenn ich das wirklich angehen will, dann brauche ich das Geld.“

Der Journalist räumt ein: "Ja, ich hätte das Geld ablehnen können." Aber, fügt er an: "Dann bin ich unschuldig bis zum Ende meines Lebens, komme aber leider nicht an die Informationen, die ich für mein Projekt brauche." Er bereue die Annahme des Geldes – das er auch gegenüber der "Zeit" nicht beziffern will – nicht, erklärt er: "Nein. Es war spannend und hat mir viele Erkenntnisse gebracht, die ich sonst nicht gewonnen hätte. Fehler wurden mir trotz aller heftigen Kritik nicht nachgewiesen, sondern nur eine andere, also falsche Sicht der Dinge.“

Als "unkritisch, unterwürfig" kritisierte etwa WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni in einer internen Nachricht Seipels Putin-Interview von 2014, als Russland die Halbinsel Krim annektierte. Anlass der Kommunikation: Seipel bot der ARD kurz vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ein Interview mit Putin an. "Das Angebot löste offenbar helles Entsetzen aus", berichtet etwa das ZDF darüber.

NDR legt Untersuchungsbericht vor

Nach Bekanntwerden des Sponsorings durch einen Oligarchen, DER STANDARD berichtete von zumindest 600.000 Euro, entfernte die ARD Seipels Dokus aus den Mediatheken, der Verlag nahm seine Bücher aus dem Verkauf.

Der NDR erklärte nach Erscheinen der Recherchen von Paper Trail Media mit STANDARD, "Spiegel", ZDF und Tamedia, Seipel habe eingeräumt, er habe über zwei "Sponsoringverträge" 2013 und 2018 Geld von Mordaschow erhalten, und erklärt, es sei für zwei Buchprojekte gewesen. "Der Sender sieht hierin einen erheblichen Interessenkonflikt, der Seipels journalistische Unabhängigkeit in Zweifel zieht", erklärt der NDR. Intendant Joachim Knuth: "Es besteht der Verdacht, dass wir und damit auch unser Publikum vorsätzlich getäuscht worden sind. Dem gehen wir jetzt nach und prüfen rechtliche Schritte." Die Vorgänge rund um Seipels Filme wurden unter Leitung von Ex-"Spiegel"-Chefredakteur Steffen Klusmann überprüft. Der NDR will den Bericht dieser Tage vorlegen.

"Hass" auf "gute" Journalisten

Im ausführlichen Gespräch mit der "Zeit" erklärt Seipel sein Naheverhältnis zu Putin und seine Tätigkeit so: "Das Problem am Leben ist die Realität. Ich kann mich mit Abscheu und Entsetzen abwenden und öffentlich bekennen: 'Iiih, iiih, iiih.' Aber das ist Schwachsinn." Dann bekomme er keinen Einblick in die Vorgänge. Er sehe seine Aufgabe darin zu beschreiben, was ist, und nicht, was sein soll: "Sie können natürlich sagen, die russische Gesellschaft sei verdorben, da gebe es einen Diktator, den wir stürzen müssten. Das hilft Ihnen aber nicht. Es sei denn, Sie verbinden Ihre Arbeit als Journalist mit einer messianischen Rolle.“

Seipel spricht gleich mehrfach von "Hass" auf Journalistinnen und Journalisten, denen er eine solche Rolle beimisst: "Was ich hasse, sind Journalisten, die einen Missstand benennen, aber nicht ausschließlich berichten, sondern die Gelegenheit nutzen, um sich selbst vor die Kamera zu stellen, um zu zeigen, dass sie selbst 'gute' Menschen und auf dem richtigen Weg sind."

Der Journalist hat Geldzahlungen aus Russland zunächst bestritten, später dann doch zugegeben und mehrfach erklärt, er bereue sie nicht. (fid, 24.1.2024)