Schild mit der Aufschrift
Im Grauen Haus muss sich ein zweifacher Vater wegen schwerer Nötigung, gefährlicher Drohung, Körperverletzung und beharrlicher Verfolgung verantworten.
APA / GEORG HOCHMUTH

Wien – Was könnte wohl gemeint sein, wenn ein bulliger 44-Jähriger seiner drei Jahre jüngeren Ex-Gattin mitteilt, wenn sie ihn die gemeinsamen Kinder nicht sehen lasse, werde er sie "schlagen, bis du ins Koma fällst"? Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Wien ist das eine Nötigung. Die Sichtweise des Angeklagten ist eine andere: "Ja, ich habe gemeint, dass ich ihr eine Watsche gebe", sieht sich der unbescholtene Herr S. vor Richterin Danja Petschniker entlastet. Bei der Komadrohung handelt es sich nicht um den einzigen Vorwurf, den die Anklagebehörde gegen den Notstandshilfebezieher erhebt: Rund einen Monat lang soll er im vergangenen Herbst die Frau und einen unmündigen Sohn bedroht, genötigt, einmal geschlagen und beharrlich verfolgt haben.

"Er bekennt sich teilschuldig. Er bereut alles und möchte sich bei seiner Ex-Frau und seinem Sohn auch entschuldigen", kündigt seine Verteidigerin an. Die Rechtsvertreterin sieht allerdings in vielen Fällen "millieubedingte Äußerungen" und keine Drohungen, außerdem habe das Opfer selbst in einer Nachricht geschrieben, es habe keine Angst vor dem Österreicher.

Der Hintergrund der Angelegenheit ist etwas ungewöhnlich. Nach der Hochzeit im Jahr 2003 ließ sich das Paar nach etwas mehr als vier Jahren und zwei Kindern auch schon wieder scheiden. "Drei Jahre hatten wir keinen Kontakt, dann wollten die Kinder den Vater kennenlernen und mit ihm Kontakt haben", berichtet die Ex-Frau als Zeugin. Die Türkin willigte ein, es wurde bereits bei der Scheidung eine gemeinsame Obsorge vereinbart. Sporadisch habe man sich gesehen, manchmal habe er nach einem Besuch bei den Kindern auch bei ihr in der Wohnung übernachtet, sagt die Frau.

Angeklagter will weiter Beziehung gehabt haben

Der Angeklagte stellt das ganz anders dar. Auch nach der Scheidung habe man eine Liebesbeziehung geführt, er sei häufig bei der Ex-Frau gewesen, erst seit 22. Oktober 2023 habe sich seiner Darstellung nach das Verhältnis abrupt verschlechtert, da sie ihn plötzlich die Kinder nicht mehr sehen lassen wollte. Dass er der Ex-Gattin damals in ihrer Wohnung Faustschläge gegen Kopf und Rücken versetzt hat und vom gemeinsamen Sohn aus der Wohnung gedrängt wurde, bestreitet er. "Ich habe sie nur an den Haaren gehalten!", beteuert er. "Warum?" – "Weil sie mich mit der Hand zurückgeschoben hat."

Damit ging es aber erst richtig los. Es folgten Anrufe, Sprachnachrichten und schriftliche Botschaften voll recht eindeutiger Aussagen. Neben der eingangs erwähnten Komadrohung findet sich in der Anklageschrift Diverses: Er werde sie umbringen, wenn sie nicht wieder mit ihm zusammenkomme, er werde "ihre Leiche ficken", er werde sie "begraben", es würden "noch schlimmere Sachen passieren". Vor Gericht versucht der Angeklagte das als Übersetzungsproblem abzutun. "Auf Türkisch ist das ein normales Schimpfwort!", erklärt er etwa die angekündigte Nekrophilie. "Ich würde es nicht verwenden, aber es gibt Milieus, in denen das üblich ist", erklärt der Dolmetscher dazu. Auch "begraben" habe mehrere Bedeutungen.

Warum er dem eigenen Sohn ankündigte, er werde "ihn in den Mund ficken", falls er die Mutter nicht überredet, die Beziehung fortzusetzen? "Das war ein blödes Schimpfwort von mir. Ich habe nicht klar denken können, ich war so nervös!", erklärt der Angeklagte der Richterin. "Sie waren in einem Monat aber oft nervös!", entgegnet Petschniker trocken. Denn der 44-Jährige und weitere Mitglieder seiner Familie tauchten auch immer wieder bei der Wohnung der Ex-Frau auf, sodass diese auf dem Rückweg von ihrer Arbeit schließlich fast täglich eine Nachbarin bat, sie solle schauen, ob jemand da sei. Dass er bei seiner Festnahme Ende November ein Klappmesser dabeihatte, erklärt er damit, dass er ein solches seit 20 Jahren mitführe.

Psychotherapie nicht wegen Aggression

Seine Verteidigerin betont, dass ihr Mandant bereits in psychotherapeutischer Behandlung sei und auch für die Zeit nach der Strafverbüßung die Zusage für einen Therapieplatz habe. "Wie oft gehen Sie denn zur Therapie?", will Petschniker vom Angeklagten wissen. "Alle drei Monate", hört sie. Dann hat die Richterin einen Geistesblitz: "Wofür ist die Therapie?", fragt sie nämlich nach. Ein Aggressionsproblem sieht der Angeklagte bei sich offenbar nicht, denn er leidet nach seinen Angaben an etwas anderem: "Spielsucht", antwortet er nämlich.

Die Ex-Frau schildert als Zeugin, dass die Lage am 22. Oktober in ihrer Wohnung eskaliert sei, da sie sich weigerte, die von ihm geforderten Zigaretten zu kaufen. "Ab jetzt wird nicht mehr passieren, was du willst, sondern was ich möchte!", soll der Angeklagte ihr gesagt haben, bevor er auf sie einzuschlagen begann. Sie möchte durchaus, dass die Kinder Kontakt zum Vater hätten, aber: "Er sieht mich als sein Eigentum an!" Angst habe sie in diesen Wochen durchaus vor ihm gehabt, betont sie auf eine Frage der Verteidigerin, er habe sie ja auch immer wieder mit dem Umbringen bedroht. Sie sei psychisch am Ende und sogar im Krankenstand gewesen.

Die Richterin hört weitere Familienmitglieder beider Seiten und Nachbarinnen als Zeugen an. Der Version des Angeklagten, der semantische Inhalt seiner Äußerungen sei der Übersetzung ins Deutsche zum Opfer gefallen, glaubt sie offenbar aber nicht. Sie verurteilt den 44-Jährigen zu 18 Monaten Haft, fünf davon sind unbedingt. Zusätzlich erteilt sie ihm die Weisung zu einer Psychotherapie – nicht wegen Spielsucht, sondern um seine Aggressionen in den Griff zu bekommen – und spricht ein Kontaktverbot aus. Der Angeklagte darf mit der Ex-Frau nur noch in Obsorgeangelegenheiten kommunizieren. Während der Angeklagte diese Entscheidung akzeptiert, gibt der Staatsanwalt keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 24.1.2024)