Donald Trump in Siegerpose, aber mit wenig Elan.
Donald Trump in Siegerpose, aber mit wenig Elan.
GETTY IMAGES NORTH AMERICA/ALEX

Donald Trump hätte eigentlich zufrieden sein können, als er um 21.30 Uhr (Ortszeit) am Dienstagabend in einem Hotel der Kleinstadt Nashua ans Mikrofon trat. Bei der Auszählung der Vorwahlstimmen im Neuenglandstaat New Hampshire lag er deutlich über 50 Prozent. Der Sieg war ihm nicht mehr zu nehmen. Doch der 77-Jährige musste sich mühsam ein Lächeln abringen. "Ich habe mir gesagt: Ich kann da rausgehen und allen danken. Oder ich kann sagen: Wer zum Teufel war die Hochstaplerin, die vor mir auf die Bühne gegangen ist und sich zur Siegerin erklärt hat?", offenbarte er vor laufenden Kameras.

Der Ex-Präsident entschied sich für die zweite Variante. Wahrscheinlich hatte er gar keine Wahl: Er kochte vor Wut. "Ich werde nicht zu wütend, ich werde ganz ausgeglichen sein", schnaubte er. Es klang wie Autosuggestion. Der Kontrast zu Trumps Auftritt vor einer Woche nach der Vorwahl in Iowa, als er seinen beiden Konkurrenten Nikki Haley und Ron DeSantis höflich gratulierte und zur Einheit aufrief, war gewaltig.

Video: Trump gewinnt Vorwahl der US-Republikaner in New Hampshire.
AFP

Nicht sein Ergebnis hatte den Narzissten verärgert, sondern die Tatsache, dass seine Herausforderin Nikki Haley eine Stunde vor ihm aufgetreten war. Zwar hatte sie ihm ausdrücklich gratuliert. Doch mit ihrem frühen Auftritt hatte sie dem einstigen Reality-TV-Star die Show gestohlen. Und sie hatte sich der Forderung des Republikaner-Paten nach Unterwerfung widersetzt. "Das können wir nicht zulassen", grollte Trump.

Praktisch sicher

Objektiv ist dem Ex-Präsidenten nach seinem zweiten Sieg im Vorwahlrennen die erneute Nominierung seiner Partei fürs Oval Office kaum noch zu nehmen. Außer Haley haben alle ernsthaften parteiinternen Konkurrenten das Feld geräumt. Erst am Sonntag ist der lange Zeit als Hoffnungsträger gehypte Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, ausgeschieden und hat zur Unterstützung von Trump aufgerufen. Täglich laufen mehr republikanische Gouverneure, Senatoren und Abgeordnete über. "Donald Trump hat sich die Kandidatur praktisch gesichert", stellt auch Präsident Joe Biden in einer Wahlkampfbotschaft fest.

Im vergleichsweise moderaten Bundesstaat New Hampshire, wo sich auch Wechselwähler an der republikanischen Kandidatenkür beteiligen dürfen, holte Trump rund 54 Prozent der Stimmen. Haley kam auf 43 Prozent. Alle Umfragen lassen vermuten, dass ihre Ergebnisse bei den nun anstehenden Vorwahlen in konservativeren Bundesstaaten deutlich schlechter sein werden. Trotzdem will die ehemalige UN-Botschafterin, die in der Rhetorik gemäßigter als Trump auftritt und für eine traditionelle republikanische Außenpolitik samt klarem Bekenntnis zur Nato steht, derzeit nicht aus dem Wettstreit aussteigen.

Strategisches Kalkül

"Das Rennen ist bei weitem nicht gelaufen", rief sie ihren Anhängern am Wahlabend zu. Nach Medienberichten hat ihre Kampagne noch Rücklagen von vier Millionen Dollar. Haley bemüht sich nun, die Großspender zur weiteren Unterstützung zu bewegen. Ihr Hauptargument sind dabei ihre größeren Chancen bei den allgemeinen Wahlen. Immerhin 19 Prozent der Republikaner-Wähler sind nach einer Erhebung der Agentur AP von Trump so enttäuscht, dass sie nicht erneut für ihn stimmen wollen. "Eine Trump-Kandidatur bedeutet einen Biden-Sieg und eine Kamala-Harris-Präsidentschaft", fasste Haley ihre Argumentation zusammen.

Beobachter rätseln gleichwohl, was das strategische Kalkül der 52-Jährigen ist. Bis zum Parteitag in Milwaukee, auf dem der Kandidat oder die Kandidatin gekürt wird, sind es noch fünf Monate. Aber Trump sammelt fleißig Delegiertenstimmen. Und Haley steht nach der Abstimmung in dem aufgrund der demografischen Struktur für sie günstigen New Hampshire nun eine extrem holprige Strecke bevor: Bei den Primaries in Nevada in zwei Wochen tritt sie erst gar nicht an. Bei der Abstimmung in ihrem Heimatstaat South Carolina Ende Februar liegt sie laut Umfragen 30 Prozent hinter Trump.

Nächste Station: South Carolina

Möglicherweise würde Haley nach einer dortigen Niederlage aussteigen. Vielleicht will sie aber auch für den Fall einer gerichtlichen Verurteilung Trumps im Rennen bleiben. Denkbar ist schließlich, dass sie ihren politischen Preis hochtreibt und auf den Posten der Vizepräsidentin spekuliert. Jedenfalls wird sie Trump zunehmend lästig. "Wenn sie nicht aussteigt, müssen wir Geld verschwenden, statt es gegen Biden einzusetzen", beklagte dieser sich beim rechten Sender Fox News.

Im Biden-Lager richtet man sich jedenfalls auf eine Neuauflage des Duells "Biden gegen Trump" ein. Wegen interner Terminstreitereien zwischen der Landes- und der Bundespartei stand Biden bei der nichtoffiziellen Vorwahl der Demokraten in New Hampshire nicht auf dem Wahlzettel. Sein Name musste händisch eingetragen werden. Trotzdem holte er nach vorläufigen Zahlen weit über 60 Prozent der Stimmen.

Offiziell eröffnen die Demokraten ihre Kandidatenkür erst am 3. Februar in South Carolina. Die Wahlkampfzentrale hat angesichts der Entwicklung bei den Republikanern ihr Sortiment mit Fan-Artikeln schon aufgestockt. Für 32 Dollar bietet sie ein T-Shirt mit dem Aufdruck an: "Gemeinsam werden wir Trump noch einmal schlagen." (Karl Doemens aus Washington, 24.1.2024)