Persona non grata
Die Ex-Skirennläuferin Andrea Weingartner (Gerti Drassl) plagen Erinnerungen an Missbrauchserfahrungen.
Coop 99 / Christian Pitschl

Andrea Weingartner trifft ihre Entscheidung im Schnee. Nicht auf der harten Piste, sondern beim freien Fahren im Tiefschnee. Die ehemalige Rennläuferin gibt einem Sportjournalisten ihr Okay zur Veröffentlichung eines Erfahrungsberichts. Darin hat sie über ihre Missbrauchserlebnisse im österreichischen Skisport gesprochen und die Machtstrukturen, die das ermöglichen. Die Missbrauchsvorfälle sind ihr als junger Frau widerfahren, vor einem halben Leben. Erst jetzt ist Andrea bereit zu reden, getriggert durch den Tod ihres Mannes und einen übergriffigen Nachbarn. Doch was sie mit dem Text in der Öffentlichkeit auslöst, ist mit der sprichwörtlichen Lawine noch unzureichend beschrieben.

Die Geschichte von Andrea, die Antonin Svoboda in seinem Drama Persona Non Grata erzählt, hat eine reale Vorlage: Die ehemalige Tiroler Skirennläuferin Nicola Werdenigg ging 2017 in einem STANDARD-Artikel an die Öffentlichkeit. Doch der Abstand zur Realität bleibt gewahrt, in das Drehbuch sind viele weitere Erfahrungen eingeflossen. Das betont auch Werdenigg – im Film als Statistin zu sehen – diese Woche in Willkommen Österreich und im Kulturmontag.

Aufschrei einer Betroffenen

Damit spielt sich Regisseur Svoboda von der Enge eines Tatsachenberichts frei. Persona Non Grata ist kein Aufdeckerkrimi aus Journalistensicht wie der MeToo-Thriller She Said. Auch keine Rückblende auf die Vorfälle selbst. Svoboda fokussiert stattdessen auf die psychologische Komponente hinter den Schlagzeilen. Ihm geht es um das Ende des Schweigens, den Aufschrei einer Betroffenen.

Persona Non Grata - Trailer
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Persona Non Grata ist aber auch die Geschichte einer Familie, die sich über drei Generationen zum Missbrauchstrauma ausschweigt. Andreas Mutter aus der Nachkriegsgeneration ist als Chefin im Tiroler Familienhotel das Aushalten des Patriarchats gewöhnt. Ihre Enkelin dagegen realisiert als junge Frau, dass die Weitergabe irgendwann aufhören muss. Andreas Heimkehr von Wien ins Tiroler Dorf liefert einige beklemmende Szenen in einem Film, dessen Spannung weniger dramaturgisch als psychologisch ist. Immer wieder sucht Regisseur Svoboda die düstere Stimmung, aus der sich seine Protagonistin befreien will. Hauptdarstellerin Gerti Drassl findet einen starken körperlichen Ausdruck für das Trauma, aber auch für die Befreiung. Dabei hilft der Mut zum Tiroler Dialekt, die Figuren lebendig zu machen.

Mangelnde Bereitschaft Tirols

Gedreht wurde in Südtirol. Und das lag nicht nur an der besseren finanziellen Unterstützung, sondern auch an der mangelnden Bereitschaft der Tiroler Filmförderer, wie Regisseur Svoboda vergangenes Jahr andeutete. Die Cine Tirol, ein Teil der Tourismuswerbung und 2021 noch stolz am Skifahrer-Biopic Klammer – Chasing the Line beteiligt, bestreitet eine ablehnende Haltung gegenüber dieser Geschichte. Doch so wie der Skisport als nationale Ersatzreligion ist auch die saubere Oberfläche der Berge eine heilige Tiroler Kuh, die niemand schlachten darf. Missbrauch und MeToo haben da keinen Platz.

Mit Persona Non Grata schließt sich also hierzulande gewissermaßen ein Kreis, der in Weinsteins Hollywood begann. Österreich fand im Sport – und bei Gustav Kuhns Festspielen in Erl – seinen schmerzhaften und hoffentlich heilsamen MeToo-Moment. Das Drama ist damit mehr als nur ein notwendiger österreichischer Film. (Marian Wilhelm, 25.1.2024)