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Küche in einer Essensausgabestelle für Bedürftige: Geht es nach der ÖVP, dann sollen Sozialhilfeempfänger möglichst kein Geld erhalten, sondern konkrete Leistungen bezahlt bekommen.
© Christian Fischer

Die ÖVP nimmt einen neuen Anlauf: Eine "Sozialleistungsreform" will Kanzler Karl Nehammer bei seiner Zukunftsrede kommenden Freitag in Wels propagieren. Die "illegale Zuwanderung in unser Sozialsystem" gehöre ebenso in die Schranken gewiesen wie jene Menschen, die es sich ebendort "auf Kosten der Allgemeinheit" bequem gemacht hätten.

Doch steckt dahinter ein schlüssiger Plan? In der vorab von der ÖVP verbreiteten Unterlage erschöpfen sich die drei angekündigten Maßnahmen in jeweils einem Satz.

·Gezahlt wird erst nach fünf Jahren: Mit diesem Wahlkampfschlager ist bereits Sebastian Kurz vor bald sieben Jahren hausieren gegangen: Menschen in Österreich sollen erst nach fünf Jahren legalem Aufenthalt im Land die vollen Sozialleistungen bekommen. Dass die ÖVP trotz Kanzlerschaft in dieser Sache seither nicht vorangekommen ist, liegt wohl nicht nur am Widerstand des grünen Koalitionspartners. Denn zum Teil ist das Gebot rechtlich angreifbar, zum Teil längst Realität.

Die Auszahlung der Sozialhilfe an die Dauer des Aufenthalts zu knüpfen ist unsachlich: Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits im Frühjahr 2018 anhand eines solchen Passus in Niederösterreich klargestellt. Für Staatsbürger und die mit diesen gleichgestellten anerkannten Flüchtlinge gehe das Ansinnen deshalb schon einmal ins Leere, analysiert der Salzburger Rechtsprofessor Walter Pfeil. Da könne die ÖVP noch so sehr aufs Vorbild Dänemark verweisen.

Drittstaatsangehörige und EU-Bürger müssen grundsätzlich schon jetzt mindestens fünf Jahre Aufenthalt vorweisen, um uneingeschränkten Anspruch auf die Sozialhilfe zu haben. Für letztere Gruppe gibt es aber eine Hintertür. Wer in Österreich gearbeitet hat, erhält die Leistung im Fall von Jobverlust auch schon früher, und zwar für ein halbes Jahr. Ebenso ist es möglich, nur geringfügig zu arbeiten, um das Einkommen via Sozialhilfe auf deren Niveau (1156 Euro pro Monat für Alleinstehende) aufzustocken.

Allerdings gilt die Pflicht, sich einen besser dotierten Job zu suchen – sonst droht Leistungskürzung. Und die Zahlen deuten auf kein besonderes Missbrauchspotenzial hin: Im von der ÖVP vielgescholtenen Wien liegt der Anteil der Sozialhilfebezieher unter den EU-Bürgern mit 3,5 Prozent niedriger als unter den österreichischen Staatsbürgern (vier Prozent).

·Sachleistungen statt Geld: Auch dieser Grundsatz ist bereits Rechtslage: Ist es zweckmäßig und wirtschaftlich sinnvoll, so ist die Sozialhilfe vorrangig als Sachleistung auszubezahlen, heißt es im geltenden Grundsatzgesetz. Das gilt insbesondere für den Wohnbedarf.

Auch im von SPÖ und Neos regierten Wien werde das Prinzip angewandt, heißt es aus dem Rathaus – und zwar dann, wenn zu erwarten sei, dass jemand das Geld für etwas anderes ausgebe als für Miete. Klassisches Beispiel sind Suchtkranke.

Inwiefern die ÖVP das Prinzip nun ausweiten will? Aus den bisher präsentierten Plänen geht das nicht hervor.

Sollen Sozialhilfebezieher künftig auch im Supermarkt kein Geld, sondern nur Gutscheine ausgeben dürfen, führe das zur Stigmatisierung, fürchten Kritiker: Zum selbstständigen Leben erziehe das nicht.

Außerdem gibt es auch hier rechtliche Bedenken. Der VfGH hat einer zu starken Festlegung auf Sachleistungen Limits gesetzt.

·Arbeiten für die Allgemeinheit: Schon jetzt sind Bezieher der Sozialhilfe dazu verpflichtet, sich vom Arbeitsmarktservice in Jobs oder Qualifizierungsmaßnahmen vermitteln zu lassen. Doch das reicht der ÖVP nicht: "Gemeinnützige Arbeit für alle, die Sozialhilfe beziehen und arbeitsfähig sind", heißt es in Nehammers Planentwurf. Welche Tätigkeiten ihm genau vorschweben, steht nicht dabei.

Das könne man auf zwei Weisen verstehen, sagt Helmut Mahringer, Arbeitsmarktexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo): entweder als Strafaktion oder als Recht auf einen Job. Anhand einer Überschrift lasse sich kein seriöses Urteil fällen.

Das Angebot gemeinnütziger Tätigkeit könne hilfreich sein, wenn es in keine Sackgasse münde, sagt Mahringer: Die Betroffenen sollten in ihren Fähigkeiten gefördert werden, um später in einem regulären Job Fuß fassen zu können. Simple Hilfstätigkeiten ohne Mehrwert hätten hingegen keinen Nutzen.

Zu einer kritischen Conclusio kam der wissenschaftliche Dienst des Bundestags in Deutschland, wo eine ähnliche Debatte losgebrochen war. Demnach läuft die Idee auf ein Dilemma hinaus. Sollten die Sozialhilfeempfänger Tätigkeiten erledigen, die gewöhnlicher Arbeit entsprechen, drohten regulär bezahlte Jobs verdrängt zu werden. Gehe es hingegen um marktferne Aktivitäten, liefen die Menschen Gefahr, noch länger in Abhängigkeit zu bleiben. Denn dann bleibe die Suche nach einem echten Arbeitsplatz auf der Strecke. (Gerald John, 24.1.2024)